Filigrane Profile im Trend

Statische Finessen

Wenn man in der Architektur von einem Dauertrend sprechen möchte, dann von dem großer Glasflächen mit filigranen Profilen aus Aluminium und Stahl. Ermöglicht werden sie durch weiter entwickelte Systeme, die die Grenzen des Machbaren ausreizen. Doch worauf haben Verarbeiter bei der Verwendung filigraner Profile zu achten? Worin unterscheidet sich die Verarbeitung von der konventioneller Bauteile?

Profile mit schmalen Ansichtsbreiten unterscheiden sich von konventionellen Profilen insbesondere durch niedrigere statische Werte. Um dies zu kompensieren, stehen von Systemseite diverse Möglichkeiten zur Verfügung. Dr. Karl Stefan Dewald, Leiter der Business Unit Fassadensysteme von Schüco, erklärt: „Zunächst einmal richtet sich die Anwendbarkeit von Systemen mit schmalen Profilansichten, ebenso wie bei konventionellen Profilansichtsbreiten, immer nach dem individuellen Einbauort, den Lastfällen und den Abmessungen der Fassadenelemente. Eine Möglichkeit, Profilansichten schmaler zu gestalten, liegt in der besonderen geometrischen Ausbildung der Profile im Inneren. Eine andere ist die gezielte Ertüchtigung der besonders belasteten Achse.“ Des Weiteren lassen sich durch verstärkende Einschubprofile bessere statische Eigenschaften erreichen. Als weiteres Mittel nennt Dewald den Einsatz von Compositmaterialien mit hohen Festigkeiten und günstigen Isoliereigenschaften.

Explizite statische Berechnungen der Gesamt-Tragsysteme anstelle von Einzelnachweisen können zudem Steifigkeiten im System berücksichtigen, die zu einer erhöhten nachweisbaren Tragfähigkeit führen. Eine weitere Möglichkeit bestünde, so Dewald, im Ansatz von zusätzlichen Bauteilen, wie im System verklebte Scheiben, die faktisch mittragen, aber regulativ nicht mit angesetzt werden dürfen. Eine grundsätzlich anwendbare statisch-konstruktive Lösung ist, die Fassaden zu hängen statt zu stellen. Die durch Eigengewicht entstehenden Zugspannungen in den vertikalen Elementen der Fassade überlagern sich günstig mit aus zum Beispiel Windbelastung entstehenden Spannungen aus Biegung und ermöglichen die Aufnahme höherer Lasten aus Wind.

Alusysteme von Schüco

Die Pfosten-Riegel-Fassade FWS 35 PD bietet Profilansichtsbreiten von 35 mm. Eine rationelle Fertigung und Montage werden durch Systemkomponenten umgesetzt, wie beispielsweise das Baukörperanschlussprofil oder die Befestigungseinheiten zur Verglasungsbefestigung, die eine solche schmale Profilansichtsbreite erst ermöglicht. Für den Verglasungsprozess in das Profilsystem stehen Montagehilfen zur Verfügung, die gleichzeitig die Glaskanten beim Einsetzen schützen. AWS 75 PD.SI ist ein ab Januar 2019 lieferbares Fenstersystem mit sehr schmalen Profilansichtsbreiten. Es ist gleichermaßen für Lochfenster und Fensterbänder geeignet und u.a. in die FWS 35 PD integrierbar.
Die Fassade FWS 60 CV verfügt u.a. über einen vollständig verdeckt integrierten Öffnungsflügel bei einer Gesamtprofilansichtsbreite von nur 60 mm. Die Flügelverklotzung und Justierung wird durch eine spezielle Rahmenvorrichtung in der Werkstatt durchgeführt. Die Befestigungsbohrungen für das mit Klebetape behaftete Adapterprofil, das zur Verklebung der Flügelverglasung eingesetzt wird, werden durch eine Bohrvorrichtung gesetzt.

