Nach fünf Jahren EN 1090

Aus dem Logbuch von Peter Trappe

Die Rückmeldungen auf den jüngsten Beitrag haben deutlich gezeigt: Es ist  nicht gelungen, die EN 1090 in punkto Treppen und Geländer ausreichend verständlich darzustellen. Deswegen widme ich mich nochmal dem Thema.

Grundsätzlich kann man die tragenden Bauteile, die der Metallbauer in der Regel herstellt (dazu gehören auch Treppen und Geländer), in zwei Gruppen einteilen:

Gruppe 1: Produkte, die nationalen Anforderungen unterliegen

Gruppe 2: Produkte, die in den Anwendungsbereich der europäischen EN 1090-1 fallen

Treppen, die lediglich der Erschließung dienen, und Geländer, die lediglich gegen Absturz sichern, jedoch keines der Anwendungskriterien der EN 1090-1 erfüllen (siehe unten), fallen in die Gruppe 1. Treppen und Geländer, die mindestens ein Anwendungskriterium der EN 1090-1 erfüllen, fallen in die Gruppe 2. Die drei Anwendungskriterien sind:

a) sie/es trägt zur Sicherstellung der Stabilität des Bauwerks bei (>>> ist als Teil der Tragstruktur zu betrachten)

b) sie/es ist als eigenständiges Bauwerk/Tragwerk anzusehen

c) sie/es stellt den Fluchtweg bzw. den Teil eines Fluchtwegs im Brandfall dar

Kriterium a: Die Treppenspindel trägt die darüber liegende Pfette, das als Fachwerkträger ausgebildete, schlüssig mit der Pfette verbundene Geländer wirkt gegen Durchbiegung. Beide Bauteile tragen zur Sicherstellung der Stabilität des Bauwerks bei und sind daher als Teile der Tragstruktur zu betrachten.

Kriterium b: Die Frage, wann eine Treppe als eigenständiges Bauwerk/Tragwerk anzusehen ist,  kann nicht eindeutig beantwortet werden, da es hierzu keine eindeutigen Vorgaben gibt. Selbst übergeordnete Stellen halten sich mit konkreten Aussagen zurück und vertreten den Standpunkt, dies sei fallbezogen zu entscheiden – was meiner Auffassung nach dann eindeutig Aufgabe des Planers ist.

Wenn ich selbst eine Treppe plane, orientiere ich mich bei der Beurteilung an der Komplexität der Konstruktion, dem Schwierigkeitsgrad bei der Herstellung und den möglichen Schadensfolgen im Versagensfall.

Kriterium c: Fluchtweg im Brandfall, kann zu einem heißen Eisen werden, da (grundsätzlich betrachtet) jede Treppe im Brandfall einen Fluchtweg darstellen und damit in den Anwendungsbereich der EN 1090-1 fallen kann. Ich rate dazu, diesen Punkt generell abzuklären. Die Entscheidung sollte man dem Auftraggeber/Architekten überlassen und das Ganze schriftlich festhalten.

Nun zu den Anforderungen, die innerhalb der einzelnen Gruppen an den Hersteller gestellt werden. Die Anforderungen bezüglich Gruppe 2 sind hinlänglich bekannt: Der Betrieb muss ein gültiges Zertifikat nach EN 1090-1 vorweisen können, die technischen Regelwerke EN 1090-2 bzw. EN 1090-3 sind zu beachten, zum Produkt ist eine Leistungserklärung abzugeben und eine CE-Kennzeichnung ist aufzubringen.

An einer speziellen Regelung für die Gruppe 1 wird momentan gearbeitet. Ob sie allerdings überhaupt kommen wird, und wenn ja wann, ist noch unklar. Derzeit bestehen die Anforderungen jedenfalls darin, die technischen Regelwerke EN 1090-2 bzw. EN 1090-3 zu beachten und einen entsprechenden Nachweis zu führen. Und was heißt das jetzt? Bis zum Erscheinen der avisierten Regelung für die Gruppe 1 gelten im Prinzip die gleichen Anforderungen wie für die Gruppe 2 — nur die CE-Kennzeichnung darf nicht aufgebracht werden.

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