Interview

Martin J. Hörmann

„Nachhaltigkeit ist ein Muss für uns!“

Im Jahr 2019 hat die Hörmann Gruppe das Thema Nachhaltigkeit zentralisiert und an der Unternehmenszentrale Steinhagen eine Abteilung dafür geschaffen. Sarah Osterholt leitet diesen Bereich mit dem Ziel, Potenziale zu erkennen und die nachhaltige Entwicklung aller Standorte zu forcieren. Sie stellt fest: „Nachhaltigkeit muss in den Unternehmensalltag passen und im Überblick ergeben sich hilfreiche Synergien.“ Regelmäßig tauscht sie sich mit den Mitarbeitern aus, die an den Standorten das Umweltmanagement nach ISO 14001 betreuen. Jährlich koordiniert sie die Berechnung des Corporate Carbon Footprint aller Standorte und der dort gefertigten Produkte (Product Carbon Footprint). Die Berechnungen basieren auf den internationalen Standards des „Greenhouse Gas Protocols“.

metallbau: Mit der Pandemie und der Juli-Flut mussten wir lernen im Katastrophenmodus zu leben. Auf was kommt es an, dass Betriebe in solchen Zeiten erfolgreich Kurs halten?

Martin J. Hörmann: Unternehmen, die gut aufgestellt sind und im Tagesgeschäft gute Arbeit abliefern, werden weiter gefragt sein. Die Flut hat deutschlandweit eine Solidarität gezeigt, die einem ein gutes Gefühl gibt. Darauf können die Menschen in Zukunft bauen. Was die Preissteigerung betrifft, kann ich nur hoffen, dass diese nicht mit voller Wucht bei den Verarbeitern ankommt. Wir haben Preiserhöhungen sehr moderat und mit Augenmaß in den Markt eingebracht.

metallbau: Wie beurteilen Sie die Entwicklung, dass sich durch die Pandemie die Kluft zwischen Arm und Reich weiter aufgetan hat — auch wegen der Kostensteigerung für Baumaßnahmen?

Hörmann: Die Notwendigkeit, günstigen Wohnraum zu bauen, ist absolut gegeben; der Markt wird sich den Weg suchen, dies anzubieten. Ich sehe nicht, dass der Spalt in der Gesellschaft größer geworden ist, aber das mag ein Stückweit an der Betrachtungsweise liegen. Verglichen mit den Europäischen Nachbarn sind wir sehr gut aufgestellt. Und wir müssen sehen, dass die Bauwirtschaft von der Corona-Krise profitiert hat.

metallbau: Sehen Sie die „Goldene Zeit“ der BRD gefährdet?

Hörmann: Nein, ich sehe die „Goldene Zeit“ nicht dahinschwinden. Vor allem im Vergleich zu dem Potenzial, das wir haben. Ich bin ein positiver Mensch.

metallbau: In der Europäischen Gemeinschaft zu agieren, heißt ja immer auch Rücksichtnahme auf wirtschaftlich schwächere Länder. Meinen Sie nicht, dass deswegen allzu viel Potenzial hierzulande auf der Strecke bleibt?

Hörmann: Wir Deutsche tun gut daran, auf andere Länder Rücksicht zu nehmen. Sieht man sich die vergangenen Jahrzehnte der EU und der europäischen Währung an, dann erkennt man, dass Deutschland einer der Gewinner ist. Wir sind nicht nur Geberland, sondern haben stark von dem gemeinsamen Markt profitiert.

metallbau: Wie bilanzieren Sie die Corona-Krise?

