Interview

Prof. Ulrich Königs, Köln

Zur Bauaufgabe „Gewächshaus“

Ulrich Königs leitet den Lehrstuhl Konstruieren und Entwerfen an der Bergischen Universität Wuppertal und zusammen mit seiner Frau Ilse Maria Königs das Büro Königs Architekten. 2013 realisierten sie das Forschungsgewächshaus der Universität Frankfurt und jüngst die Schaugewächshäuser im Botanischen Garten Köln. Die Redaktion metallbau hat ihn gefragt: Welche Bauformen sind wirtschaftlich? Und auf welche Aspekte muss man beim Bau eines Gewächshauses achten?  

metallbau: Herr Königs, wie gehen Sie an die Bauaufgabe „Gewächshaus“ heran?

Ulrich Königs: Ich orientiere mich an drei Parametern: Zum einen sind das die Gegebenheiten vor Ort, also die topografischen, funktionalen und räumlichen Anforderungen. Zum anderen haben wir die Optimierung des Lichteinfalls im Blick. Das heißt aber auch, dass ein Gebäude, das sich gut für Pflanzen eignet, nicht unbedingt für den Aufenthalt von Menschen geeignet ist. Beides müssen wir bei Publikumsgewächshäusern in Einklang bringen. Und der dritte Parameter ist die Bauform. Hier orientieren wir uns gerne an historischen Beispielen.

 

metallbau: Welches sind diese?

Königs: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert waren Gewächshäuser die ersten Stahl- bzw. Metallbaukonstruktionen überhaupt. Prominentestes Beispiel ist wohl der Kristallpalast von Joseph Paxton. Die Geschichte der Gewächshäuser wurde begleitet von zwei Strömungen: der Industrialisierung des Metallbaus und dem unglückseligen Zeitalter des Kolonialismus. Damals wurden viele Pflanzen aus den Kolonialgebieten nach Europa gebracht und in den Königlichen Gärten in Schaugewächshäusern ausgestellt. Von diesen Bauten kann man auch heute noch sehr viel lernen. Gerade die Bogenkonstruktion in Kombination mit Metall hat sehr filigrane und ästhetische Formen hervorgebracht. Das in die neue Zeit zu übertragen, mit neuen Fertigungsmethoden von Glas und Metall, inspiriert mich sehr.

 

metallbau: Haben Sie in Frankfurt und Köln zugunsten von Wirtschaftlichkeit auf serielle Fertigung gesetzt?

Königs: Ja, das ist richtig. Wirtschaftlichkeit erreicht man durch Serialität, ganz klar. Auch wenn Architekten heute gerne behaupten, Nullserien seien in der heutigen Zeit der computergesteuerten Fertigungsmethoden (CNC) kein Problem – natürlich sind sie das. Denken Sie allein an die Logistik auf der Baustelle, wo man jede durchnummerierte Scheibe sortieren muss.

In Köln haben die Gläser eine Regelgröße; sie sind rund 1,40 Meter hoch und, dem Achsmaß der Konstruktion entsprechend, drei Meter breit. Natürlich weichen einige Elemente der Gebäudegeometrie wegen davon ab, etwa die Lüftungsklappen sowie die Eckelemente. Aber insgesamt hält sich das in Grenzen, sechs verschiedene Elementtypen mit unterschiedlichen Glasstärken gibt es insgesamt. Mit der hohen Wiederholrate erreichen wir etwas sehr Wichtiges: nämlich, dass man, wenn man im Gebäude steht, eine optische Gleichförmigkeit wahrnimmt. Die Gebäudehülle tritt somit gegenüber den Pflanzen in den Hintergrund.

 

metallbau: Welches Glas wurde verwendet?

Königs: Zweifachverglastes Isolierglas. Bis weit in die 1970er-Jahre hat man Gewächshäuser einfachverglast, mit hohen thermischen Verlusten. Das war das sogenannte Gärtnerglas – billige Drahtglasscheiben. Inzwischen nimmt man, allein aus energetischen Gründen, isolierverglaste Scheiben. Die haben aber nichts mit dem Isolierglas zu tun, wie wir es aus Bürobauten oder Wohnhäusern kennen.       

 

metallbau: Warum?

Königs: Das Isolierglas für die Kölner Flora hat weder eine Sonnen- noch eine sonst übliche Wärmeschutzbeschichtung, und es besteht aus sogenanntem Weißglas, das nur sehr geringe Ferrit-anteile enthält und deshalb extrem transparent und UV-durchlässig ist. Dieses Glas kommt dem Pflanzenwachstum zugute, hat aber auch den Effekt, dass sich die Raumluft sehr stark aufwärmt. Deshalb brauchen wir ein extrem gutes Lüftungsmanagement. Das ist eine Technik, die auf mehreren Ebenen einsetzt: Wir kühlen das Gebäude passiv mittels Kamineffekt durch die im Sockel ein- und im First ausströmende Luft. Zum anderen machen wir uns den Effekt der Verdunstungskühlung zunutze. Sie wird hervorgerufen durch die Beregnungs- und Nebelsprühanlagen, die wir einsetzen, um im Gebäude ein tropisches Klima zu erzeugen. Und wir vertrauen auf die Selbstverschattung der Pflanzen – und die Kunst der Gärtner, sie so anzuordnen, dass dieser natürliche Effekt entsteht.

