Veranstaltung

ift-Fenstertage

Die Fensterwelt im Wandel

In seinem Auftaktvortrag zeigte Prof. Dr.-Ing.Winfried Heusler als Institutsleiter des ift Rosenheim eindrücklich, wie ernst und vehement der Wandel sein wird. Kennzeichnend in vielen Vorträgen war der Buchstabe „R“, der für die neun Aspekte der Kreislaufwirtschaft (Reuse, Remanufacture, Recycling etc.) steht. Die 670 Teilnehmenden erhielten konkrete Lösungsansätze und praktische Hinweise, wie die anstehenden Herausforderungen gemeistert werden können.

Roland Sitzberger (Porsche Consulting) bekräftigte, wie grundlegend sich die Wertschöpfungsketten im Bau ändern müssen, um mit einer höheren Produktivität weiterhin am Markt zu bestehen. Er beschrieb, wie steigende Material- und Energiekosten, der Fachkräftemangel, die Wohnungsnot und der Investitionsrückstand die Baubranche zu den notwendigen Änderungen zwingen werden. Die Notwendigkeit einer neuen, kundenzentrierten Wertschöpfungskette wurde anhand von Beispielen für innovative Geschäftsmodelle und den Chancen der Modularisierung und Industrialisierung untermauert. Unternehmen müssen jetzt ihre Prozesse ändern und in digitale Lösungen investieren, um Effizienz und Produktivität zu steigern. Hierfür sollten mittelständische Unternehmen Partnerschaften entwickeln und nutzen.

Im Plenumsvortrag “Earth for All – Aufbruch in eine Zukunft für alle“ mahnte Prof. Dr. Manfred Fischedick (Wuppertal Institut) eindrücklich eine nachhaltigere Wirtschaftsweise an, um die drohenden Schäden des Klimawandels und geschädigter Ökosysteme noch abzuwenden. Dabei wies er auch auf die steigenden Temperaturen und extreme Wetterereignisse in Deutschland hin. Er betonte aber auch, dass die politischen und technischen Lösungen auf dem Tisch liegen und die Fensterbranche bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands sowie der Umgestaltung zur Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle spielt. Neben der Begrenzung des Klimawandels müssen auch die planetaren Grenzen (Nutzung von Rohstoffen und Ökosystemen) sowie die sozialen Ungleichheiten beachtet werden, die mit der Transformation verbunden sind. Fischedick schloss mit dem Aufruf, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen und eine nachhaltige Zukunft für alle zu gestalten.

Prof. Christian Niemöller (SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft) gab ein Update zu relevanten Rechtsfragen und Urteilen. Der erste Teil seines Vortrags befasste sich mit dem „Justizstandort-Stärkungsgesetz“, dass am 1. April 2025 fast unbemerkt in Kraft getreten ist. Ziel des Gesetzes ist eine schnelle und einfache Klärung wirtschaftsrechtlicher Streitigkeiten und das sogar auf Englisch – interessant für internationale Projekte. Hierbei gilt es einige Tücken zu beachten, beispielsweise, dass der Gerichtsstand frei wählbar ist und die Durchführung des Prozesses in englischer Sprache als stillschweigend vereinbart gilt, wenn der Beklagte sich in seiner Klageerwiderung „rügelos“ auf die englische Sprache einlässt. Hinweise mit Praxisrelevanz waren die Erläuterungen aktuellen Urteilen. Bei kaufmännischen Bestätigungsschreiben muss der Empfänger unverzüglich widersprechen, wenn er dessen Inhalt nicht akzeptieren will (BGH, Beschluss vom 07.08.2024: IBR 2025, 3). Dies gilt in ähnlicher Weise auch für die widerspruchslose Entgegennahme eines Baustellenprotokolls, die ansonsten als Einverständnis mit dessen Inhalt zu werten sei, auch wenn der Vertreter des Empfängers vollmachtlos gehandelt habe, beispielweise ein Bau- bzw. Montageleiter (BGH, Beschluss vom 04.12.2024; IBR 2025, 393). Der beliebte Verweis auf online abrufbare AGB ist nach aktueller Rechtsprechung wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam (BGH, Urteil vom 10.07.2025). Ein weiterer wichtiger Hinweis bezog sich auf die Kündigung eines VOB/B-Vertrags durch den Auftraggeber, wenn die Ausführungsfristen nicht eingehalten werden. Hier wird eine Personalaufstockung mit einer Abhilfefrist von drei (Arbeits-)Tagen als angemessen angesehen (BGH, Beschluss vom 29.01.2025; IBR 2025, 398).