Hörmann: Das Virus Covid-19 hat sehr viel privates Leid für die Menschen gebracht. Wirtschaftlich hat die Krise einen ordentlichen Digitalisierungsschub bewirkt – insbesondere in den Büros. Die Bauwirtschaft ist Profiteur der Krise. Ich meine nicht, dass es in den nächsten Jahren auf dem Weg der Normalisierung einen spürbaren Einbruch in der Branche geben wird. Uns muss klar sein, es ist ein Luxusproblem, wenn ein Betrieb so viele Aufträge hat, dass er sie nicht abarbeiten kann. Die aktuellen Lieferprobleme werden wir überwinden, und dann wird es auf einem stabilen und nicht so überhitzten Niveau weitergehen.

metallbau: Es soll ja im Interview um Nachhaltigkeit gehen, deshalb nun eine erste Frage an Frau Osterholt, die bei Hörmann das Nachhaltigkeitsmanagement leitet. Welche Maßnahmen hat Hörmann in den vergangenen zwei Jahren zugunsten von mehr Nachhaltigkeit getätigt?

Sarah Osterholt: Wir verfolgen einen Dreiklang aus Berechnung, Reduktion und Kompensation, wobei der Fokus immer auf Reduktionsmaßnahmen liegt. Vom Energieversorger Naturstrom beziehen wir beispielsweise echten Ökostrom, außerdem stellen wir die Gebäude schrittweise auf LED-Beleuchtung um und forcieren den Abbau von Papier. So werden dank Online-Bewerbermanagement, ebilling und Systemen wie iHAAS und eshop für unsere Kunden viele 100.000 Seiten Papier eingespart; Unterlagen wie Einbau- und Montageanleitungen wurden auf Recycling-Papier umgestellt. Ein weiterer Fortschritt ist, dass viele Gabelstapler mit E-Strom fahren. Ferner setzen wir auf eigene Blockheizkraftwerke, Photovoltaik und Brennstoffzellen-Technologie. Insbesondere für unsere Auszubildenden bieten wir Mitmach-Projekte an, beispielsweise legen wir mit ihnen auf dem Firmengelände Staudenbeete und Insektenwiesen an.

metallbau: Planen Sie, den Fuhrpark auf E-Mobilität umzustellen, wenn Sie schon E-Tankstellen an den Standorten haben?

Hörmann: Wir bauen die E-Tankstellen schrittweise an allen Standorten aus und parallel tauschen wir zunehmend unsere Verbrenner-Autos gegen E-Fahrzeuge. Die Fahrzeuge der Außendienstler machen jedoch zu viele Kilometer, als dass es sinnvoll wäre, diese auf Elektro umzustellen.

metallbau: Haben nicht Video-Meetings mit den Kunden die Reisekilometer der Außendienstler langfristig reduziert?

Hörmann: Sicher sind unsere Außendienstler heute öfters digital mit Kunden im Kontakt, aber das persönliche, physische Gespräch hat sich höchstens um 20 Prozent verringert.

metallbau: Wenn Sie die Klimawirkung des Unternehmens in der CO2-Bilanz berechnen, inwiefern werden dabei die CO2-Emissionen der Lieferketten berücksichtigt?

Osterholt: Zu 100 Prozent. Wir gehen nach „Greenhouse Gas Protocol“ vor und beziehen in die Berechnung über Scope 1 und 2 hinaus auch Scope 3 ein. Letzterer betrifft die komplette vor- und nachgelagerte Lieferkette. Kaufen wir etwa ein Stahlcoil ein, dann werden CO2-Emissionen berücksichtigt, angefangen beim Abbau von Eisenerz, über den Recyclinganteil des Stahls bis hin zu sämtlichen Transporten des Materials einschließlich des Endverbleibs. Dieser Bereich macht mit rund 98% den größten Anteil unserer Emissionen aus, ist aber gleichzeitig am schwierigsten zu beeinflussen.

metallbau: Fordert Hörmann von seinen Lieferanten inzwischen nachhaltige Parameter?

Osterholt: Wir setzen auf den kooperativen Ansatz; Lieferanten, die für Nachhaltigkeit etwas tun möchten, unterstützen wir dabei.

Hörmann: Zum Großteil ist Nachhaltigkeit bei unseren Vorlieferanten noch überhaupt kein Thema. Es wird weiter wichtig sein, auf diese zuzugehen und in diesen Betrieben die Reduktion von CO2-Emissionen anzustoßen; eine positive Resonanz käme ja auch uns zugute.

metallbau: Haben Sie zugunsten von mehr Nachhaltigkeit Umstellungen in der Fertigung vorgenommen?

