Papierlose Fertigung

Zettelwirtschaft war gestern

Die papierlose, digitale Produktion verspricht eine flexiblere und fehlerfreie ­Fertigung, mehr Produktivität und weniger Fehler. Welche Lösungen gibt es und wie sind die praktischen Erfahrungen?

Papiergebundene Arbeitsabläufe sind zeit- und arbeitsaufwendig, fehleranfällig und produktivitätshemmend. Das Erstellen und Aktualisieren von Dokumenten, deren Verteilung im Betrieb, die Dokumentsuche, Ablage und Archivierung ist eine ständige Fehlerquelle und hemmt Betriebsabläufe. Insbesondere wenn Papierdokumente kopiert werden, unterschiedliche Aktualitätsstände aufweisen und von der im Unternehmen eingesetzten Software entkoppelt sind, kommt es immer wieder zu Fehlern in der Bestellung, Arbeitsvorbereitung, Fertigung und Montage. Das lässt sich vermeiden, indem man Auftragsdaten zentral in digitaler Form bereitstellt, Prozesse digitalisiert und Medienbrüche vermeidet.

Digital statt analog

Berücksichtigt man die Zeit, die Mitarbeiter täglich investieren, um Fertigungsunterlagen auszudrucken, zu sortieren und in die Produktion zu geben, die gebraucht werden, um Materialien zu suchen, Werkzeuge bereit- und Maschinen einzustellen, dann wird die Notwendigkeit digitaler Abläufe rund um die Fertigung schnell deutlich. Werden die Fertigungsunterlagen beispielsweise kopiert, weil sie von mehreren Mitarbeitern gebraucht werden, lassen sich Auftragsänderungen nur umständlich einpflegen, da immer alle Kopien aktualisiert werden müssen. Von der Planung abweichende, kurzfristige Änderungen in der Werkstatt – etwa die Verwendung anderer Fensterbeschläge – werden oft nicht dokumentiert. Fehler in der Produktion und Abrechnung sind so vorprogrammiert. Abhilfe schaffen Systeme zur papierlosen Fertigung, die meist Teil von PPS-, respektive ERP-Systemen sind: Anstelle von Zetteln zeigen in der Werkstatt angebrachte Touch-Displays an, was am jeweiligen Arbeitsplatz zu tun ist. Mit einfachen Finger-Gesten haben Mitarbeiter aktuelle Fertigungsdaten auf ihrem Monitor und Projektverantwortliche den Überblick, was in der Produktion los ist und wo der Auftrag steht. Auch kurzfristige Änderungen von Aufträgen lassen sich einfacher realisieren und dokumentieren. Die Materialsuche entfällt ebenso, weil das System weiß, an welcher Stelle des Lagers sich die Bauteile für den aktuellen Auftrag befinden.

Aufträge digital erfassen, papierlos fertigen

Für eine papierlose Produktion genügt es jedoch nicht, gedruckte Unterlagen einfach zu scannen und in digitaler Form, beispielsweise über ein Dokumentenmanagementsystem (DMS), bereitzustellen. Das kann zwar einen gewissen Fortschritt mit sich bringen, erfüllt aber nicht die Anforderungen einer modernen Produktionssteuerung. Stattdessen müssen produktionsrelevante Informationen interaktiv, flexibel, aktuell und in der richtigen Zeit am jeweils richtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen und eine digitale Rückmeldung ermöglichen. Dazu müssen die Auftragsdaten frühzeitig digital erfasst werden, denn die papierlose Fertigung fängt bereits mit der digitalen Auftragserfassung an. Dazu werden Aufträge in der Regel mit einer ERP-Branchensoftware erfasst, kalkuliert und Angebote erstellt, die nach Auftragseingang geplant und für die Produktion vorbereitet werden. Nach einer Prüfung der Verfügbarkeit von Personal, Maschinen und des Lagerbestands, respektive der Bestellung fehlenden Materials, werden die Fertigungs- und Montageaufträge freigegeben. Anschließend werden allen Mitarbeitern auf den Arbeitsplatz-Terminals oder an den mobilen Tabletts neben einer Kurzbeschreibung des Werkauftrags auch alle PDF-Zeichnungen und Arbeitsanweisungen, nebst Vorgabestunden, Start- und Enddatum angezeigt. In Papierform vorliegende Dokumente, Notizzettel oder Handskizzen werden automatisiert gescannt oder stehen sofort digital zur Verfügung. Da der Arbeitsfortschritt kontinuierlich erfasst wird, ist der Bearbeitungsstand des Auftrags und für alle Beteiligten einsehbar. Werden auch Arbeitszeiten automatisch gebucht, können sie in die Nachkalkulation und Lohnabrechnung einfließen. Einige Systeme unterstützen auch die Werkseigene Produktionskontrolle (WPK) zur Selbstüberwachung der Produktion, von Terminen, Materialmengen, Betriebsmitteln, der Material- und Produktqualität etc.

