Außenbeschlag und Benetzbarkeit von Floatglas

Isolierglas

Bei Verglasungen ist heute Isolierglas mit einem  Wärmedurchgangskoeffizienten Ug von 1,1 W/m²K Standard. Als jüngste Entwicklung zeichnet sich ein exponential wachsender Anteil an Dreifach-Isoliergläsern mit Ug–Werten von 0,7 W/m²K und weniger ab.

Erster Schritt zum Erzielen so geringer Wärmedurchgangskoeffizienten: Der hermetisch von der Außenwelt abgeschlossene Scheibenzwischenraum (SZR) wird mit Edelgas befüllt, das Wärme schlechter leitet als Luft. Wegen einsetzender Zirkulation des Gases erreicht der Ug–Wert bei definiertem Scheibenabstand je nach Art des verwendeten Füllgases sein Minimum. Auf diese Weise wird der direkte Wärmestrom vom warmen Innenraum zur kalten Außenluft deutlich reduziert.
Einen weit größeren Anteil am niedrigen Ug–Wert hat die nahezu unsichtbare Funktionsschicht auf der dem SZR zugewandten Glasoberfläche. Sie lässt die Strahlen aus dem sichtbaren Bereich des Sonnenspektrums zwischen etwa 380 bis 780 nm gegenüber einem vergleichbaren unbeschichteten Isolierglas nahezu unverändert durch, während die unsichtbare Infrarotstrahlung in hohem Maße reflektiert wird. Resultat: Nur noch ein sehr geringer Teil der Wärmeenergie aus dem beheizten Raum wird durch das Isolierglas nach außen transportiert.


 
Störende Einflüsse. Dieser Vorteil für das Raumklima und das Behaglichkeitsempfinden des Raumnutzers hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Bei bestimmten Witterungslagen bildet sich Kondensat auf den Außenflächen des Glases, das die freie Durchsicht behindert.
Viele Nutzer empfinden es als besonders störend, wenn zu dem Kondensat plötzlich Körper- oder Fingerabdrücke, Abdrücke von Etiketten und Saugern, Streifen von Silikonspuren und Ähnliches sichtbar werden. Sie reklamieren die Leistungen. Grund für die bildhaften Erscheinungen ist die unterschiedliche Benetzungsfähigkeit verschiedener Substrate.
Sieht man sich Glasoberflächen unter dem Mikroskop an, wird man feststellen, dass sie keineswegs so glatt sind, wie sie beim Betrachten mit freiem Auge zu sein scheinen.
Um Schäden auf der Oberfläche des Basisglases beim Transport zu vermeiden sind Trennmittel auf den Scheiben aufgebracht. Als Anschlagmittel für den Krantransport dienen Vakuumsauger. Beim Zuschnitt ist technisch bedingt die Zugabe von Schneidöl erforderlich. Nachdem erwartet wird, dass die Glasoberflächen im SZR, der nach dem Zusammenfügen nicht mehr zugänglich ist, makellos sauber sind, müssen die Trennmittel und die aus Transporten und Schneiden entstehenden Rückstände vollständig entfernt werden.
Dies geschieht in speziellen Waschmaschinen mit mehreren Waschstufen unter Verwendung von demineralisiertem Wasser mittels oszillierender und rotierender Bürsten. Normales Leitungswasser würde Rückstände auf dem Glas hinterlassen und zudem die empfindliche Funktionsschicht chemisch angreifen, es ist daher ungeeignet für den Reinigungsprozess.
Durch den beschriebenen Waschvorgang mit demineralisiertem Wasser ist die Oberfläche des Glases nicht nur außerordentlich sauber, sondern auch hoch aktiviert. Jede kleine „Verschmutzung“ wird begierig aufgenommen. Bei Hautkontakt werden beispielsweise Fettsäuren und Schweiß auf die aktive Glasoberfläche übertragen. Etiketten und Distanzplättchen können unterschiedliche Klebstoffbestandteile hinterlassen, wenn sie längere Zeit auf den Scheiben verbleiben. Wird das Glas mit Saugvorrichtungen transportiert oder eingebaut, können durch den Unterdruck Wasser und sonstige Partikel aus der ungleichen Oberfläche des Glases quasi herausgesogen oder weggeschoben werden, sodass an dieser Kontaktfläche chemisch gesehen eine veränderte Oberflächenaktivität entsteht.
Staub, Regen und Feuchtigkeit insbesondere beim Transport, bei der Verglasung und am Bau belasten und verschmutzen zusätzlich die Glasoberfläche. Selbst bei der üblichen Glasreinigung entsteht, so paradox es klingen mag, gewissermaßen eine Verschmutzung. Das Waschwasser ist am Ende der Fensterreinigung stärker von Schmutz belastet als am Anfang der Reinigung. Fensterleder, Schwamm und Tücher nehmen Schmutzpartikel auf und verteilen sie auf der Glasoberfläche. Dennoch wirkt das trockene Glas blank und sauber. Der Zweck der Reinigung ist somit erfüllt.


