Ausbildung

Marian Boschner, Austauschazubi

„Viele wissen nichts vom Erasmus-Programm“

Marian Boschner ist Auszubildender im dritten Lehrjahr bei Metallgestaltung Schmidt im pfälzischen Höheischweiler. Dieses Jahr im Februar war er über das EU-Förderprogramm Erasmus+ in der Tiroler Edelschmiede im österreichischen Waidring. Wir haben ihn nach seinen Erfahrungen gefragt.

metallbau: Herr Boschner, Sie haben ein vierwöchiges Auslands- praktikum in Tirol gemacht. Wie kamen Sie dazu?

Marian Boschner: Wir haben Tobias Wurzenrainer bei einem Schmiedetreffen in Nürnberg kennengelernt. Er ist Azubi in der Tiroler Edelschmiede und hatte sich bei uns im Rahmen von Erasmus+ um ein Auslandspraktikum beworben. Da hatte mein Chef die Idee, dass ich dort das Gleiche machen könnte: In der Zeit, in der Tobias bei uns ist, gehe ich nach Tirol.

metallbau: Was waren die nächsten Schritte?

Boschner: Mein Chef und ich haben die Handwerkskammer Rheinland-Pfalz kontaktiert. Den größten Teil der Organisation hat dann Frau Francesca Venturella gemacht. Sie ist dort Mobilitätsberaterin und betreut das Erasmus+-Programm „Berufsausbildung ohne Grenzen“. Alles lief super. Ich hatte sogar vergessen, ein paar Unterlagen abzugeben. Das war aber nicht so schlimm. Die kann ich jetzt nachreichen. Das Problem ist eher, dass man erst einmal wissen muss, dass es das Programm überhaupt gibt!

metallbau: Was wurde Ihnen über das Programm finanziert?

Boschner: Mir wurden ein Stipendium in Höhe von 952,00 Euro überwiesen und die Fahrtkosten in Höhe von 275,00 Euro erstattet. 70 Prozent habe ich im Vorhinein bekommen. Den Rest erhalte ich, wenn die fehlenden Unterlagen bei Frau Melanie Hoff von der sequa gGmbH* angekommen sind.

 

metallbau: Haben Sie lange überlegt, als Ihnen Ihr Chef den Vorschlag für den Austausch gemacht hat?

Boschner: Nein, ich habe sofort zugesagt. Einfach mal in einer anderen Firma zu arbeiten, zu schauen, was andere Firmen überhaupt machen – das hat mich interessiert. Wie sind die Abläufe? Wie ist das Betriebsklima, welche Kunden und welche Aufträge haben sie? Mit welchen Materialien arbeiten sie? Ich wollte Erfahrungen sammeln. Österreich ist ja deutschsprachiges Ausland. Sprachbarrieren gab es also nicht.

metallbau: Welche handwerklichen Unterschiede haben Sie feststellen können?

Boschner: Die Herangehensweisen sind schon ziemlich anders. Die Tiroler Edelschmiede ist eine größere Firma, dadurch hat sie auch größere Maschinen und andere Aufträge. Das Bronzeschmieden habe ich dort gelernt. Ich habe brüniert, Oberflächen behandelt, WIG-geschweißt, die elektrische Schlagschere bedient, auf der Baustelle montiert – eigentlich alles, was dazugehört. Aus Bronze habe ich ein Grabkreuz geschmiedet. Es ist aber nicht ganz fertig geworden. Die restlichen Arbeiten hat Tobias nach seiner Rückkehr für mich erledigt.

metallbau: Was hat Ihnen an dem Aufenthalt besonders gefallen?

Boschner: Ich fand’s cool, in Bronze zu arbeiten. Es verhält sich komplett anders als Stahl! Und einfach zu sehen, wie andere Firmen arbeiten und einen Überblick zu bekommen, was alles möglich ist. Was die Oberflächenbehandlung mit Schnellbrünierung angeht, habe ich dazugelernt, und ich würde auch behaupten, dass unser Betrieb davon profitiert. Das Beizen haben ich hier noch nicht gemacht, aber wenn’s soweit ist, weiß ich, wie es geht.

metallbau: Welche Tipps würden Sie anderen Azubis geben?