Hörmann: Richtig tiefe Umstellungen in der Fertigung direkt gab es nicht. Dass wir zu 100% die Energie von Naturstrom beziehen, ist ein sehr relevanter Faktor für die Fertigung. Aktuell werden die CO2-Emissionen aber noch weitestgehend durch zertifizierte Umweltprojekte kompensiert, weil einfach nicht alles zu reduzieren ist.

Osterholt: Bei der Verpackung von Garagen- und Industrietoren mit PE-Folie ist uns kürzlich ein klasse Erfolg gelungen. Indem wir den Umwicklungsprozess der Produkte optimiert haben, konnten wir 76 t Folie einsparen.

metallbau: Wie recyclebar ist inzwischen ein Berry-Garagentor?

Hörmann: Unsere Stahlprodukte sind sehr gut recyclebar. Schwieriger verhält es sich bei Composite-Produkten, z. B. wenn Stahl und dämmender Schaum in einem Produkt verarbeitet werden. Die Wärmedämmung bringt zwar Pluspunkte für die Energieeffizienz, aber beim Recyclen hapert es dann. Wir arbeiten daran, Produkte hinsichtlich des Recyclings zu optimieren, sodass diese künftig in einen Wertstoffkreislauf entsorgt werden können, ähnlich wie dies in der Branche vom Aluminium- oder Kunststofffenster geläufig ist.

metallbau: Der Druck auf die Unternehmen, nachhaltig zu sein, ist groß – versucht da nicht mancher zu tricksen?

Osterholt: Die Gefahr besteht durchaus, wir merken das tatsächlich an der ein oder anderen externen Stelle. Die Frage, ob ein Unternehmen seine CO2-Emissionen nur kompensiert oder aber zusätzlich mit Maßnahmen reduziert, zeigt die tatsächliche Haltung zur Nachhaltigkeit. Der Markt der Zertifikate und Siegel ist sehr vielfältig, Endverbraucher müssen da an der einen oder anderen Stelle sehr genau hinschauen.

metallbau: Wie unterscheidet sich die Nachhaltigkeit bei Hörmann in den europäischen und außereuropäischen Tochterunternehmen im Vergleich zu den Standorten in Deutschland?

Hörmann: In Deutschland ist der Umweltschutz deutlich am stärksten im Fokus, während das Thema in anderen Ländern teils wenig ausgebildet ist. Das sollte uns aber hierzulande nicht von den nötigen Schritten abhalten. Wir leben in einer Zeit, in der wir wissen, wie sehr die Umwelt gefährdet ist – und gleichwohl verfolgen wir nur zögerlich den richtigen Weg.

metallbau: Schlägt Ihr Unternehmerherz nicht höher, wenn die Auflagen für nachhaltiges Wirtschaften in den anderen Ländern nicht so aufwändig sind?

Hörmann: Nein, da sind wir nicht so anfällig. In unseren Produktionsstätten in Indien oder China herrschen deutsche Standards, was den Umweltschutz betrifft. Da sehen Sie keinen Unterschied. Wir nutzen aus Europa importierte Maschinen, die Verfahren sind hier wie dort dieselben, beispielsweise nutzen wir für Farbe Pulverbeschichtung statt Nasslack. Das heißt, wir sind bereits aus Notwendigkeit heraus im Ausland nachhaltig.

metallbau: Zur Nachhaltigkeit gehört auch die Umsetzung von Menschenrechten, sehen Sie Umweltschutz und ethische Fragen zusammen?

