„Jungunternehmer brauchen Mut“

Im Gespräch mit Unternehmer Matthias Unger

Matthias Unger führt mit seinem Vater Josef Unger die Unger Steel Group, die ihren zentralen Standort in Oberwart im Burgenland hat. Josef Unger übernahm 1983 die Schlosserei von seinem Vater mit sieben Mitarbeitern. Den Fall des „Eisernen Vorhangs“ begriff Josef Unger als Chance, seine Leistungen in den osteuropäischen Märkten anzubieten. Seinerzeit hat er an die 60 Mitarbeiter beschäftigt, heute sind es weltweit 1.200. Derzeit erwirtschaftet die österreichische Nummer 1 im Stahlbau ca. 70 % des Umsatzes im Ausland. Stefanie Manger hat den 32-jährigen Matthias Unger in der Wiener Niederlassung getroffen.


metallbau: Unger hat in mehr als 20 Ländern Unternehmens-standorte, gibt es da inzwischen eine Art Programm, wie Sie bei den Gründungen vorgehen? Worauf kommt es an?

Matthias Unger: In erster Linie kommt es auf Flexibilität und auf Schnelligkeit an. Schnell sind wir vor allem, weil wir kurze Entscheidungswege in den flachen Hierarchien haben. Mein Vater und ich treffen die wesentlichen Entscheidungen in der gesamten Gruppe. Ausgangssituation ist meist, dass einer unserer Stammkunden in den Markt eines anderen Landes expandieren will bzw. dort eine neue Niederlassung gründen möchte. Vor allem unser offenes Verhältnis zu den Bauherren gibt den Ausschlag, dass sie mit diesem Wunsch auf uns zukommen. Unser Auftrag ist es dann, in dem jeweiligen Land ein Objekt in Unger Qualität zu errichten. Aufgrund der guten Zusammenarbeit bekommen wir auch von den Außenhandelsstellen der Wirtschaftskammer Österreich immer wieder Unterstützung.

metallbau: Was ist am Anfang einer Neugründung zu tun?

Unger: Unsere Vision für die Auslandsstandorte ist immer eine regionale Integration der Menschen und Unternehmen vor Ort. Meist leisten einige Österreicher die Aufbauarbeit, sukzessive stellen wir dann Personal aus der Region ein. Beispielsweise haben wir in Rumänien, Bulgarien und auch in den Arabischen Emiraten inzwischen einheimische Geschäftsführer. In Sharjah hatten wir zu Beginn 25 Österreicher als Pioniere eingesetzt, heute stammen von den 560 Mitarbeitern nur noch etwa zehn aus Österreich. Wir beschäftigen dort Mitarbeiter aus rund 20 Nationen.

metallbau: Wie erklären Sie sich, dass die Gründungen meistens erfolgreich waren?

Unger: Die örtliche Nähe zu den Ostmärkten kam uns zugute. Mein Vater hat sich als einer der ersten österreichischen Stahlbauunternehmer in Ungarn niedergelassen, 1991 als einer der ersten in Russland. Den Fall der Mauer in Deutschland hat er zum Anlass genommen, 1990 erste Gehversuche in Leipzig zu unternehmen. Nach Berlin kam ein Standort in München hinzu. Seit 2010 haben wir in Düsseldorf eine dritte Niederlassung, von wo aus wir nun stärker die nördlichen Märkte Europas bedienen können. Vor allem Automobilhersteller sind in Deutschland als Auftraggeber bedeutsam. Diese kommen mit ihren Expansionsplänen im Ausland auf uns zu. In Kooperation mit unseren Niederlassungen vor Ort realisieren wir die Kundenwünsche und begleiten sie in neue Märkte. Wir haben bereits einige Stammkunden bei ihrer Expansion ins Ausland begleitet.

metallbau: Sie sind mit Ihrem internationalen Konzept derart erfolgreich, warum machen das andere Stahlbauunternehmen nicht einfach nach?