 

metallbau: Das ist ja ganz schön komplex.

Königs: Da haben Sie recht. Jede Pflanze reagiert außerdem mit der Umwelt. Sie verdunstet über das Blattwerk das im Erdreich aufgenommene Wasser; Evaporation nennt sich das. Die Dynamik, wie sich Pflanzen im Gewächshaus entwickeln, lässt sich aber nur iterativ in die Klimatechnik des Gebäudes integrieren. So etwas konnten wir nicht komplett in unseren Computermodellen im Vorfeld simulieren. Die Gärtner werden sich über Jahre dem Ökosystem Gewächshaus annähern müssen. Alles spielt hier hinein: die Konstruktion, Lüftung, auch die Glasauswahl. Hinzu kommt, dass man von der ganzen Technik als Besucher eigentlich gar nichts sehen möchte. Für mich wäre es jedenfalls das größte Lob, wenn man durch die Schaugewächshäuser geht und man gar nicht merkt, was für ein technisch-konstruktiver Aufwand dahintersteckt.

 

metallbau: Gibt es eine ideale Größe für eine Glasschalenkonstruktion?

Königs: Es gibt keine Maximalgröße. Aber je kleiner die Gewächshäuser werden, desto schwieriger ist es, sie klimatechnisch in den Griff zu bekommen. Ein Gebäude, das nur zehn Meter hoch ist, lässt nicht nur bestimmte große Pflanzen nicht mehr zu, sondern die Temperaturschichtung im Gebäude wird viel schneller problematisch. In Schaugewächshäusern, die bis zu 17 Meter hoch sind, und bei Außentemperaturen von, sagen wir mal, 35 Grad Celsius, können drinnen schnell bis 42 Grad Celsius erreicht werden. Allerdings nicht am Boden, sondern eher im oberen Drittel. Besucher stört das normalerweise nicht.

metallbau: Was würden Sie einem privaten Bauherrn raten, der sich ein Gewächshaus bauen lässt?

Königs: Das kommt ganz auf dessen Ambitionen an – und die Fläche, die ihm zur Verfügung steht. Die meisten Menschen haben fälschlicherweise die Vorstellung, dass ein durchgrünter Wintergarten ein erweiterter Wohnraum ist. Das hat aber wenig mit einem richtigen Gewächshaus zu tun. Sie bekommen Fertigwintergärten teilweise mit Glas, das gar nicht für Pflanzen geeignet ist. Jedem Privatmenschen würde ich deshalb raten, sich mit Fachleuten zusammenzusetzen und ganz nüchtern aufzusummieren, was die Vorstellungen und Ziele sind. Will ich ein zusätzliches Wohnzimmer haben oder eine Orchideenzucht aufbauen? Man sollte sich im Klaren sein, dass beides nicht so ohne Weiteres miteinander vereinbar ist.

www.koenigs-architekten.de

Schaugewächshaus und ­Orangerie der Flora Köln

Bei dem Schaugewächshaus im Botanischen Garten Köln handelt es sich um eine dreiflügelige Stahl-Glas-Schalenkonstruktion, deren 8 und 17 Meter hohe Kuppelhallen ineinander verschränkt sind. Sie werden, sobald der Innenausbau abgeschlossen ist, sowohl Wüsten- als auch tropische Pflanzen beherbergen.

Mehrere Gründe sprachen für einen Bogen als Grundform der Konstruktion: Zum einen leitet er Kräfte effizient ab, und es treten keine Biegemomente auf. Außerdem ist der Stahleinsatz geringer, verglichen mit einer konventionellen Sheddach- oder Pultkonstruktion. Das wiederum führt zu maximalem Sonnenlichteintrag. Glas- und Stahlelemente wurden in den Schaugewächshäusern, soweit möglich, vorgefertigt und in Serie hergestellt.

Die Glashülle ist nicht tragend und hat eine Fläche von rund 4.500 Quadratmetern. Die Glaselemente messen, bedingt durch das Achsmaß der Bögen, drei Meter in der Horizontalen und rund 1,40 Meter in der Vertikalen. Es gibt Vertikal- und Überkopfverglasungen mit jeweils unterschiedlichen Schichtaufbauten (Näheres hierzu s. Interview mit Christian Fastnacht). Die Scheiben bestehen aus einem Zweifach-Isolierglas aus hochtransparentem Weißglas ohne Sonnen- und Wärmeschutzbeschichtung. Da das Weißglas keine Ferritanteile enthält, ist der UV-Eintrag besonders hoch. Dies wirkt sich zwar positiv auf das Pflanzenwachstum aus, führt aber gleichzeitig zu hohen Temperaturen im Rauminneren (Näheres hierzu s. Interview mit Ulrich Königs). Ausgeführt hat die „Schaugewächshäuser Köln“ das niederländische Stahlbauunternehmen Smiemans Projecten. Für das Projekt erhielt es 2021 den ersten Preis der „Benelux Trophy Hot Dip Galvanizing in der Kategorie „Feuerverzinken“.

www.smiemansprojecten.com

Standort: Botanischer Garten, Köln

Architektur: Königs Architekten, Köln

Statik: Assmann Beraten + Planen

TGA: CSZ Ingenieure, Berlin

geplante Eröffnung: 2023

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