Die neue BauPVO
Viele Regelungen ab 8.1.2026 gültigDie EU-Bauproduktenverordnung (BauPVO) (EU) 2024/3110 bildet die Grundlage der europäischen Normung im Bauwesen und legt die Rahmenbedingungen für die Normungsarbeit in diesem Bereich innerhalb der Europäischen Union (EU) fest. Es handelt sich dabei um eine europäische Verordnung, die in den Mitgliedstaaten der EU direkt wirksam ist, d.h., sie muss nicht durch ein gesondertes Gesetz in den jeweiligen Mitgliedstaaten eingeführt werden.
Die Verordnung trat am 7. Januar 2025 in Kraft. Der Großteil der darin enthaltenen Regelungen ist ab dem 8. Januar 2026 anwendbar. Ihre volle Wirkung wird die Verordnung aber erst entfalten, wenn Produktnormen (hEN) oder europäische Zulassungen (EAD) auf dieser Grundlage harmonisiert wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt die alte BauPVO (EU) 305/2011 mit den auf dieser Grundlage harmonisierten hEN und EAD. Damit neue Produktnormen auf Grundlage der neuen BauPVO erarbeitet werden können, hat die europäische Kommission einen sogenannten Acquis-Prozess gestartet. In diesem Prozess werden Normungsaufträge formuliert, die den Anwendungsbereich und die wesentlichen Merkmale der Produktnormen festlegen. Die Erarbeitung der hEN wird anschließend an die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC übergeben. Die Normung ist aufgefordert, insbesondere die geänderten bzw. neu hinzugekommenen Anforderungen in die Normenwerke zu integrieren. So erhalten die Hersteller eine rechtssichere Grundlage, nach der sie ihre Produkte mit der vorgeschriebenen Leistungs- und Konformitätserklärung (DoPC) versehen und in Verkehr bringen können.
Bauproduktenverordnung
Die in wesentlichen Punkten überarbeitete Bauproduktenverordnung (BauPVO) ist zunächst parallel zur bestehenden in Kraft getreten. Damit wird eine durchgängige CE-Kennzeichnung von Bauprodukten nach harmonisierten Produktnormen (hEN) sichergestellt, wenn neue Produktnormen unter der neuen BauPVO harmonisiert werden. Die Verpflichtung, die Anforderungen der neuen BauPVO zu erfüllen, besteht für die Hersteller erst dann, wenn die für ihr Produkt relevante Produktnorm unter ihr harmonisiert wird (d.h. im Amtsblatt der EU gelistet ist) und die in der Regel einjährige Koexistenzphase abgelaufen ist. Dies erklärt, warum die bisherige BauPVO erst nach einer 15-jährigen Übergangszeit zurückgezogen wird, also 2040. Für den Bereich der Fenster, Türen, Tore, Lichtkuppeln und Abschlüsse werden zurzeit Normungsaufträge durch eine Ad-hoc-Gruppe unter Führung der Europäischen Kommission erarbeitet. Die Erarbeitung der neuen Produktnorm für Fenster und Türen wird dann auf Basis der neuen Bauproduktenverordnung erfolgen.
Einer der Gründe für die Überarbeitung der alten BauPVO (EN) 305/2011 bestand darin, dass die Grundlagen, nach denen die Normungsaufträge (SReq) an CEN erteilt wurden, die Anforderungen an Bauwerke in den Mitgliedstaaten nur unvollständig abbildeten. Um dies für die anstehende Überarbeitung aller Produktnormen sicherzustellen, wurde im Acquis-Prozess als Grundlage für die künftigen Normungsaufträge sämtliche Anforderungen der Mitgliedstaaten für die verschiedenen Produktgruppen abgefragt und zusammengeführt. Es sollen in Zukunft in den Produktnormen alle Anforderungen an die Produktgruppen abgedeckt werden. Zusätzliche nationale Anforderungen soll es nicht mehr geben. Diese Arbeit wurde von der Acquis-Gruppe (SG 4) bereits abgeschlossen, sodass für Fenster, Türen, Tore, Lichtkuppeln und Abschlüsse ein Normungsauftrag an CEN bereits für Ende 2025 erwartet wird. Nachdem der SReq von CEN zur Bearbeitung angenommen wurde, wird ein Zeitplan erstellt, in dem die Produktnorm erarbeitet werden soll. Es wird mit einem Zeitrahmen von ca. drei Jahren für die Überarbeitung gerechnet. Im Anschluss wird die Produktnorm von der Europäischen Kommission geprüft und harmonisiert.
