Miami Downtown - augenfälliges Atrium

In den 20er Jahren nannte man das boomende Miami „Magic City“, da sich die Skyline durch immer mehr Hochhäuser rasant wandelte. Aktuell entwickelt die Stadt den Downtown Brickell, das Finanz- und Handelszentrum Miamis. Neues Herzstück des Bezirks wird das Brickell City Center mit Centern zum Shoppen, Büros, Hotels und luxuriösen Wohnungen.

Das Projekt erstreckt sich über ein L-förmiges 37.000 m2 großes Grundstück und besteht aus  fünfgeschossigen Gebäuden. Daraus erheben sich zwei Wohntürme und ein Hotelturm mit bis zu vierzig Geschossen, die einen beeindruckenden Blick bis zum Atlantik bieten. Hauptattraktion ist die lichtdurchflutete, lebendige Shoppingmall. Auf fünf Geschossen reihen sich Geschäfte, Restaurants und Cafés entlang eines überdachten Atriums. Stege und Treppen durchqueren und verbinden die  Ebenen, schaffen Plätze zum Verweilen und zum Beobachten des bunten Treibens. Über das bewegte, gläserne Atriumdach dringt großzügig Tageslicht ein, die Atmosphäre ist freundlich und hell. Unter der Glashaut scheinen weiße Bänder zu schweben. Sie schützen den Innenraum vor der tropischen Sonne und sorgen gleichzeitig für die Zirkulation der Luft im Atrium.

Was spielerisch leicht wirkt, ist das Ergebnis hoch komplexer Berechnungen und einer äußerst präzisen Montage. Allein die Form des Daches hat ihre Tücken: Es hat einen T-förmigen Grundriss. Die Stahlglaskonstruktion besteht aus Dreiecksfeldern, die so aneinander gefügt sind, dass ein wellenförmiges Auf und Ab entsteht. Darunter verlaufen die hellen Membranbänder, welche an der Stahlkonstruktion befestigt sind. Sie bilden zusammen mit dem Dach den sogenannten Climate Ribbon. Das Formenspiel des Climate Ribbon entstand im Büro des Architekten Hugh Dutton. Mittels eines Freiformprogrammes und der Berechnungen von Schatten und Luftzirkulation gestaltete er die Dachform und die einzelnen Bänder, Blades genannt. Sie folgen der Wellenbewegung des Daches. Gleichzeitig verdrehen sie sich um die eigene Mittelachse und folgen im Bereich der T-Kreuzung zusätzlich einer 90°-Kurve.

Der Metallbauer Josef Gartner in Würzburg wurde mit der Konstruktion des Climate Ribbon beauftragt und zog für die Planung der Membranbänder die Experten von formTL in Radolfzell heran. Sie berechneten die gesamte Membranstatik und erstellten die Unterlagen für die Konfektionierung der Blades und Delta-Beams. Neben der speziellen Formgebung stellten auch die Klimabedingungen besondere Herausforderungen an die Konstruktion. Von Juni bis November herrscht in Miami Hurrikansaison mit hohen Niederschlagsmengen. Auch außerhalb dieser Zeit sind tropische Wirbelstürme keine Seltenheit. Hinzu kommt eine erhöhte Windlast vom Altantischen Ozean.

Die Blades sind im Querschnitt dreieckig und werden aus jeweils drei stählernen Rundrohren geformt. Die oberen beiden Stahlrohre verlaufen dabei stets parallel. Die Krümmungen der Blades entstehen durch das dritte Rohr, das von stählernen Abstandshaltern fixiert um die Mittelachse schwingt. Da die Klemmung der Membrane für den Betrachter unsichtbar sein sollte, plante formTL die Befestigung über eine Aluleiste an der dem Dach zugewandten Seite der Blades. Darüber hinaus wurden an der Oberseite der Blades Verbindungsbleche montiert, welche zur Befestigung an den Hauptträgern der Dachkonstruktion dienen.

Um die Sturmsicherheit zu gewährleisten, fiel die Wahl der Membrane für die Blades auf Glas-PTFE 18039. Das Material ist äußerst robust, allerdings steif und kaum dehnbar. Die Möglichkeiten, auf der Baustelle Ungenauigkeiten auszugleichen, waren damit sehr gering. Die Membranfelder mussten sehr präzise gefertigt werden, so dass die Zuschnitte exakt auf den Stahl passen. Insbesondere im Bereich der 90°-Kurven, bei den sogenannten L-Blades, bedeutete dies für die Ingenieure die Berechnung und Planung zahlreicher schmaler Einzelsegmente. Insgesamt entstanden auf diese Weise 313 einzelne Blades mit einer Gesamtfläche von 11.092 m2. Die Bespannung der Unterkonstuktion erfolgte größtenteils in einer Lagerhalle nahe der Baustelle, ausgenommen die L-Blades. Diese mussten direkt auf der Baustelle bespannt werden, da sie anschließend nicht mehr transportiert werden durften.

Etwas weniger komplex gestaltete sich die Umhüllung der Dreigurtbinder, die den Abschluss des Daches bilden. Sie verlaufen gerade und die einzelnen Membranstücke konnten deutlich größer werden. Dies bedeutete auch, dass die Monteure vor Ort mehr Ausgleichsmöglichkeiten bei der Bespannung hatten. Das Ergebnis lohnt den planerischen Aufwand: Das Brickell City Center empfängt seine Besucher mit einer lichten Atmosphäre und einem angenehmen Klima. red


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