Interview

Walter Pirk, Heinz-Piest-Institut

Was bedeutet Digitalisierung für das Handwerk

Wie müssen sich Handwerksbetriebe aufstellen, um im digitalen Zeitalter zukunftsfähig zu bleiben? Und woher bekommt man Informationen und Empfehlungen für diesen schwierigen Weg? Die KKA-Redaktion des Bauverlags führte zu dem Thema mit Walter Pirk, dem Leiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk im Heinz-Piest-Institut (HPI), ein Gespräch.

KKA: Der Begriff Digitalisierung ist ja nicht fest definiert. Die einen fühlen sich schon digital bestens aufgestellt, wenn sie Mails verschicken statt zu faxen. Andere befassen sich bereits mit digitalen Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM). Was verstehen Sie unter „Digitalem Handwerk“?
Walter Pirk: Die Betriebe wachsen naturgemäß mit dem technologischen Wandel, da dieser dem Betrieb Wettbewerbsvorteile verschafft. Hier treffen wir im Handwerk auf eine große Bandbreite an Betrieben, die Einen, die ihre Arbeitsverfahren und Unternehmensführung eher klassisch ausüben und  Unternehmern, welche versuchen Schritt zu halten mit den sich verändernden technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Der gesellschaftliche Dialog um die Chancen und Risiken der Digitalisierung verschafft dem Kompetenzzentrum Digitales Handwerk große Aufmerksamkeit, auch bei bisher eher zurückhaltenden Unternehmen. Teile des  Handwerks erleben seit vielen Jahren einen Strukturwandel, ausgelöst bspw. durch Demographie und Globalisierung. Die Digitalisierung verstärkt und beschleunigt nunmehr diesen Strukturwandel, aber schafft auch gänzlich neue unternehmerische Möglichkeiten. Da setzt meiner Auffassung nach die Digitalisierung an, weil die Potentiale der traditionellen Wertschöpfung erweitert werden.

KKA: Wie sieht der Status quo der Digitalisierung im Handwerk im Allgemeinen und in der Baubranche im Speziellen aus? In welchen Gewerken der Baubranche sind diesbezüglich die Betriebe aus Ihrer Sicht derzeit am besten aufgestellt?
Pirk:Die Digitalisierung im Handwerk ist aufgrund der Heterogenität hinsichtlich der Gewerke aber auch bezogen auf die verschiedenen Kundengruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im Allgemeinen sind die Handwerksbetriebe auf dem Weg von der Computerisierung  zur Digitalisierung. Dabei erleben wir oft die Problematik, dass einzelne Softwarelösungen in den Betrieben nicht kompatibel sind. Es wird aber zunehmend eine Vernetzung der IT-Systeme im Betrieb angestrebt und auch neue Möglichkeiten durch mobile Endgeräte, bspw. mobile Zeiterfassung, digitale Bauakte, Visualisierung der Objekte in der Angebotsphase, werden zunehmend genutzt. Der Wandel in den Betrieben hat auch stark mit den grundsätzlich  zu automatisierenden Tätigkeiten in den jew. Gewerken zu tun. Wir erleben in der Praxis, dass bspw. die Ausbaugewerbe, speziell die Zimmerer neuen Technologien offen gegenüberstehen. Die Baubranche benötigt aber insg. niederschwellige Einstiege in die Digitalisierung, um mittelfristig das Unbehagen vieler Unternehmer und Führungskräfte aus dem Handwerk gegenüber dem digitalen Planen und  Bauen abzubauen. Hinzu kommt, dass viele Betriebe ausgelastet sind und in den gewohnten betrieblichen Prozessen erfolgreich am Markt bestehen. Digitalisierung ist eine Investition in die Zukunft.

KKA: Welche Schritte sollte ein Betrieb vornehmen, um die Digitalisierung im eigenen Betrieb voranzutreiben? Was muss man dringend tun und was kann man noch eine Weile lassen?
Pirk: Der Wandlungsprozess im Unternehmen orientiert sich an den unternehmerischen Zielen! Zwei grundsätzliche Fälle können wir beobachten: Eine Überprüfung und strategische Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle und --prozesse in Richtung Digitalisierung erfolgt im Idealfall unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie kontinuierlich. Potenziale werden dort erschlossen, wo es wirkungsvoll erscheint. Beispiele dafür sind die Einführung zeitgemäßer IKT-System wie ERP, CRM, Cloud-Technologien, Dienstleistungen auf Basis des Kerngeschäftes wie der Einsatz von VR/AR-Technologien. Wenn Digitalisierung das Marktumfeld verändert, aber das eigene Geschäftsmodell und seine Prozesse unverändert bleiben, kann dessen Grundlage entfallen und der Fortbestand des Unternehmens gefährdet werden.