Thomas Kirmayr (Fraunhofer-Allianz Bau) erläuterte, wie ein digitales „Bauökosystem“ entwickelt und die Daten strukturiert werden müssen. Er mahnte jedoch, nicht bereits jetzt „wild“ Daten zu sammeln, sondern die Entwicklung der notwendigen Datenstrukturen abzuwarten. Denn ohne klare Vorgaben für eine einheitliche Struktur der benötigten Daten werden die Interoperabilität (reibungsloser Datenaustausch) zwischen verschiedenen Akteuren der Branche sowie die digitale Transformation nicht möglich sein. Kirmayr stellte vor, wie das digitale „Bauökosystem“ im Rahmen verschiedener F+E-Projekte entwickelt wird (GAIA-X, Construct-X & Co.). Notwendig sind jedoch klare Vorgabe durch Normen und Gesetze, eine Standardisierung der Prozesse, eine zentrale Speicherung und Aktualisierung der originalen Daten (z.B. Produkteigenschaften) anstatt vieler Kopien an unterschiedlichen Stellen sowie eine Qualifizierung aller Beteiligten. Hierfür müssen kleine und mittlere Unternehmen besonders gefördert werden, um die erforderlichen digitalen Kompetenzen zu entwickeln. Betriebe der Bauwirtschaft sollten dann die digitalen Daten und Tools aktiv nutzen, um effizienter und nachhaltiger zu werden.

In ähnlicher Weise argumentierte Michael Breckl-Stock (ift Rosenheim), der einen ersten Ausblick auf den „Digitalen Produktpass“ (DPP) ermöglichte, der im Kapitel X der Bauproduktenverordnung beschrieben wird. Die produktbezogenen Kenndaten müssen in maschinenlesbarer, interoperabler Form aufbereitet werden – also mehr als eine PDF-Datei sein. Die geschätzten 300 Daten basieren auf der Leistungs- und Konformitätsklärung, Produktinformationen, Sicherheitshinweisen und technischen Dokumentationen (Wartung, Montage etc.) sowie auf relevanten Daten aus anderen EU-Verordnungen (z.B. der EUChemikalienverordnung „REACH“). Die Daten sollen mind. 25 Jahre für alle Baubeteiligten, Bauherren und Investoren verfügbar und müssen mit dem Produkt verbunden sein (z.B. mittels QR-Codes). Die EU-Kommission will 2027 in einem „delegierten Rechtsakt“ die Details festlegen und nachfolgend eine zentrale Datenbank aufbauen. Berichte über bereits verfügbare DPP sind deshalb falsch und beziehen sich meistens auf DPP nach den Vorgaben der bereits eingeführten Ökodesignverordnung, die aber nicht für Bauprodukte gültig ist. Das ift Rosenheim ist in die Entwicklungsprozesse eingebunden und wird dafür Sorge tragen, dass der Aufwand für die ift-Kunden so gering wie möglich sein wird.

Der Themenblock „Bauproduktenverordnung und Markt“ zeigte deutlich, dass auch die neuen Regeln (BauPVO), Normen, Gesetze und Förderpakete neue Anforderungen zur Nachhaltigkeit bringen werden. Prof. Jörn P. Lass (ift Rosenheim) stellte die wesentlichen Änderungen der Bauproduktenverordnung (BauPVO) vor, die am 7. Januar 2025 in Kraft getreten ist und die Förderung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Bauwesen verbessern soll. Neben den bisherigen sieben Anforderungen kommt die Nachhaltigkeit als achte hinzu. Kritische Änderungen ergeben sich auch bei der Konformitätsbewertung (AVCP-System 3), bei der die Leistungs- und Konformitätserklärung zusammengefasst und die Umweltwirkungen über den gesamten Lebenszyklus erfasst werden sollen. Die konkreten Details für die Umsetzung werden dann in den jeweiligen Produktnormen geregelt. Als vorrangig werden die Normen für Innen- und Außentüren, Fenster, Tore, Markisen und Sonnenschutzsysteme behandelt. Glas und Fassaden werden zurzeit noch als nachrangig gesehen, sollen aber im Rahmen des „Fast Track“-Verfahrens zeitgleich mit den o.g. Normen erstellt werden. Für Fenster und Außentüren sollen die Anforderungen der EN 16034 (Feuer- und Rauchschutz) und EN 16361 (kraftbetätigte Türen) integriert werden. Das ift Rosenheim wird sich für die Beibehaltung bewährter Regelungen einsetzen, beispielsweise für technische Nachweise für Produktfamilien, anstatt der vorgesehenen Deklaration für jedes einzelne Bauelement.

www.ift-rosenheim.de


x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 10/2024

„In 2 Wochen ISO 9001 zertifiziert...“

…natürlich, Künstliche Intelligenz macht‘s möglich, wirbt das DICIS Institut (Digital Institute for Certification of International Standards) für sich und für das Tochterunternehmen Innolytics....

mehr
Ausgabe 11/2020 Interview

Manuel Demel, ift Rosenheim

„Hybride Lüftungssysteme sind die Zukunft.“

metallbau: Wie findet der Fensterbauer die zum Raum bzw. Gebäude passenden Lüftungselemente? Manuel Demel: Bei einer nutzerunabhängigen Zwangslüftung nach DIN 1946-6 wird zwischen...

mehr
Ausgabe 7-8/2024

Als Gutmensch

… wurde landläufig jemand bespöttelt, der mehr Gutes tat als Otto Normal – Naivität diagnostiziert. Nachhaltigkeit mit zunehmend ordnungsrechtlicher Zugkraft mobilisiert inzwischen in vielen...

mehr