Fachkräfte

Recruiting mal anders

In vielen Metallbaubetrieben sind Engpässe spürbar. Wer am hart umkämpften Arbeitsmarkt Fachkräfte finden will, muss sich etwas einfallen lassen.

Mehr als 630.000 Stellen konnten vergangenes Jahr mangels qualifizierter Bewerber nicht besetzt werden. Laut Institut der deutschen Wirtschaft ist dies die größte Fachkräftelücke seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2010.

Fehlen Fachkräfte, hat das nicht nur negative Folgen für Bauherren. Metallbauern drohen Verluste, wenn sie ihre Aufträge aufgrund von Personalmangel nicht mehr ausreichend bedienen können. Mit einer umfassend angelegten Branchen- und Recruiting-Kampagne unter dem Motto „Metallbau Zukunft“ will der Systemanbieter Schüco deshalb Betrieben helfen, potenzielle Fachkräfte anzusprechen, und dem Nachwuchs den Weg in die Metallbaubranche aufzeigen.

Gegen Gebühr können Unternehmen ihre freien Stellen in einem speziellen Bewerbungsportal platzieren und von unterschiedlichen Werbemaßnahmen profitieren. Rund 350 Betriebe haben sich laut Auskunft eines Sprechers der Kampagne angeschlossen. Die Teilnahme steht auch Metallbauern offen, die nicht Schüco-Partner sind.

Schüco-Kampagne funktioniert

„Metallbau Zukunft ist für uns eine Chance, Mitarbeiter zu gewinnen und gerade über Social-Media junge Mitarbeiter anzusprechen“, sagt René Pflaum, Geschäftsleiter von Metallbau Dorsch aus Adelsdorf bei Nürnberg. „Kein Mensch schaut mehr in Zeitungen nach Stellenausschreibungen, es geht alles nur noch digital. Wenn man das als Unternehmer nicht mitmacht, bleibt man stehen“, so Pflaum.

Im vergangenen Quartal habe er drei neue Mitarbeiter einstellen können. „Gute Mitarbeiter“, wie er betont. Im Bewerbungsgespräch hätte sich herausgestellt, dass die Kandidaten über die Schüco-Kampagne auf seine Firma aufmerksam geworden sind. Der Unternehmer erläutert, worauf es seiner Ansicht nach im Wettbewerb um Fachkräfte ankommt: Betriebe müssten zunächst lernen, Mitarbeiter zu binden, bevor es im nächsten Schritt darum gehe, neue Beschäftigte zu finden.

„Wer sein eigenes Personal nicht halten kann, hat auch kein neues verdient“, konstatiert Pflaum. Und wer zu autoritär führe, mache das Handwerk unattraktiv. „Mitarbeiter wollen fair behandelt werden.“ Neben einer guten Bezahlung dürfe auch die Freizeit nicht zu kurz kommen. Wichtig sei außerdem, Angestellten zuzuhören, wenn sie sich mit Problemen an ihre Vorgesetzten wenden. Statt Druck aufzubauen, will Pflaum seinen Leuten das Gefühl geben, dass sie erwünscht sind, sie sollen gern zur Arbeit kommen. Als „verkehrt“ bezeichnet es der Chef von 35 Mitarbeitenden, wenn Mitbewerber wegen Personalmangel Überstunden am Wochenende anordnen. „Die dürfen sich dann nicht wundern, wenn ihre Mitarbeiter kündigen.“ Pflaum hat die Vier-Tage-Woche eingeführt, mit 38 Stunden Wochenarbeitszeit – bezahlt werden 40.

Besondere Zeiten / besondere Maßnahmen

Volle Auftragsbücher und fehlende Fachkräfte veranlassten im vergangenen Jahr auch die Geschäftsführer von Haga Metallbau zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Sie ließen eine allgemeine Stellenanzeige von einer örtlichen Bäckerei auf fast 4.000 Brote aufbringen. „Die Aktion sorgte für Aufmerksamkeit, einige Medien haben darüber berichtet und wir waren damals ein paar Wochen sehr im Gespräch“, berichtet Personalleiterin Carmen Klopf.

Rund 300 Beschäftigte arbeiten momentan bei dem auf Fenster, Türen und Fassaden spezialisierten Betrieb. Zur Mitarbeiterbindung setzt das Unternehmen auf Leistungen wie eine betriebliche Altersvorsorge, Weiterbildungsprogramme, Prämien oder Gewinnbeteiligung.