Unger: Vor allem zu Beginn der Markterweiterung in den 1990er Jahren war mein Vater sehr risikobereit. Er hat die besten Maschinen gekauft, ohne dafür Aufträge zu haben, hatte aber dadurch natürlich die Kapazitäten, um die Kunden rasch und flexibel servicieren zu können. Seine größte Chance war dann die Öffnung der osteuropäischen Märkte, und diese hat mein Vater gut umgesetzt. Auf der anderen Seite sind wir immer organisch gewachsen – nie von Null auf Hundert. Einige Objekte haben sich als enormes Marketing erwiesen und das Wachstum angetrieben. Beispielsweise 1994 der Bau der Daviscup-Halle in Unterpremstätten und das erste Coca Cola Werk Beverages in Ungarn.

metallbau: Sie stehen dafür, Unger Qualität ins Ausland zu transportieren – wie lässt sich Unger Qualität messen?

Unger: Für ein Unternehmen, das Qualität liefern möchte, ist die Umsetzung der Normvorgaben im jeweiligen Land selbstverständlich. Wir haben einen Unger Identifikationscode in beiden Produktionsstätten eingeführt, das heißt, jedes Bauteil ist mit einem Zahlen- und Zifferncode versehen, um unsere Arbeit sowie die Herkunft des später verarbeiteten Stahlträgers im Nachhinein bis ins Detail nachvollziehen zu können. 2008 wurden wir für alle Geschäftsbereiche nach dem Qualitätsmanagementsystem ISO 9001 zertifiziert – hierbei geht es um die völlige Transparenz aller Arbeitsvorgänge im Unternehmen. Uns ging es nicht um den Nachweis auf dem Papier, sondern wir leben diese Philosophie und entwickeln sie ständig weiter. In den Arabischen Emiraten verlangen Bauherren unterschiedliche Normanforderungen, aufgrund der Historie gilt sehr oft der Britische Standard (BS), aber wir haben auch Kunden aus den USA, die ein Objekt nach ihren Landesnormen beauftragen.

metallbau: Sie haben eine Ethik-Charta. Was war Anlass, sich ethische Vorgaben zu geben?

Unger: Wir sind in mehr als 20 Ländern vertreten und überall arbeiten internationale Teams. Mit der Ethik-Charta geht es uns darum, Vertrauen zu schaffen – unter den Mitarbeitern und im Kontakt zu den Geschäftspartnern. Wir beschäftigen nur einen Juristen, der lediglich im Vorfeld tätig ist. Wir legen Wert auf eine partnerschaftliche Projektierung, bei der Handschlagqualität zählt. Als Familienunternehmen ist es uns wichtig, dass der familiäre Gedanke im Unternehmen gelebt wird. Fragen Sie mich nach meinem Beruf, dann sage ich Ihnen, das alles ist mein Hobby — oder vielleicht ist Berufung der treffendere Begriff. Es ist eine gute Sache, für 1.200 Mitarbeiter und deren Familien Verantwortung zu übernehmen. Werte einer Familie sind global, und in den Arabischen Emiraten hat der Familiengedanke einen großen Stellenwert. Die Mitarbeiter identifizieren sich stark mit dem Unternehmen, und uns liegt sehr viel an einer langen Betriebszugehörigkeit. Die Kompetenzen unserer Leute wachsen an unseren Projekten. Darauf wollen wir nicht verzichten.

metallbau: Nach welchen Vorgaben richten Sie sich bei der Sicherheit auf der Baustelle? Die Vorgaben in den asiatischen Ländern lassen sicher Spielraum im Vergleich zu den europäischen?

Unger: Unsere Philosophie heißt „Europäische Qualität made in UAE“ – das gilt auch für die Arbeitssicherheit auf der Baustelle. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Sicherheit aller Personen auf ihren Baustellen und den Baustellen ihrer Kunden kontinuierlich zu verbessern. Diesbezüglich wurden wir auch nach den SCC-Richtlinien zertifiziert. Die Umsetzung dieser Richtlinie ist unabhängig vom Land des Projektes. Beim Bau des Flughafens von Katar wurden beispielsweise alle Monteure vorab sehr ausführlich geschult. Das war ein vorbildliches Vorgehen.

metallbau: Wie entwickeln sich die Umsätze in den verschiedenen Märkten?