Das Schiebesystem ASS 77 PD zeichnet sich durch ein 35 mm schmales Verhakungsprofil aus. Bei der Kombination mit der Fassade FWS 35 PD, der sogenannten Seamless-Kombination, ist der Übergang zwischen den Systemen als solcher nicht erkennbar. Dabei wird die Koppelstelle zwischen den Systemen durch eine neuartige Adapterplatte ermöglicht, mit der gleichzeitig auch die Riegelprofile justiert werden können. Trotz der in die Gebäudestruktur eingelassenen Profile garantiert der Hersteller einen nachträglichen Glasaustausch ohne Beschädigung der äußeren Gebäudestruktur (zum Beispiel WDVS System).
Bei der Verarbeitung von filigranen Profilen ist besonders zu beachten, dass dort, wo geometrisch auf ein Minimum gearbeitet wird, die Maßhaltigkeit der Einzelkomponenten an Bedeutung gewinnt. „Aufgrund der notwendigen Glaseinstandsmaße in das schmale Profilsystem ist das Toleranzfeld der Glasabmessungen in der Regel enger gefasst als beim Einsatz von konventionellen Profilansichtsbreiten. Der Systemgeber muss dabei auf die zulässigen Glastoleranzen hinweisen, damit der Verarbeiter dies frühzeitig in seinem Planungsprozess berücksichtigen kann“, so Dewald.

Alusystem von TKI

„Unser Anliegen ist es, mit dem Kunden zusammen wirtschaftliche Lösungen zu finden. Dabei konzentrieren wir uns auf kleinere Projekte wie zum Beispiel die Bauvorhaben Lagos und Dubai. Sie zeichnen sich durch den Einsatz filigraner Aluminiumprofile aus“, sagt Prof. Dr. Thomas Fattler, Technischer Leiter TKI System. Eingesetzt wurde eine verdeckt liegende Fensterkonstruktion und als weiterer Bestandteil eine Fassade auf Basis des Systems TKI 252 R² mit Profilansichtsbreiten von 38 mm. Die hintere Wandung des Riegels beträgt 6 mm statt der üblichen 3 mm; zudem wurden zur Steigerung der Stabilität Stahleinschieblinge verwendet, sodass die Bautiefe variieren kann. Dieses System zeichnet sich durch einfache Verarbeitung und gute Zuschnittsoptimierung aus.
Auf Glasebene fügte man zur Erhöhung des Dämmwertes eine Schaumstofffüllung ein. Spezifische Anforderungen an Einbruchhemmung und Wärmeschutz gab es jedoch keine.

Beim Bauvorhaben Dubai kam das Fassadensystem TKI 252 zum Einsatz, das eine Ansichtsbreite von 36 mm hat. Auf der Innenseite wurde das Profil auf eine Ansichtsbreite von 15 mm verjüngt. Über die zusätzliche Verwendung eines Stahleinschieblings konnten bei dieser Konstruktion die Stabilitätswerte erhöht werden. Da es sich um eine innere Fassade handelt, mussten in den statischen Berechnungen keine Windlasten berücksichtigt werden. Wärmeschutzanforderungen spielten eine untergeordnete Rolle.

Stahlsysteme von Jansen

„Die Filigranität der Profile steht und fällt mit der Dimensionierung der Profile, dem statischen Ansatz und der Element-ausführung. Durch die Wahl dieser drei Variablen wird auch der Aufwand in der Verarbeitung bestimmt“, sagt Thomas R. May, Leiter Produktmanagement Schüco Stahlsysteme Jansen (Nachgefragt s. www.metallbau-magazin.de). Je weniger Platz für die technisch funktionale Ebene wie Befestigung, Glaseinstand, Belüftung oder Entwässerung zur Verfügung gestellt würde, desto größer sei der Aufwand, um Toleranzen des Bauwerks, des Elements und der Gläser auszugleichen. „Um der Einfachheit in diesem Punkt aus Sicht des Verarbeiters Rechnung zu tragen, sind die angebotenen Systeme von Schüco Stahlsysteme Jansen auch bei filigranen Ansichten unter dieser Prämisse entwickelt worden.“
Der statische Ansatz habe einen maßgeblichen Einfluss auf die nötigen Widerstandswerte der Profile, sprich der Profilgeometrie an sich. Im Stahlbereich lässt sich das statische Modell der Festeinspannung leicht realisieren. Dieser Ansatz wiederum bedinge eine geringere Verformung der Profile, der sich in einem filigraneren Profilquerschnitt widerspiegelt. Bezüglich der Ausführungsart haben geschweißte Fassadenkonstruktionen im Gegensatz zu gesteckten -konstruktionen eine Gitterstruktur, in der die feste Verbindung der Pfosten und Riegel einen positiven statischen Effekt hat, der bei gleichen statischen Anforderungen kleinere Profilabmessungen rechnerisch begünstigt. Laut May ergeben sich so filigrane Ansichten bei gleicher technisch notwendiger Ansichtsbreite primär durch die Profilkontur. Hier seien besonders Tragprofile mit einer T-Kontur gefragt. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, im Bereich VISS Ixtra den Steg der Profile mit Ausschnitten zu versehen.

