Interview

Diether Hils vom BVM

„Wir machen pro Nachwuchs mobil!“

Fachkräftemangel, rückläufige Zahlen bei den Auszubildenden des Metallhandwerks sowie die Folgen des Online-Unterrichts – der Berufsbildungskongress des Bundesverbands Metall (BVM) hat Ende Juni Fachlehrern und Prüfern zwei Tage lang Zeit geboten, sich mit den akuten Fragen des Nachwuchses zu beschäftigen. Wir haben in Göttingen den Bereichs-leiter Berufsbildung vom BVM, Diether Hils, zum Interview getroffen.

metallbau: Herr Hils, die österreichischen und Schweizer Metallbauer nehmen in der Sparte „metal work construction“ an den EuroSkills und WorldSkills teil, gibt es eine Chance für die deutschen Metallbauer künftig auch an den internationalen Berufswettbewerben teilnehmen zu können?

Dieter Hils: Wir kreisen fortlaufend um das Thema und ich bin deswegen auch mit dem ZDH, den österreichischen Kollegen und den Schweizern in Kontakt. Der bundesweite Wettbewerb läuft sehr gut und ich hoffe, dieses Jahr auch wieder in Präsenz.

Der Aufwand für die Teilnahme an EuroSkills und WorldSkills ist groß und als ich bei den WorldSkills in Leipzig das Berufsprofil von „metal work construction“ geprüft habe, passte das nicht zu unseren Ausbildungsinhalten. Zudem nehmen Länder teil, die, wie z.B. China, ihre Teilnehmer über Jahre ausschließlich auf die, im Wettbewerb festgelegten Kompetenzen ausbilden. Wir wollen unsere Bundessieger, unsere High Performer in einem solchen Wettbewerb nicht verbrennen.  Aber sobald unser neues Berufsorientierungskonzept läuft, werden wir nochmals unser Engagement für die EuroSkills prüfen und dann 2023 im Bildungsausschuss und im Präsidium über eine Teilnahme entscheiden.

 

metallbau: Es wird eine Menge getan, um Azubis und Fachkräfte zu werben. Welche Maßnahmen zünden am besten?

Hils: Der persönliche Kontakt zu den jungen Leuten. Insbesondere von den Ehrenamtlichen der Innungen und von allen im Metallhandwerk, die sich auf die Fahne geschrieben haben, junge Menschen über unser Gewerk zu informieren und zu einer Ausbildung zu motivieren.

 

metallbau: Mit persönlichem Kontakt meinen Sie Angebote wie Schnupperpraktika im Betrieb und den Gang der Betriebe in die Schulen?

Hils: In erster Linie geht es um unsere neue Strategie zur Berufsorientierung. Diese sieht vor, dass wir auf Bundesebene Instrumente entwickeln, die auf regionaler Ebene eine gute Berufsorientierung ermöglichen. Bisher haben wir eine Print-Unterrichtsmappe eingesetzt, das Konzept wurde jedoch durch die Folgen der Pandemie ausgehebelt. Als coole, digitale Alternative ist uns das Padlet eingefallen.

 

metallbau: Wie funktioniert so ein Padlet?

Hils: Wie eine Art digitale Pinnwand, an die sich diverse Themen oder auch Erklärvideos zum Berufsbild anheften lassen. Inzwischen haben wir schon einige Videos für das Padlet produziert und auch Porträts von Leuten aus der Branche. Roter Faden ist die Frage: Was ist Metallhandwerk eigentlich? Im zweiten Schritt geht es dann darum, was die Jugendlichen tun müssen, um einen Job in dieser Branche zu finden. Und dann landen wir wieder beim Praktikum oder bei der Ferienarbeit.

metallbau: Das hört sich nach einer spielerischen Weise der Berufsorientierung an!