Um zusätzlich das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, ist den Personalverantwortlichen die interne Kommunikation sehr wichtig: „Dabei unterstützt uns die Mitarbeiter-App, die vor allem für Beschäftigte ohne PC-Arbeitsplatz viele Vorteile hat. Über die App bekommen nun alle direkt über ihr Smartphone mit, was es Neues im Unternehmen gibt und wie sich laufende Projekte weiterentwickeln“, so Klopf. Ein Highlight der Anwendung sei das „Brotzeit Feature“: Jeder kann sich einen Imbiss für die Pause bestellen und bekommt diesen an den Arbeitsplatz geliefert.

Bereits vor vier Jahren hat Haga ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingeführt. Wer möchte, profitiert von einem kostenlosen Yoga-Angebot: Personalleiterin Carmen Klopf ist ausgebildete Yoga-Lehrerin und lädt Interessierte einmal wöchentlich ein, mit ihr zu üben.

Teil des Gesundheitsmanagements ist außerdem eine Job-Rad-Regelung: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können bis zu zwei Diensträder für drei Jahre leasen. Die Leasingrate wird aus dem Bruttolohn gezahlt, der geldwerte Vorteil entsprechend versteuert. Die Versicherung über die gesamte Vertragslaufzeit übernimmt der Arbeitgeber.

In Kooperation mit einer Krankenkasse findet außerdem einmal jährlich ein Gesundheitstag statt. Vorab füllen alle Beschäftigten einen Fragebogen aus und geben an, für welche Gesundheitsthemen sie sich am meisten interessieren. In Workshops lernen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann zum Beispiel Entspannungstechniken, oder erfahren, wie sich ein gesunder Pausensnack schnell und einfach zuhause vorbereiten lässt. Klopf: „Der Gesundheitstag dient als Basis, um fortlaufend weitere interne Programme zu den Themen Bewegung, Ernährung und Entspannung zu entwickeln, die den Wünschen und Bedürfnissen der Kolleginnen und Kollegen entsprechen.“

Niederschwellige Bewerbungsverfahren

Wer bei Metallbau Gassert arbeitet, profitiert ebenfalls von besonderen Leistungen, wie zum Beispiel einem Firmenhandy, Bonuszahlungen oder einer Massage im neu geschaffenen Ruheraum. Geschäftsführer Matthias Kunze sieht sich als Arbeitgeber in der Pflicht, nicht nur für sicheres und nachhaltiges Arbeiten zu sorgen, sondern auch für ein gutes Betriebsklima und Teamgefüge. 

Anschreiben, Zeugnisse und Lebenslauf verlangt er nicht mehr bei Bewerbungen. Wer Interesse an einer Mitarbeit hat, kann sich bei #teamgassert, wie sich die Firma aus dem badischen Schriesheim in den Sozialen Medien nennt, ganz niederschwellig innerhalb weniger Minuten über sein Smartphone bewerben. „Ein gutes Image in den sozialen Netzwerken und lebendige Alltagsgeschichten sind der beste Weg, um Fachkräfte zu rekrutieren“, sagt Nico Walke, seit gut einem Jahr festangestellter Social-Media-Manager bei Gassert. „Wir halten den Bewerbungsprozess bewusst einfach. So erreichen wir beispielsweise auch talentierte Handwerker, die sich vielleicht nicht so gut ausdrücken können, aber oft hervorragende Facharbeiter sind“, betont Walke, der immer auf der Suche nach guten Storys ist. Die findet der gelernte Fotograf nicht nur in den Büros und Produktionshallen seines Arbeitgebers, sondern auch auf dessen Baustellen.

Fast täglich präsentiert Walke den Betrieb professionell und authentisch auf Instagram, Facebook, TikTok und LinkedIn. Hier veröffentlicht das Unternehmen auch seine offenen Stellen und Ausbildungsplätze; verknüpfte Links führen zu einer speziell fürs Recruiting erstellten Firmen-Webseite, auf der potenzielle Bewerber weitere Informationen finden.

Für mehr Reichweite schaltet Walke Anzeigen in den sozialen Medien. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Etwa 20 Bewerbungen im Monat erreichen den 1958 gegründeten Betrieb. Rund ein Viertel der Bewerbungen fallen laut Walke durchs Raster, weil Qualifikationen nicht ausreichen oder sich Interessenten nach einer ersten Kontaktaufnahme nicht mehr melden.

Die Kandidaten durchlaufen einen Prozess vom Kennenlern-Telefonat übers Vorstellungsgespräch bis hin zum Probearbeiten. Kommt es zur Einstellung, zeigt sich innerhalb einer sechsmonatigen Probezeit, ob der oder die Neue zum Unternehmen und ins Team passt. Im Jahr 2017 zählte der Betrieb noch 20 Beschäftigte. Vergangenes Jahr konnte Geschäftsführer Matthias Kunze den 50. Mitarbeiter einstellen.

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