Boschner:  Das ist eine schwierige Frage. Jeder hat eigene Vorstellungen und Erwartungen. Ich würde mal sagen: Habt Spaß und schaut, dass ihr so viel mitnehmt, wie ihr könnt! Ob es jetzt die Sprache ist oder die Techniken und Materialien, die einem gefallen: Ich glaube, wenn man von etwas begeistert ist, lernt man automatisch.

 

metallbau: Was haben Sie in Ihrer freien Zeit gemacht?

Boschner: Freizeit hatte ich eher weniger. Ich habe bei Tobias‘ Familie wohnen dürfen. Abends kam ich heim, und dann war der Tag auch schon vorbei. Die vier Wochen gingen aber sehr schnell rum. Den Zeitraum und die Dauer des Praktikums hätte ich nicht besser wählen können: Davor und danach hatte ich Schule. Und wegen Corona wäre es schwierig gewesen, das Praktikum noch weiterzuführen oder es später im Jahr überhaupt anzufangen.

metallbau: Sie wussten anfangs nichts von dem Programm. Haben Sie Ideen, wie man das besser publik machen kann?

Boschner: Meiner Meinung nach sollte es mehr an die Schulen getragen werden. Die Handwerkskammern habe zwar entsprechende Broschüren, aber die Frage ist: Wer geht während der Ausbildung schon in die Handwerkskammer und schaut sich diese Infoblätter an? Am besten wäre meines Erachtens, wenn man eine Partnerschule oder Partnerfirma im Ausland findet und einen Schüleraustausch vereinbart, auch wenn es nur zwei Wochen sind. Wir haben ja selbst gesehen: es funktioniert!

Die secqua gGmbH ist eine gemeinnützige Entwicklungsorganisation im Auftrag der deutschen Wirtschaft zur Durchführung von Projekten inter   nationaler Zusammenarbeit.

Netzwerk „Berufsbildung ohne Grenzen“

Insgesamt gibt es in Deutschland 40 Beratungsstellen für „Berufsbildung ohne Grenzen“. Die meisten sind in den Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern angesiedelt. Das Netzwerk ermöglicht und koordiniert berufliche Auslandsaufenthalte von Auszubildenden, jungen Fachkräften und betrieblichen Ausbildern. Der Ausbildungsbetrieb ist dazu verpflichtet, die Ausbildungsvergütung während des Auslandsaufenthalts weiterzuzahlen. Die Reise- und Unterbringungskosten braucht er hingegen nicht zu übernehmen. Um diese Kosten zu decken, kann man über die Koordinationsstellen das EU-Förderprogramm Erasmus+ beantragen.       

www.berufsbildung-ohne-grenzen.de

Erasmus+

Erasmus+ wurde von der Europäischen Union mit dem Ziel der „Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa“ ins Leben gerufen. Es läuft offiziell noch bis Ende 2020. Die EU-Zuschüsse decken die Reisekosten und die Aufenthaltskosten während der Zeit im europäischen Ausland. Diese kann zwischen zwei Wochen und drei Monaten betragen. Zuständig für die Beantragung und Zahlungen sind die entsendenden Organisationen.

ErasmusPlus Programm

Weitere Förderprogramme

¬ „AusbildungWeltweit“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: 

Ausbildung weltweit

¬ Das USA-Stipendium der Joachim-Herz-Stiftung:

Website Joachim-Herz-Stifung

¬ Das Parlamentarische Patenschafts-Programm für junge Berufstätige (PPP). Es ist ein bilaterales Austauschprogramm des Deutschen Bundestages und des U.S.-Kongresses: Website PPP

¬ Das deutsch-französische Austauschprogramm ProTandem: Website

(Zu beachten sind eventuelle Einschränkungen aufgrund von Covid-19)

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