London - ein City-Cluster mit Kontrasten
Moderne Fassaden & historische CityarchitekturEin Musterbeispiel einer Integration moderner Projekt-Architektur in die historisch gewachsene Struktur der City of London ist 52 Lime Street, bekannt als „The Scalpel“. Der Wolkenkratzer, der zu den fünf höchsten der Metropolstadt zählt, trägt seinen Namen wegen der speziellen scharfkantigen Architektur, die an ein Skalpell erinnert. Der 190 Meter hohe Büroturm aus der Feder der Architekten von Kohn Pedersen Fox (KPF) verbessert die Nord-Süd-Verbindung durch das Finanzviertel und gestaltet am Eingang einen öffentlichen Platz und Treffpunkt, der an den historischen und in den 1940er Jahren verlorenen Lime Street Square erinnert.
Die geometrische Form des Gebäudes lehnt sich geschickt von der Leadenhall weg, sodass es hinter der St. Paul's Cathedral quasi unsichtbar wird – die Dachline fällt in Anerkennung der bestehenden Gesamtkomposition der umliegenden Architektur steil nach Süden ab. Zur Unterstützung der Gebäudegeometrie setzte Fassadenbauer Scheldebouw helle, metallische Falzlinien ein und verwendete das mit erhöhter Außenreflexion silbrig-blau wirkende Sonnenschutzglas von AGC Interpane „ipasol shine 49/28“ auf Clearvision Weißglas.
Die Lime Street ist eine Nebenstraße in der City of London, zwischen Fenchurch Street im Süden und Leadenhall Street im Norden. Hier entstand der markante neue Büroturm „52 Lime Street“, seiner scharfgeschnittenen Form wegen „The Scalpel“ genannt. Die den Londonern sympathische Ergänzung des City-Clusters schafft trotz beachtlicher 42 Stockwerke das Kunstwerk, die Nah- und Fernsicht im historischen gewachsenen Viertel perfekt aufrecht zu erhalten. Die Gebäudegeometrie nimmt sich an entscheidenden Sichtlinien zurück, lehnt sich aus dem Blick heraus und beeindruckt aus anderer Position gleichzeitig mit seiner strahlend hellen Glasfassade. Um dieser in den unterschiedlichen Lichtstimmungen des Tages stets eine sich dem Himmel anpassende Ästhetik zu verleihen, wurde das silbrig-blau reflektierende Sonnenschutzglas ipasol shine 49/28 auf dem besonders eisenarmen und neutralen Weißglas „Clearvision“ eingesetzt.
Die Doppelsilber-Beschichtung verfügt über eine dezente Außenreflektion von 23 Prozent und schützt das Gebäude – wichtig auch für die Klimaresilienz – mit einem niedrigen g-Wert von 28 Prozent vor dem Überhitzen in der warmen Jahreszeit, das senkt die Klimalast. Gleichzeitig werden noch 49 Prozent des sichtbaren Tageslichts transmittiert, um die Energiekosten für elektrische Beleuchtung zu senken und den Komfort für die Gebäudenutzer zu erhöhen. Fassadenbauer Scheldebouw zeichnete für die Entwicklung der mehr als 20.000 Quadratmeter großen Zweifachglas-Fassade verantwortlich, die als Structural Glazing mit den hellen metallischen Falzlinien der Struktur korrespondiert. Bei kalten Außentemperaturen reduziert sie mit einem Ug-Wert von 1,1 W/(m2K) die Heizwärmeverluste. Für die Verglasung der zwei Stockwerke umfassenden Lobby wurden von AGC Interpane sogenannte „Giga Lites“, also übergroße Isolierverglasungen, hier mit einer jeweiligen Höhe von 7,70 Metern, gefertigt. Für die erforderliche Sicherheit wurde für die innenliegenden Scheiben im Aufbau Verbundsicherheitsglas (55.4 laminiertes vorgespanntes Low-Iron-Float) eingesetzt.
Mit der gelungenen Integration von „The Scalpel“ zeigen die Architekten von KPF auf, wie wichtig es ist, dass Gebäude nicht voneinander isoliert stehen, sondern mit der Umgebung interagieren, sich sinnvoll ins historisch gewachsene Stadtbild einbringen: Das Bürogebäude wird auch den wachsenden klimatischen Anforderungen gerecht, denn KPF legte Wert auf kluge „passive“ Designprinzipien: Die strategische Anordnung des Gebäudekerns an der Südfassade stellt sicher, dass die Innenräume „per se“ weitgehend vor extremer Sonneneinstrahlung geschützt sind. Die Kohlenstoffemissionen des vollverglasten Gebäudes durch seinen Betrieb liegen darum etwa 25 Prozent unter den örtlichen Vorschriften.
KPF optimierte zudem den Ressourceneinsatz und sparte durch sorgfältige Berechnungen der Auslegung der Bodenträger 700 Tonnen Stahl beim Bau ein. Eine Vorspannung des vertikalen Gebäudekerns erlaubte die Konstruktion schlankerer Kernwände, was letztlich noch einmal rund 1.800 Kubikmeter Beton einsparte. „The Scalpel“ erhielt das BREEAM-Zertifikat "Excellent".
2022 wurde the "The Scalpel" für ca. 1,1 Mrd. Dollar vom Milliardär Chua Thian Poh aus Singapur gekauft. Das berichtete seinerzeit die Financial Times. Laut der Finanzzeitung ging es dabei um eine langfristige Akquisition; über veränderte Besitzverhältnisse wurde seither nichts bekannt.
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In Nachbarschaft des Skyscrapers "The Scalpel" steht das Leadenhall Building mit 225 Metern Höhe. Für die geneigte Fassade hatte Roto Frank in Sonderkonstruktion spezielle Beschläge entwickelt. Die Redaktion metallbau hat 2014 über den Wolkenkrazer mit dem Nicknamen "Die Käsereibe" - "The Cheesegrater" berichtet.