Oberflächenenergie. Die Glasoberflächen verändern sich in diesen unterschiedlich kontaminierten Bereichen durch Adsorptions- und Diffusionsprozesse mit glasfremden Stoffen. Daraus folgt ein anderes Spreitverhalten (damit ist die Haftung auf dem Untergrund zu verstehen) aufgrund der geänderten Oberflächenenergie durch Wassertröpfchen auf den Glasoberflächen, wenn zum Beispiel Kondensat entsteht oder die Scheiben von Regen benetzt werden.
Jede Verunreinigung bzw. jeder Stoff hat eine andere Oberflächenenergie. Die Größe oder Form der Wassertröpfchen kann sich dadurch von ganz flach bis zu halbkugelförmig unterscheiden. Die verschiedenen Formen der Wassertröpfchen lassen die bildhaften Erscheinungen entstehen, wenn die Scheiben feucht werden.
Je flacher ein Wassertropfen ausläuft, je spitzer also sein Randwinkel ist, umso größer ist die Benetzungsfläche und desto geringer die Randspannung. Je höher ein Wassertropfen ist, je steiler also sein Randwinkel ist (kugelige Form), umso kleiner ist die Benetzungsfläche und desto höher die Randspannung. Erst wenn die Tröpfchen zu groß und somit zu schwer werden, wird die Randspannung überwunden, das Wasser läuft ab und kleinere Tröpfchen bilden sich neu.
Die VOB/B fordert als Nebenleistung „Rückstandsfreies Entfernen der Klebestreifen, Etiketten, Distanzplättchen oder Glasverbindungsmittel“. Bei den Einflüssen, die zu der unterschiedlichen Benetzbarkeit von Floatglas durch Wasser oder Wasserdampf führen, handelt es sich um keine (sichtbaren) Rückstände im Sinne der VOB, die der Handwerker erkennen und als Nebenleistung entfernen müsste.
Wenn in hartnäckigen Fällen die unterschiedliche Oberflächenbenetzbarkeit stört, so lässt sie sich beseitigen. Man muss versuchen, unter die Randwinkelspannung der Substrate zu gelangen, indem man die Störschichten entfernt bzw. unterwandert. Benzin oder herkömmliche alkoholische Präparate sind dabei ebenso untauglich wie in aller Regel handelsübliche Glasreinigungsmittel.
 
Probate Mittel. Als probate Wasch- bzw. Reinigungsmittel sind solche geeignet, die Ammoniak enthalten. In hartnäckigen Fällen hat es sich bewährt, einen sauberen Leinenlappen mit einer Mischung aus etwa 50% verdünntem Salmiakgeist und 50% Spiritus gut zu durchfeuchten und darauf „Wiener Kalk“ (in Fachgeschäften und den meisten Drogerien erhältlich) zu streuen, damit sich ein Schlamm bildet. Dieser ist auf die Scheiben aufzutragen und kräftig zu verreiben.
Auch mit feiner Stahlwolle Nr. 00 und handelsüblichen Edelstahl-Putzmitteln lassen sich ohne großen Aufwand gute Erfolge erzielen. Dabei ist das Edelstahlputzmittel mit der Stahlwolle Nr. 00 zu verreiben, die abgetrockneten weißen Rückstände sind mit einem sauberen und trockenen Baumwolltuch abzureiben.
Weder für den Glashersteller und den Isolierglasproduzenten noch für den glasverarbeitenden Handwerker kann die unterschiedliche Benetzbarkeit der Glasoberflächen ein Reklamationsgrund sein.

Info + Kontakte:

UNIGLAS GmbH & Co. KG
Robert-Bosch-Straße 10
56410 Montabaur
Tel. +49 (0)2602/94929–0
Fax +49 (0)2602/94929–299


www.uniglas.net


 

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