Außentüren in Rettungswegen

Höchste normative Anforderungen

Im Falle der CE-Kennzeichnung von Außentüren in Rettungswegen nach DIN EN 1451-1 gilt es viele bestehende und neue Normen zu berücksichtigen und rechtssicher unter einen Hut zu bringen. Florian Du Bois ist bei Assa Abloy Produktmanager für Rettungswegtechnik und weiß als Experte bei Normfragen, wie Planer und Türenhersteller bei diesem Thema trotz zahlreicher Anforderungen den Überblick behalten.

Leistungserklärungen bzw. DoP (Declaration of Performance) mit CE-Kennzeichnung (CE wie Conformité Européenne oder Europäische Konformität) regeln im Rahmen der Bauprodukteverordnung (BauPVO) die Bedingungen für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von harmonisierten Bauprodukten auf dem Markt. Die BauPVO legt dabei die Anforderungen an die Leistungserklärung und die CE-Kennzeichnung für die von Herstellern oder deren Bevollmächtigten vertriebenen Produkte fest.

Bereits im Jahr 2021 hatte das DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) die korrekte Umsetzung der CE-Kennzeichnung von Außentüren unter anderem als Schwerpunkt der Marktüberwachung festgelegt. Für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union muss jede Außentür eine CE-Kennzeichnung besitzen, die je nach Verwendung der Tür unterschiedliche Leistungseigenschaften aufzuweisen hat.

Bei Türen in Rettungswegen beispielsweise ist neben dem Brandverhalten die CE-Kennzeichnung nach DIN EN 14351-1 eine dieser erforderlichen Leistungseigenschaften. Diese beschreibt konkret die Fähigkeit der betreffenden Tür zur Freigabe.

Das ist insofern eine Herausforderung für Türenhersteller, weil die Türen in Rettungswegen dem System der Konformitätsbescheinigung 1 unterliegen – also den höchstmöglichen Anforderungen an Prüfungen, werkseigene Produktionskontrollen und die Organisation des Betriebes.

Um die Leistungserklärung ausstellen zu können, muss die Leistungsbeständigkeit der betreffenden Türen durch eine notifizierte Produktzertifizierungsstelle erstgeprüft werden. Die Sicherstellung der Leistungseigenschaften wiederum erfolgt dann durch die werksseitige Produktionskontrolle. Es ist demnach für den zuständigen Planer sehr wichtig, bereits im Vorfeld einer Baumaßnahme die Außentüren in Fluchtwegen explizit als solche in der Ausschreibung zu benennen.

Wahl geeigneter Fluchttürverschlüsse

Der europäische Standard DIN EN 14351-1 als Grundlage für eine erfolgreiche CE-Kennzeichnung von Außentüren, die als Fluchttüren in Rettungswegen ausgewiesen sind, fordert bestimmte Fluchttürverschlüsse für eine Panik- oder Notsituation. Je nach Risikoeinschätzung und -bewertung müssen die Türverschlüsse also entweder der Norm DIN EN 1125 (Panik) oder DIN EN 179 (Notausgang) entsprechen.

Tatsächlich unterscheiden sich die technischen Lösungen für beides voneinander. Von Paniksituationen spricht man immer dann, wenn die Reaktionen einer großen Menschenmenge etwa im Theater oder Kino auf eine Gefahrensituationen nicht vorherzusagen sind, also irrational sein können. Paniktürverschlüsse müssen deshalb immer und jederzeit sicher funktionieren und ohne Vorkenntnis oder Werkzeug bedienbar sein.

Bei Notsituationen hingegen geht man von einem kleineren Personenkreis aus, der im Gefahrenfall nicht in Panik geraten sollte, weil er mit der räumlichen Situation, der Lage der Notausgänge und deren Funktionsweise vertraut ist. Auch diese müssen sich jederzeit zuverlässig öffnen lassen, unterliegen aber teilweise anderen Anforderungsprofilen als Paniktürverschlüsse.