KKA: Man kann sicher nicht das gleiche digitale Geschäftsmodell allen Betrieben überstülpen. Hierfür ist eine individuelle Analyse erforderlich. Wo bekommen Betriebe die Infos und die nötige Hilfestellung hierbei? Pirk: Wir raten allen Betrieben, einen Berater der Handwerksorganisation anzusprechen und  in einem ca. 1,5 stündigen Digitalisierungscheck den Betrieb zu analysieren.  Diese Bedarfsanalyse ist ein Instrument, das Handwerksbetrieben Auskunft über den Grad der Digitalisierung in ihrem Unternehmen gibt und Weiterentwicklungspotentiale aufgezeigt. Für die allermeisten Betriebe wird es um eine Erweiterung bzw. Ergänzung des bisherigen Geschäftsmodells gehen. Auf der Unternehmensseite, ich meine also Betriebe mit einer entsprechenden Beschäftigtenstruktur, ist es sicherlich notwendig, eine Überprüfung und strategische Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells in Richtung Digitalisierung zu verstetigen. Im Übrigen ist es eine Stärke unseres Mittelstandes, Potenziale dort zu erschließen, wo es wirkungsvoll erscheint. Die Handwerksorganisation unterstützt Unternehmer und Führungskräfte, insbesondere aus Klein- und Kleinstunternehmen, diesen Prozess durch Beratungs- und Weiterbildungsangebote im Betrieb dauerhaft zu verankern.

KKA: Wie lassen sich durch digitale Geschäftsmodelle Wettbewerbsvorteile generieren und hat aus Ihrer Sicht das nicht digital agierende Handwerksunternehmen noch eine Zukunft?
Pirk: Man muss sich intensiv mit den Kundenwünschen auseinandersetzen. Hier liegen die Erfolgsfaktoren für ein Geschäftsmodell, und zwar ganz unabhängig ob digital oder analog. Im Handwerk wird es sicher analoge und digitale Geschäftsmodelle nebeneinander geben. Was sich leicht digitalisieren lässt, in der Regel standardisierte Produkte und Dienstleistungen, hat Potential für das Internet. Interessant zu beobachten ist die Startup Szene und die dortigen handwerksnahen digitalen Geschäftsmodelle. Spannend wird es dann, wenn Gründer der Startup-Szene und traditionelle Handwerks-Unternehmer einen Weg zur Zusammenarbeit finden. Beispiele für digitalen Unternehmergeist im Handwerk finden Sie auf unsere Webseite unter Umsetzungs- und Praxisbeispiele.
www.handwerkdigital.de


Das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk blickt auf eineinhalb Jahre zurück: Seit dem offiziellem Startschuss im Frühjahr 2016 auf der IHM in München ist das Kompetenzzentrum in aller Munde. In über mehr als 300 Info- und Fachveranstaltungen wurden etwa 19.000 Akteure aus der Handwerksorganisation erreichen. 200 Handwerksbetriebe wurden in Unternehmensdialogen über ihre individuellen Digitalisierungsmöglichkeiten informiert. Dabei wurde jeder Betrieb genau bei dem digitalen Stand abgeholt, wo er gerade steht.
Möglichst viele Betriebe sollen von den Erkenntnissen des Kompetenzzentrums Digitales Handwerks aber auch der Förderinitiative Mittelstand 4.0 des BMWi profitieren. Dazu werden an den Standorten der fünf Schaufenster (siehe Grafik)  Informationsveranstaltungen angeboten. Diese werden unterfüttert durch Fachveranstaltungen mit Schulungscharakter. In insgesamt 17 Umsetzungsprojekten zeigen und beschreiben wir, wie Unternehmen sich digitalisieren (können).
•    Schaufenster Nord, BFE Oldenburg – zuständig für Informations- und Kommunikationstechnik, z.B: Softwareeinsatz, Prozess-Sicherheit, eBeschaffung, eVergabe, eRechnung, Datensicherheit und –speicherung, Vernetzung
•    Schaufenster Süd, HwK für Oberfranken – zuständig für Produktions- und Automatisierungstechnologien, z.B.: Cyber Physische Systeme, Rapid Product Development, 3-D-Druck, digitale Messtechniken, digital steuerbare Maschinen oder die Vernetzung von Maschinen und Anlagen mit der Gebäudetechnik, Robotik.
•    Schaufenster Ost, HwK Dresden – zuständig für IT-gestützte Geschäftsmodelle, z.B: ganzheitliche digitale Geschäftsmodelle, Erweiterung des Dienstleistungsspektrums, etwa die Einrichtung eines Online-Shops, Zukunftsmärkte wie Smart Home, Smart Grid, AAL.
•    Schaufenster West, HwK Koblenz – zuständig für Digitale Prozesse, z.B.: Sichere mobile Geschäftsprozesse, Kundenorientierung, Effektivität und Effizienz, Prozess-Aufnahme, Dokumentation und –visualisierung.
•    Schaufenster Digitales Bauen, Bildungszentren des Baugewerbes in Krefeld und
Bayerische BauAkademie in Feuchtwangen, zuständig für die digitale Transformation im Bauhandwerk,  z.B. Wie können Kosten und Zeit beim Planen und Bauen durch neue digitale Techniken eingespart werden?

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