Normen

Pro EN 1090

Eine Gerichtsurteil zur EN 1090

Seit dem 1. Juli 2014 sind Unternehmen durch die europäische Bauprodukterichtlinie verpflichtet, tragende Bauteile aus Stahl und Aluminium in den EU-Staaten ausschließlich mit einer CE-Kennzeichnung auf den Markt zu bringen. Diese Norm enthält neben der CE-Kennzeichnung auch verschiedene Konformitätsnachweisverfahren, die zu beachten sind. Anlässlich einer gerichtlichen Entscheidung im Jahr 2022 räumt der Fachverband Hessen in diesem Fachbeitrag Unklarheiten aus und berichtet über Vorteile und über negative Folgen einer mangelnden Zertifizierung.

Seit dem 1. Juli 2014 sind Unternehmen durch die europäische Bauprodukterichtlinie verpflichtet, tragende Bauteile aus Stahl und Aluminium in den EU-Staaten ausschließlich mit einer CE-Kenn-zeichnung auf den Markt zu bringen. Die DIN 1090 löst die nationale DIN 18800-7 für die Ausführung von tragenden Bauteilen aus Stahl und Regeln zur Herstellerqualifikation ab. Doch diese Norm enthält neben der CE-Kennzeichnung noch weitere wichtige Aspekte die zu beachten sind und über die bei vielen Metallbaubetrieben noch Unklarheit herrscht.

Die DIN EN 1090 enthält verschiedene, sogenannte Konformitätsnachweisverfahren. In diesem Regelwerk sind die Anforderungen an die Herstellung und Nachweisführung von tragenden Stahl- und Aluminiumbauteilen geregelt. Betriebe, die tragende Teile aus Stahl oder Aluminium (in Gebäuden einbauen bzw. - Entfall) herstellen, liefern und montieren, sind verpflichtet deren Herkunft bzw. Pro-duktion zu zertifizieren. Dazu gehören beispielsweise Treppen, Geländer, Balkone, Vordächer und vieles weiteres. Um das CE-Label zu erhalten, das für den Verkauf der Bauteile aus Aluminium und Stahl auf dem europäischen Markt verpflichtend ist, ist eine Zertifizierung nach DIN EN 1090 somit unumgänglich. Die Bauprodukte werden in Ausführungsklassen, die sogenannten Execution Classes, eingeteilt. In der niedrigsten Stufe EXC1 sind einfache Bauteile enthalten, während EXC4 hochsicherheitsrelevante Bauteile enthält. Je höher die Execution Class desto höher auch die Anforderungen an die Zertifizierung.

Das bedeutet beispielsweise, dass Metallbaubetriebe, die nach der DIN 18800-7 über die Herstellerqualifikation Klasse A verfügten sich nun nach EXC1 klassifizieren lassen müssen. Betriebe, die Klasse B oder C hatten, benötigen nun die Ausführungsklasse EXC2 oder 3. Ab EXC 3 ist zwingend ein Schweißfachingenieur zu beschäftigen. Dabei ist aber auch zu beachten, dass auch Betriebe, die ihre Produkte nicht selbst herstellen, die Herkunft der von ihnen verwendeten Produkte prüfen und nachweisen müssen. Auch wenn der Auftraggeber auf bestimmte Materialien besteht, die diese Zertifizierung nicht besitzen, ist das Metallbauunternehmen dazu verpflichtet, diesen über die mangelnde Qualifizierung zu informieren und schriftlich Bedenken anzumelden. Eine solche Zertifizierung nach DIN EN 1090 ist u.a. auch bei öffentlichen Aufträgen eine Voraussetzung. Doch in der Realität sind sich viele öffentliche Auftraggeber dieser Tatsache nicht bewusst,  weshalb häufig Aufträge an Firmen vergeben werden, die nicht über eine solche Zertifizierung verfügen. Grund hierfür ist, dass diese ihre Leistungen kostengünstiger anbieten und deshalb den Zuschlag erhalten. Das bedeutet aber auch, dass diese Bauteile nicht in Verkehr gebracht werden dürfen und wieder zurückgebaut werden müssen. Zertifizierte Betriebe haben deshalb oftmals das Nachsehen. Dies führt zum einen zu einer unfairen Wettbewerbsverzerrung, da qualifizierte Betriebe benachteiligt werden. Zum anderen birgt das Engagieren eines Betriebes ohne entsprechende Zertifikate ein erhebliches Risiko in zivil- und baurechtlicher Hinsicht, auf die an späterer Stelle noch genauer eingegangen wird. Diese schaden langfristig auch dem Ruf des Metallbauhandwerks. Vorteile für Betriebe In dem Prüfverfahren, welches durch eine unabhängige Stelle durchgeführt wird, werden neben den Betrieben und deren Arbeitsprozessen auch die Mitarbeitenden geprüft. Dies garantiert potenziellen Auftraggebern, dass der Metallbaubetrieb über qualifizierte Fachkräfte und die nötige Ausstattung verfügt. Eine solche Zertifizierung ist natürlich nicht ohne Aufwand zu erhalten und muss regelmäßig aktualisiert werden, da sich technische Prozesse mit der Zeit weiterentwickeln oder überarbeitet werden müssen. Im Wesentlichen fordert die DIN EN 1090 die Zertifizierung der werkseigenen Produktionskontrolle, die Qualitätssicherung u. a. auch für HV-Verschraubungen und Korrosionsschutz, die Einführung einer Schweißqualitätsnorm sowie eine Statische Berechnung. Noch immer stellen wir fest, dass viele Metallbaubetriebe nicht nach DIN EN 1090 zertifiziert sind. Eine Ursache ist der finanzielle und zeitliche Aufwand, der viele Betriebe verunsichert. Außerdem wissen viele noch nicht, dass diese Zertifizierung mittlerweile verpflichtend ist. Dabei bietet die Zertifizierung für die Betriebe selbst, unabhängig von der Pflicht, zahlreiche Vorteile. Zunächst sind bei gründlichen Auftraggebern Unternehmen ohne entsprechende Zertifizierung von vornherein ausgeschlossen. Doch daneben gibt es auch andere Gründe, die dafürsprechen. So erhalten die Betriebe mehr Know-How, was sich z.B. in der Optimierung ihrer eigenen Produktionskontrolle und betriebsinternen Abläufen widerspiegelt. Außerdem werden so in der ganzen Branche sichere und höhere Qualitätsstandards etabliert. Die Zertifizierung eines Betriebes muss wiederholt alle drei Jahre durch einen externen Auditor überprüft werden. Dieser prüft Anhand eines der letzten Aufträge (nach DIN EN 1090 erstellen - Entfall). Aber auch die geprüften Mitarbeitenden müssen, (ab Execution Class 2-Entfall) eine Schweißerprüfung nachweisen, die alle zwei Jahre wiederholt werden muss. In der Regel dauert eine Zertifizierung zwischen 12 Wochen und 6 Monaten, dabei kommt es auf den Kenntnisstand und Zertifizierungsgrad an. Die Kosten betragen pro Jahr etwa 2.000 - 5.000 Euro, bzw. sind je nach beschäftigten Mitarbeitenden unterschiedlich. Die negativen Folgen einer mangelnden Zertifizierung Die Auswirkungen der mangelnden Zertifizierung beschäftigt in den letzten Jahren auch verschiedene Gerichte im gesamten Bundesgebiet.