Schmale Stahlprofile von Forster

Das System forster unico XS ermöglicht wärmegedämmte Fensterelemente und Festverglasungen mit Ansichtsbreiten ab 55 mm für Fenster- und Stulpflügel und Ansichtsbreiten ab 23 mm für Festverglasungen. Ausgelegt ist es für die verschiedenen Öffnungsvarianten ebenso wie für die Aufnahme von Füllungen bis 60 mm.

Laut Hersteller ist es aktuell das einzige am Markt verfügbare schmale System, das geeignet ist, Dreh-/Kipp-Fenster zu bauen. Die U-Werte liegen auf Minergie-Niveau. Die Profilkonstruktion eignet sich für die Sanierung und für den Neubau und ist mit dem Standardsystem forster unico kombinierbar. „Das Besondere an unico XS ist der Edelstahlfachwerk-Isolator und dass das Profil lasergeschweißt ist. Dadurch erreichen wir eine hohe Stabilität und gute statische Eigenschaften. Edelstahl hat ja einen geringeren Wärmedurchgangswert als Normalstahl, und durch das Fachwerk entstehen nur punktuelle Verbindungen zwischen den Schalen. Daher erreicht das System trotz der mechanischen Verbindung auch sehr gute Wärmedämmeigenschaften“, erläutert Gabriele de Nardi, Verkaufsleiter International bei Forster Profilsysteme.
Für das Handling der sehr filigranen Profile rät er, die Profile auf mindestens vier Stützen zu lagern. Gemäß Dokumentation sind die Profile hochkant zu transportieren, um eine Durchbiegung der Sechs-Meter-Stangen zu vermeiden. Für den Zuschnitt stehen Schneidelehren zur Verfügung. Aufgrund der Laserschweißung sind die Toleranzen sehr genau, wodurch wiederum das Schweißen der Gehrungen einfacher ist und weniger Schleifaufwand anfällt. „Wichtig ist auch zu sagen, dass wir regelmäßig Theorie- und Praxisseminare anbieten. Das ist eine Möglichkeit, von der man als Verarbeiter profitieren kann“, ergänzt der Verkaufsleiter. Die Frage, ob schon ein weiteres Profil in Entwicklung sei, bejaht er. „Es wird eines mit noch höherer Bautiefe, noch höheren Isolationswerten bei gleichbleibend guter Stabilität und schmalen Ansichtsbreiten geben.“

www.schueco.de

www.tkisystem.de

www.forster-profile.de

Nachgefragt bei Thomas R. May, Leiter Produktmanagement Schüco Stahlsysteme Jansen.

metallbau: Herr May, welche Trends lassen sich im Fassadenbereich ablesen?
Thomas R. May: Im Fassadenbereich lassen sich folgende Trends feststellen, die unmittelbaren Einfluss auf die statische Dimensionierung der Profile haben: Das sind zunehmende frei spannende Längen und zunehmende Füllelementgewichte.
Diesen hohen statischen Anforderungen begegnet man im Stahlbereich mit folgenden drei Variablen: der Dimensionierung der Profile, dem statischen Ansatz und der Ausführungsart. Eingesetzt werden u.a. Profile mit hohem E-Modul von 210.000 N/mm², hochstatische Profile ab Werk für Bautiefen bis 280 mm und lagermäßigen Längen bis zu 10 m, lasergeschweißte Profile mit Bautiefen bis 1000 mm, Profile mit variabler Wandungsstärke bei gleichbleibender Außenkontur, hochfeste Stähle bis S355 J2 oder Standard-Profilrohre, die durch Stahleinschübe verstärkt werden.
metallbau: Wie breit sind bei Jansen jeweils die schmalsten Profile und ist bereits ein schmaleres Profil in Entwicklung?
May: Die Frage lässt sich leider nicht erschöpfend mit wenigen Worten beantworten. Daher der allgemeine Ansatz: Die Systeme der Schüco Stahlsystemen Jansen sind im Grundsatz und durch die Tatsache der hohen Materialfestigkeit von Stahl als filigrane Konstruktionen ausgelegt. Wir stellen uns aber täglich der Herausforderung der vom Architekten gewünschten maximalen Transparenz und des technisch Machbaren.

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