Mobile Bauteilverfolgung

Werden die Auftragsinformationen über einen Barcode-Aufdruck oder RFID-Transponder per Handscanner eingelesen, erhält der Mitarbeiter am Arbeitsplatz automatisch alle erforderlichen Werkstück- und Fertigungsangaben. RFID bietet gegenüber Barcodes den Vorteil, dass die Informationen mit jedem Fertigungsschritt aktualisiert und später abgerufen werden können. Dank einer digitalen Rückmeldung von Ist-Daten kann das System jederzeit anzeigen, welchen Status das Werkstück und der Auftrag gerade haben. Das verbessert sowohl die Transparenz in der Fertigung als auch die Reaktionsfähigkeit gegenüber Änderungen. Wird das fertige, mit einem Barcode oder RFID-Transponder versehene Bauelement ausgeliefert, kann es auch auf dem Transport zur Baustelle verfolgt und auch nach der Montage samt spezifischer Daten identifiziert werden. Das ermöglicht beispielsweise Baufortschrittskontrollen in Echtzeit, vereinfacht aber auch eine spätere Inspektion, Reparatur und Wartung.

Fazit

Die papierlose Fertigung setzt durchgängige digitale Prozessketten voraus – von der Auftragserfassung bis zur Nachkalkulation und Abrechnung. Das ist, auch aufgrund von Inkompatibilitäten zwischen neuer und im Unternehmen bereits vorhandener Software, nur schrittweise zu erreichen. Auch aus psychologischen Gründen, weil insbesondere ältere Mitarbeiter papieraffin sind, sollte der Umstieg von analog auf digital sukzessive erfolgen. Sobald aber digitale Prozesse stabil laufen, sollte endgültig auf gedruckte Dokumente und Zettel verzichtet werden. Die digitale Fertigung hängt auch von der Stabilität der eingesetzten LAN- und WLAN-Infrastruktur ab. Langsame Datenübertragungsraten, Verbindungsunterbrechungen oder gar Systemausfälle sind kontraproduktiv. Hinzu kommt das Thema IT-Sicherheit: Es muss verhindert werden, dass die Produktionssteuerung manipuliert wird oder Daten in falsche Hände geraten. Neben den Kosten für die EDV und IT-Infrastruktur müssen deshalb auch Investitionen in die IT-Sicherheit berücksichtigt werden.

Beispiele digitaler Werkzeuge

Die Bandbreite an Software-Werkzeugen für die digitale Fertigung reicht von DMS- und PDM-, über PPS-, bis hin zu integrierten ERP-Systemen. Eine Auswahl davon stellen die folgenden Absätze vor:

3E-Look: … von 3E Datentechnik enthält ein Modul zur digitalen Fertigung mit digitalem Leitstand, der Zustände erfasst, auswertet und rückmeldet. Das barcodebasierte Modul gliedert sich in die Fertigungsplanung und ‑steuerung: Erstere umfasst die Berechnung und Bereitstellung technischer Konstruktionsdaten, die Anreicherung der Daten mit planungsrelevanten Informationen zur Steuerung des Produktionsflusses. Die Fertigungssteuerung verwaltet Produktionsdurchläufe, generiert arbeitsplatzbezogene Produktions- und Maschinendaten, Fertigungslisten und Berichte. Auch die Werkseigene Produktionskontrolle (WPK) wird digital abgebildet und dokumentiert (www.3e-it.com)