Sonderfall –
elektrisch gesteuerte Fluchttüranlage

Elektrisch gesteuerte Fluchttüranlagen nach DIN EN 13637 nehmen im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung einen gewissen Sonderstatus ein. Denn der europäische Standard wurde bis dato noch nicht zur Harmonisierung im OJEU (Official Journal of the European Union) zitiert. Das heißt, eine elektrisch gesteuerte Fluchttüranlage darf als Bauprodukt noch nicht CE-gekennzeichnet werden.

Es gibt jedoch grundsätzlich mehrere Verfahren zur CE-Kennzeichnung, zum Beispiel die europäischen Bewertungsdokumente EAD (European Assessment Documents). Eine CE-Kennzeichnung einer elektrisch gesteuerten Fluchttüranlage aufgrund anderer EU-Verordnungen, beispielsweise der EMC (Electromagnetic Compatibility Directive) oder RoHS (Restriction of certain Hazardous Substances) sowie der Niederspannungsrichtlinie, auch allgemein mit LVD abgekürzt (Low Voltage Directive), ist deshalb ebenso zulässig und auch angebracht.

Bis zur offiziellen Freigabe der DIN EN 13637 durch die europäische Kommission, können die EU-Mitgliedstaaten eigene Anforderungen als Verwendungsnachweis stellen. In Deutschland wird die nötige Rechtssicherheit für den Einsatz elektrisch gesteuerter Fluchttüranlagen in Rettungswegen durch ein Prüfzeugnis auf Basis der EltVTR (Richtlinie über elektrische Verriegelungssysteme von Türen in Rettungswegen) gewährleistet.

Assa Abloy gehört zu den Anbietern, die bereits entsprechend geprüfte elektrisch gesteuerte Fluchttüranlagen mit und ohne zeitverzögerte Freigabe (t1/t2) anbieten. Für die Verwendung nach deutschem Baurecht verfügen die Systeme zusätzlich über die geforderten Prüfzeugnisse.

Elektrisch gesteuerte Fluchttüranlagen in Rettungswegen zeichnen sich dadurch aus, dass für die Entfluchtung die elektrische Verriegelung zuvor deaktiviert werden muss. Im Gefahrenfall kann die Verriegelung jederzeit durch Betätigung des Notschalters deaktiviert werden. Ist eine Brandmeldeanlage angeschlossen, geschieht das zusätzlich zur manuellen Freigabemöglichkeit bei Erkennen eines Gefahrkriteriums automatisch. Ebenso wie bei einem Stromausfall: Hier gilt das Funktionsprinzip „ohne Strom gleich entriegelt“.

Ausblick

Derzeit werden Form und Umfang harmonisierter Normen im Bauproduktebereich europaweit überarbeitet. Erst nach der Verabschiedung der daraus resultierenden Vorgaben (Mandate) durch die Europäische Kommission wird es möglich sein, harmonisierte Normen im Bauproduktenbereich auf dieser Basis zu erstellen. Deshalb ist in naher Zukunft mit keiner Harmonisierung von Normen zu rechnen.

Der technische Standard bei Panik- und Notausgangsverschlüssen hat sich hingegen im Markt bewährt. Panikverschlüsse nach DIN EN 1125 bieten die höchste Gefahrensicherheit im Panikfall und ermöglichen Lösungen für hohen Brand- und Einbruchschutz. Notausgangsverschlüsse nach DIN EN 179 sind in diesem Kontext eine preiswerte Alternative in Bereichen, wo nicht mit Panik zu rechnen ist.

Um Fluchttüren optimal gegen einen Missbrauch zu sichern, bietet die DIN EN 13637 außerdem die Möglichkeit, auf genormter Basis, innovative Konzepte zu realisieren. Die DIN EN 13637 ist zwar nicht harmonisiert, repräsentiert jedoch den aktuellen Stand der Technik. Um dem deutschen Baurecht zu genügen, ist dazu allerdings ein Prüfzeugnis nach EltVTR sowie eine Übereinstimmungserklärung notwendig. Eine parallele Prüfung nach beiden Anforderungen ist in der Praxis möglich. Einschränkungen gibt es nur bei der zeitverzögerten Freischaltung und der Sperrung der Nottaste.

www.assaabloy.com

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