Hils: Als Grundlage für das Konzept haben wir die Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Gestaltung der Berufsorientierung in Allgemeinbildenden Schulen berücksichtigt. Damit jedes Bundesland einen Nutzen von unserer Arbeit hat, ist angesichts des föderalistischen Bildungskonzepts ein kleinster gemeinsamer Nenner erforderlich. Mit dem Padlet haben sowohl die Mitarbeiter der Innungen als auch unsere Berufsorientierungsbotschafter etwas für ihre Kontakte zu den Lehrern und dem Nachwuchs an der Hand. Wir vom Bundesverband Metall senden an Schulen direkt keine Materialien, ich bin dabei, unser Netzwerk zu den Schulen neu zu mobilisieren.

metallbau: Und wie finden Ausbildungswillige direkt einen Metallbaubetrieb?

Hils: Über unsere Landingpage www.lets-play-metal.de, mit Eingabe der Postleitzahl des Suchenden werden mögliche Ausbildungsbetriebe gelistet.

metallbau: Wie läuft die Kooperation zwischen Ihnen und den Berufsberatern der Bundesagentur?

Hils: Es ist wichtig, dass wir zu diesen einen strategischen Kontakt haben; Nils Stephan Helbing von der Bundesagentur für Arbeit hat hier auf dem Kongress über den Dialog von BA und Jugendlichen referiert; gerne können auch staatliche Berufsberater unser Padlet einsetzen.

 

metallbau: Wann geht das neue Konzept an den Start?

Hils: Ab September bieten wir den Innungen gemeinsam mit den jeweiligen Landesverbänden Schulungen an. Wer verstehen will, wie unser Padlet funktioniert, ist eingeladen. Derzeit haben wir noch Testimonials für das Berufslaufbahnkonzept in Arbeit. Das werden keine trockenen Texte, sondern Videos beispielsweise mit Metallbaumeistern, die von ihrem beruflichen Werdegang und den Karrierechancen der Branche erzählen.

 

metallbau: Wie kommt die Berichtsheft App für Azubis an?

Hils: Inzwischen arbeiten ca. 400 Betriebe und 800 Auszubildende mit der App. Ich habe nicht geglaubt, dass die App derart gut angenommen wird. Mithilfe einer professionellen Evaluation haben wir uns von den Nutzern Feedback geholt, solch positive Rückmeldung habe ich in all meinen Jahren als Bereichsleiter für die Berufsbildung noch nicht erhalten! Für das Padlet werden wir in jedem Fall auch eine Rückmeldung organisieren! Die Kommunikation mit den Menschen kann nur schlauer machen und uns dabei helfen, unseren Job besser zu machen.

metallbau: Welche Rolle spielen Verdienstmöglichkeiten?

Hils: Ich meine, wir haben im Metallhandwerk vernünftige Ausbildungslöhne. Am häufigsten fragen die jungen Leute aber nach den Gestaltungsmöglichkeiten, das interessiert sie mehr als Geld. Sie möchten nicht bevormundet werden. Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die ich nicht beklage.

 

metallbau: Können denn Gesellen im konstruktiven Metallbau ähnliche Löhne erzielen wie Akademiker?

Hils: Spezialisten und Gesellen, die wirklich gut drauf sind! Beispielsweise Schweißer, Bediener von CNC-5-Achs-Maschinen oder wer in der Steuerungstechnik zuhause ist. Da würde wahrscheinlich so mancher Akademiker komisch gucken, wenn er die Gehälter von diesen Leuten sehen würde. Beim Bildungskongress hatten wir das Thema mit Dirk Werner vom Institut der deutschen Wirtschaft. Mit Hinweis auf eine Studie hat er berichtet, dass Absolventen wie Meister, Techniker oder Betriebswirte hoch im Kurs stehen und entsprechend verdienen. Das Gehaltsregelsystem wird derzeit wegen Fachkräftemangel gesprengt. Als Verantwortlicher für das Bundesfachzentrum weiß ich, dass sich aktuell Absolventen ihre Stellen aussuchen können.

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