Unger: Das variiert, momentan ist der Markt in Deutschland für uns wichtig, dort würden wir uns gerne vergrößern. Wir suchen nach den Hidden Champions als Kooperationspartner. An den drei Standorten Düsseldorf, München und Berlin beschäftigen wir bis zu 20 Mitarbeiter – vorwiegend für Projektmanagement, Verkauf und Montage. In Saudi Arabien ist der Markt seit vielen Jahren stabil, dort gibt es keine Krise, und es wird sehr viel investiert. Auch in den osteuropäischen Ländern sind wir stark.

metallbau: Welche Synergien ergeben sich durch die Geschäftsbereiche Stahlbau, Generalunternehmung und Real Estate?

Unger: Historisch sind wir ein Stahlbaubetrieb, der mit den Anforderungen der Kunden mitgewachsen ist. Zum Generalunternehmer sind wir geworden, weil Kunden ihr gesamtes Projekt in Unger Qualität wollten – nicht nur den Stahlbau. Von der Verantwortung für ein gesamtes Objekt bis zur Suche nach dem geeigneten Grundstück für dieses Objekt, ist es nur noch ein kleiner Schritt. So hat sich dann der dritte Geschäftsbereich Real Estate ergeben. Teils kaufen die Auftraggeber die von uns errichteten schlüsselfertigen Immobilien, teils werden langjährige Mietverträge abgeschlossen. In Bukarest haben wir ein Logistikzentrum errichtet, in dem auch unser Büro untergebracht ist. Große Teile des Gebäudes haben wir langfristig an einen Spediteur vermietet, die Verwaltung der Haustechnik bleibt meist unsere Aufgabe.

metallbau: Sie arbeiten mit vielen Subunternehmen zusammen?

Unger: Allein für Schlosserleistungen haben wir international bis zu 40 Kooperationspartner. Unsere Strategie ist auch hier Offenheit. Wir haben die Erfahrung, dass wir dann schlagkräftiger agieren können.

metallbau: Die Konjunktur in Österreich ist mau, was empfehlen Sie Ihren Unternehmerkollegen?

Unger: Für mich gilt: Solange ich die Zeitung nicht aufschlage, ist die Welt in Ordnung. Allerdings kann ich nur zustimmen, die Lohnnebenkosten und Energiekosten in Österreich tragen nicht dazu bei, dass wir wettbewerbsfähig sind. Unternehmer können aber nicht darauf warten, bis für sie etwas getan wird. Wir müssen uns bereit zeigen, Risiken zu übernehmen, uns selbst zu motivieren und die Märkte aktiv zu bearbeiten. Viele Jungunternehmer möchten nicht mehr in die Fußstapfen ihrer Väter treten, und die Frage der Nachfolge bleibt ungelöst. Als Vorsitzender der Jungen Industrie Niederösterreich/Burgenland setze ich mich für günstigere Marktbedingungen und mehr Risikobereitschaft der Nachfolger bzw. der Jungunternehmer ein.

metallbau: Was macht einen Metallbauunternehmer fit für die Zukunft? Haben Sie einen Tipp?

Unger: Sich nie zufrieden zu geben, das halte ich für wichtig. Teilweise glaube ich auch, dass eine unternehmerische Persönlichkeit in den Genen und später im Charakter angelegt ist.

metallbau: Wie motivieren Sie sich für Ihren Job?

Unger: Die Verantwortung für unsere 1.200 Mitarbeiter ist für mich eine große Motivation. Und ich bin mit diesem Unternehmen seit meiner Kindheit verwachsen und aufgewachsen, sonntags war ich als kleiner Bub oft mit meinem Vater auf den Baustellen in Ungarn unterwegs. Auch meine Frau arbeitet im Unternehmen mit. Wir sind durch und durch ein Familienbetrieb.

metallbau: Was bleibt Ihnen an Freizeit?

Unger: Die Reisen zu unseren Auslandsniederlassungen beschränken sich auf vielleicht monatlich vier Termine. Da ich für die asiatischen und afrikanischen Standorte zuständig bin, fällt meist einmal im Monat eine Fernreise an. Für den Abend habe ich oft drei, vier Einladungen zu Veranstaltungen — ich muss sehr gut abwägen, womit ich meine Zeit verbringe. Zudem bin ich vor acht Wochen Vater geworden. Für mein Hobby, das Schwimmen, bleibt nur wenig Zeit.

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