Osterholt: Wir berücksichtigen ethische Fragen generell bei unseren nachhaltigen Zielen. Beispielsweise haben wir am Standort unseres Werks in Gagillapur/Indien Social-Responsibility-Projekte, etwa indem wir den Zugang zu Trinkwasser fördern und uns ins Bildungs- und Gesundheitswesen einbringen. Die Entwicklungsarbeit leisten wir in Kooperation mit indischen Hilfsorganisationen in Hyderabad und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

metallbau: Haben Sie ein Controlling, um die Wirtschaftlichkeit der Investitionen zu prüfen?

Hörmann: Nein, Priorität haben die Klimaziele. Wir schauen bei den CO2-Reduktionsmaßnahmen und den Klimaschutzprojekten nicht auf den Return des Invest.

metallbau: Wie bestimmen Sie dann die Grenzen für die Investitionen?

Hörmann: Jedes Unternehmen sollte selbstverständlich und kontinuierlich seine Potenziale im Bereich CO2-Reduktion heben und umsetzen. Das ist eine Gratwanderung. Der Satz „Wir haben kein Geld für Nachhaltigkeit“ gilt jedenfalls nicht und bei den Unternehmen ist der Hebel einfach größer als bei Privathaushalten. Sie stehen in der Pflicht.

metallbau: Sind nicht KMUs bis zu zehn Mitarbeitern sowohl bürokratisch als auch monetär überfordert, ihre Betriebe Richtung Nachhaltigkeit umzustellen?

Hörmann: Die Betriebe werden nicht umhinkommen, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Ich bin nicht besorgt, dass der Metallbauer dieser Entwicklung nicht gerecht wird. Der Nachwuchs weiß, dass er von dieser Erneuerung der Gesellschaft und Wirtschaft profitieren wird.

metallbau:  Welches Geschäftspotenzial birgt der EU Green-Deal bzw. das deutsche Klimaschutzgesetz für den Metallbau?

Hörmann: Die Forcierung der Nachhaltigkeit schafft weiterhin Markt für den Metallbau. Die Branche hat bereits in der Vergangenheit von Klimaschutzgesetzen profitiert; die staatlichen Fördermaßnahmen zeigen, Neubau und Sanierung gelten weiterhin als notwendige, klimarelevante Faktoren.

metallbau: Zur Hörmann Gruppe gehören viele Tochterunternehmen, welche Rolle spielt noch die Metallbaubranche?

Hörmann: Sicher ist unser Portfolio inzwischen breit aufgestellt, aber wir meinen, dass wir damit auch ein attraktiver Systempartner für Metallbauer sind. Und das Verständnis vom Metallbau ist inzwischen ebenfalls breiter. Zähle ich die Montage-spezialisten hinzu, dann sind ca. 60 Prozent unserer Kunden in Deutschland Metallbaubetriebe.

Fortsetzung online

metallbau: Seit einigen Jahren nutzt Hörmann Social-Media-Kanäle für die Kommunikation mit den Kunden. Wie zufrieden sind Sie mit Facebook oder YouTube?

Hörmann: Ich ziehe eine gemischte Bilanz. Unsere Produkte sind Investitionsgüter, keine Konsumgüter, dafür ist die Bedeutung der digitalen Kanäle nicht so groß. Die klassischen Kommunikationskanäle sind mindestens genauso wichtig wie die digitalen.

metallbau: Einige hygienetechnische Maßnahmen sind aufgehoben, können Sie das Hörmann Forum wieder mit Präsenzschulungen auslasten?

Hörmann: Wir haben durch die Pandemie gelernt, dass digitale Formate sehr gut funktionieren können. Aber persönliche Treffen sind wichtig und in meinen Augen ist der Face-to-Face-Kontakt am effizientesten. Aktuell ist das Forum zu 70 Prozent ausgelastet, bald werden wir die komplette Kapazität brauchen. Zudem nutzen wir das Forum, um neue Mitarbeitende einzuarbeiten und um uns intern miteinander auszutauschen. Natürlich werden weiterhin unabhängig von der Pandemie bestimmte Online-Schulungen angeboten, die den Verarbeitern bei Reisekosten und Arbeitszeiten entgegenkommen. Andererseits sind Seminare wie Montageschulungen digital nicht machbar.

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