Ein ähnlicher Acquis-Prozess läuft auch für Vorhangfassaden (TC33/WG6) und Bauglas (TC129). Der Unterschied besteht darin, dass die Ad-hoc-Gruppen für die Durchführung der technischen Arbeit in Selbstverwaltung handeln und das SReq in Eigenregie erarbeitet wird, also ohne Unterstützung der EU-Kommission. In den Normungsaufträgen müssen genauso die Anwendungsbereiche (Meilenstein I) und die wesentlichen Merkmale (Meilenstein III) der Produktnormen festlegt werden. Dieser Prozess nennt sich „Fast Track“, auch wenn er nicht wirklich schneller ist, den Produktgruppen aber ermöglicht, in der Prioritätenliste der Produktnormung aufzurücken. Bauglas zum Beispiel hätte sonst erst 5 – 6 Jahre später mit der Erarbeitung neuer Produktnormen beginnen können. Wird der eigenverantwortlich in der „Fast Track Procedure“ erarbeitete SReq von der EU-Kommission angenommen, kann für die darin behandelten Produktgruppen mit der Normungsarbeit begonnen werden.
Als wesentliche Änderungen in den Normungsaufträgen werden erwartet:
1) Anforderungen zur Nachhaltigkeit der Bauprodukte (Grundlegende Anforderung Nr. 8)
Hierfür wird auch ein neues System 3+ zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit eingeführt, bei dem der Hersteller für die werkseigene Produktionskontrolle (WPK) und die Festlegung des Produkttyps verantwortlich ist. Die notifizierte Stelle (NB) führt anschließend eine Validierung der Eingangsdaten, Bewertungen und Verfahren durch.
Die Produktnorm gilt auch für gebrauchte Produkte.
Es sind Informationen zur Rückbaubarkeit erforderlich.
2) Digitaler Produktpass für Produkte (auf Anforderung von Endverbrauchern muss auch eine Leistungs- und Konformitätserklärung (DoPC) in Papierform ausgehändigt werden.)
3) Es müssen Produktinformationen, Gebrauchsanweisungen und Sicherheitsanweisungen für das Produkt zur Verfügung gestellt werden.
Beschränkung der Produktnormen auf die im Normungsauftrag genannten „wesentlichen Merkmale“, d.h. keine zusätzlichen (freiwilligen) Leistungsanforderungen.
Produktnormen
In der Produktgruppe „Fenster und Türen“ (SG 4) wurden im Meilenstein 1 des Acquis-Prozesses die folgenden Produktgruppen definiert:
Innentüren
Außentüren
Fenster und Revisionsklappen
Industrie-, Gewerbe- und Garagentore
Tore und Schranken
Lichtkuppeln und Dachluken
Markisen
Außenjalousien
Innenjalousien
Außenrollläden
Wie diese Produktgruppen zusammengeführt werden, ist derzeit noch offen. Es zeichnet sich aber ab, dass zu den Fenstern und Türen zukünftig auch die Revisionsklappen gehören werden. Auch die kraftbetätigten Türen werden vermutlich zukünftig den Türen zugeschlagen. Eine Forderung an zukünftige Produktnormen ist die vollständige Deklaration des Produktes. Daher wird es vermutlich keine horizontale Norm für die Leistungseigenschaften Feuer und/oder Rauchschutz mehr geben und die diesbezüglichen wesentlichen Leistungseigenschaften werden in die jeweiligen Produktnormen der Produkte integriert.
Fazit
Nach Jahren des Stillstands startet der Produktnormungsprozess wieder durch. Die BauPVO bildet die Grundlage für die Produktnormung der Zukunft. Insbesondere die neu hinzugekommenen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Digitalisierung in den Verordnungen werden neue Lösungen erfordern. Die Zeitschienen für die Erarbeitung sind strikt und erfordern eine rasche Umsetzung. Die hierfür erforderlichen Normenvorlagen und ein Leitfaden zur Unterstützung der europäischen Normungsorganisationen und der hierin tätigen Fachexpertinnen und -experten von der EU-Kommission liegen noch nicht vor. Das Ziel ist aber klar: Mehr Rechtssicherheit für die Hersteller beim Inverkehrbringen ihrer Produkte und die Sicherstellung eines funktionierenden EU-Binnenmarkts für die Zukunft.