CRONOS: Über das Produktdatenmanagement-System (PDM) von CAD-PLAN können mit den Programmen ATHENA oder APOLLON, aber auch AutoCAD oder Inventor von Autodesk erstellte Konstruktionsteile digital dargestellt, verwaltet und die verwendeten Profilsysteme mit allen Bohrungen, Klinkungen, Fräsungen etc. direkt an die CNC-Fertigung übertragen werden. Mit dem CRONOS-Viewer lassen sich Fertigungsdokumente, ebenso wie alle weiteren zu einem Projekt gehörenden DOC-, XLS-, PPT- oder PDF-Dateien am Arbeitsplatz anzeigen und kommentieren. Mit der CRONOS Web-Applikation ist auch ein mobiler Dokumentzugriff möglich, beispielsweise während der Montage vor Ort. (www.cad-plan.de)

ERPlus: Mit der Werkauftrags-App von ERPlus können Arbeitsaufträge und verknüpfte Dokumente in Echtzeit aus der Datenbank abgerufen und an Arbeitsstationen angezeigt werden. Neben den Vorgabestunden werden auf Terminals oder Tablets übersichtlich Start- und Enddaten sowie eine Kurzbeschreibung des Werkauftrags angezeigt. Auch PDF-Zeichnungen lassen sich anzeigen und kommentieren. Eine Rückmeldung des Arbeitsfortschritts macht Projekt transparent. Arbeitszeiten werden auftragsbezogen gebucht und fließen in die Nachkalkulation und Lohnabrechnung ein. (www.erplus.de)

LogiKal MES: …von Orgadata versteht sich als Leitzentrale für die digitale und papierlose Fertigung im Fenster- und Fassadenbau, die Information zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Sollte eine Nachbesserung erforderlich sein, sieht der Werkstattleiter in seiner Übersicht sofort die entsprechende Meldung und den Lösungsvorschlag des Mitarbeiters und kann direkt entscheiden, ob er eingreift oder nicht. Die Werkseigene Produktionskontrolle wird quasi nebenbei erledigt. (www.orgadata.com)

MMC Papierlose Fertigung: … von Zink Software kann Listen, Pläne, Skizzen, Handnotizen etc. über spezielle Touch-Terminals elektronisch auch mehreren Mitarbeitern anzeigen. Jedes digitale Dokument gibt es bei der papierlosen Fertigung nur einmal, Änderungen im Produktionsprozess werden sofort allen betroffenen Mitarbeitern mitgeteilt und zentral dokumentiert. Ein spezieller Anzeigemodus sorgt dafür, dass nur die für das jeweilige Projekt erforderlichen Programme und Daten geöffnet werden und auch mehrere Mitarbeiter mit einem Terminal arbeiten können. (www.zink-software.de)

Glossar

DMS: (Dokumentenmanagement-System) Software zur datenbankgestützten Verwaltung digitaler Dokumente.

ERP: (Enterprise-Resource-Planning) Software zur Ressourcen­planung im Unternehmen in den Bereichen Materialwirtschaft, Produktionsplanung/‑steuerung, Rechnungswesen, Controlling etc.

PDM: (Produktdatenmanagement) System zur Speicherung und Verwaltung von Produktdaten aus der Produktentwicklung und deren Bereitstellung für den gesamten Lebenszyklus eines Produktes.

PPS: (Produktionsplanungs- und Steuerungssystem) Eigenständiges System oder Teil eines ERP-Systems zur digitalen Planung und Steuerung von Fertigungsprozessen und der Datenflüsse.

RFID: (Radio Frequency IDentification) Sender-Empfänger-System zum automatischen und berührungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten mittels Radiowellen.

WPK: (Werkseigene Produktionskontrolle) Selbstüberwachung der Produktion durch das Unternehmen, damit Produkte vorgegebene Eigenschaften aufweisen und ggf. einer Norm entsprechen.

Digitale Tools pro papierlose Fertigung

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