Gerichtsentscheidung 2022

Auch in Hessen hat das Amtsgericht Friedberg (Az.: 2 C 1281/19 (23) vom 1.07.2022) im vergangenen Sommer ein richtungsweisendes Urteil gesprochen. Eine Wohnungseigentümerschaft plante 2015 die Balkongeländer der Wohnanlage erneuern zu lassen. Zu diesem Anlass beantragte ein Ehepaar, das in einer der Wohnungen wohnte, die Erweiterung des Tragwerks ihres Balkons, welcher auch in der Wohnungseigentümerversammlung stattgegeben wurde. Der Auftrag zur Erneuerung des Balkongeländers sowie die Erweiterung des Tragwerks wurden von der Wohnungseigentümerschaft an eine Metallbaufirma übergeben. Als nach der Beauftragung festgestellt wurde, dass die beauftragte Firma nicht über die notwenigen Zertifikate verfügte, beschloss die Wohnungseigentümerversammlung die Tragwerkserweiterung des Balkons wieder zurückbauen zu lassen. Das Ehepaar, welches die Tragwerkserweiterung in Auftrag gegeben hatte, klagte gegen den Beschluss der Wohnungseigentümerschaft. Ihrer Ansicht nach sei trotz der mangelnden Zertifizierung kein sonstiger Mangel feststellbar. Das Amtsgericht Friedberg wies diese Klage jedoch ab und stellte fest, dass die Tragwerkserweiterung nicht fachgerecht und den Vorgaben des Beschlusses nach ausgeführt worden war. Dabei spiele es keine Rolle, ob das Bauteil den Standards für die Kennzeichnung genügen würde. Eine nachträgliche Zertifizierung sei ebenfalls ausgeschlossen, da Herkunft und die Vorgehensweise der Lieferanten und Handwerker im Nachhinein nicht mehr nachvollzogen werden könne.

Fälle wie dieser zeigen, dass eine Nachlässigkeit bei der Prüfung der entsprechenden Qualifikationen sowohl für die Auftraggeber als auch die Auftragnehmer erheblichen Mehraufwand und -kosten verursachen können. Deshalb zahlt es sich für beide Seiten aus, sich rechtzeitig über notwendige Maßnahmen zu informieren. Vor allem für Metallbaubetriebe können sich zahlreiche zivilrechtliche als auch baurechtliche Folgen ergeben, die im Ernstfall existenzbedrohend sein können. So können Auftraggeber die Zahlung für die erbrachte Leistung, egal ob diese nun mangelhaft ist oder nicht, verweigern. Die Unternehmen sind auch dazu gezwungen, den Rückbau und die damit verbundenen Kosten zu übernehmen. Sollte es zu einem Schadensfall kommen, können Versicherungen ihre Zahlungsverpflichtung verweigern. In diesem Fall kann das Unternehmen auch der groben Fahrlässigkeit beschuldigt werden. Ebenso kann die durch den Mangel aufgetretene Bauverzögerung ebenfalls eine Anklage für Vertragsstrafen nach sich ziehen. Ordnungsbehörden können Geldbußen sowie einen Baustopp verhängen. Auch eine Abmahnung im Wettbewerbsrecht kann eine mögliche Konsequenz sein. Es lässt sich also zusammenfassend feststellen, dass eine Zertifizierung nach DIN EN 1090 im Interesse eines jeden Metallbaubetriebs sein sollte. Um Qualitätsstandard und unfaire Wettbewerbsverzerrung in der Metallbranche zu vermeiden, ist diese unumgänglich. Die dabei entstehenden Kosten überwiegen die potenziellen Kosten, die aufgrund der fehlenden Zertifizierung entstehen um das Vielfache. Deshalb spricht sich der Fachverband Metall Hessen eindeutig für die Zertifizierung aus.

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