Rechtsserie (1):

Leistung nach VOB

Klarheit dank Leistungsbeschreibung

Immer wieder streiten sich bei der Abwicklung von Metallbauverträgen die beiden Parteien über die konkret geschuldete Leistungsqualität, aber auch über den Umfang der vertraglich vereinbarten Leistung wird diskutiert. Die beiden Rechtsanwälte Prof. Christian Niemöller und Dr. Andreas Schmidt erläutern im folgenden Beitrag, worauf bei der Leistungsbeschreibung nach VOB geachtet werden soll. In präziser Ausführung und Anwendung kann diese nämlich für Klarheit sorgen.

Nach der Leistungsbeschreibung richtet sich zum einen, welche Leistungen des Auftragnehmers mit der vereinbarten Vergütung abgegolten sind (bzw. für welche Leistungen ggf. eine zusätzliche Vergütung an den Auftragnehmer zu zahlen ist). Gemäß § 2 Abs. 1 VOB/B werden durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung und weiteren Vertragsgrundlagen sowie nach der gewerblichen Verkehrssitte zur vertraglichen Leistung gehören. Aber auch nur diese Leistungen werden mit den vereinbarten Preisen abgegolten, nicht auch andere, davon abweichende oder zusätzliche Leistungen (vgl. § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B).

Der dem Bauherrn geschuldete Erfolg
Zum anderen bietet die Leistungsbeschreibung wesentliche Anhaltspunkte für die Frage, ob der Auftragnehmer den geschuldeten Erfolg – die Herstellung eines mangelfreien Bauwerks – herbeigeführt hat. Eine Abweichung von der Leistungsbeschreibung kann zu einem Mangel im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB bzw. § 13 Abs. 1 VOB/B führen. Hiernach ist die Leistung frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat – diese ergibt sich regelmäßig aus der Leistungsbeschreibung. Überdies muss das Werk den anerkannten Regeln der Technik entsprechen (§ 13 Abs. 1 VOB/B).
Enthält die Leistungsbeschreibung erkennbar Fehler oder Lücken, so muss der Auftragnehmer den Auftraggeber unverzüglich darauf hinweisen und Bedenken anmelden (§ 4 Abs. 3 VOB/B). Eine fehler- oder lückenhafte Leistungsbeschreibung darf also nicht „sklavisch abgearbeitet“ werden, da der Auftragnehmer ein funktionsgerechtes, den anerkannten Regeln der Technik entsprechendes Werk schuldet. Aufgrund der geschuldeten Funktionstauglichkeit des Werks kann der werkvertraglich geschuldete Erfolg über den Inhalt der Leistungsbeschreibung hinausgehen.

Ein Beispiel gibt das BGH Urteil vom 21.11.2013 (Az. VII ZR 275/12): Ob die Hoffläche einer Wohnanlage ein Gefälle zum leichteren Abfluss von Oberflächenwasser haben muss, beurteilt sich nicht allein danach, ob ein solches Gefälle in der Leistungsbeschreibung vorgesehen oder zwingend erforderlich ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Auftraggeber ein solches Gefälle nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Umständen, insbesondere dem vereinbarten Qualitäts- und Komfortstandard, erwarten kann. Dann schuldet der Bauunternehmer ein solches Gefälle, um eine mängelfreie Leistung zu erbringen – auch wenn das Gefälle in der Leistungsbeschreibung nicht erwähnt ist. (Ggf. kommt aber ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung für die Ausführung des Gefälles in Betracht.

Öffentliches Auftragswesen
Für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens regelt § 7 VOB/A (Fassung 2012), dass die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass alle Bieter die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Den Bietern darf also kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden. Diese Regelung ist von zentraler Bedeutung für die Vergabe durch die öffentliche Hand, da nur dann die verschiedenen Angebote vergleichbar und die Wettbewerbschancen der Bieter gleich sind.

Beispiele geben die BGH Urteile vom 21.03.2013 (Az. VII ZR 122/11)...: Der öffentliche Auftraggeber hat in der Leistungsbeschreibung eine Schadstoffbelastung auszuhebenden und zu entfernenden Bodens nach den Erfordernissen des Einzelfalls anzugeben. Sind erforderliche Angaben zu Bodenkontaminationen nicht vorhanden, kann der Bieter daraus schließen, dass ein schadstofffreier Boden auszuheben und zu entfernen ist.

... und vom 22.12.2011 (Az. VII ZR 67/11): Indes kann ein ausdrücklicher Hinweis auf die Kontaminierung entbehrlich sein, wenn diese sich bereits aus den Umständen klar und eindeutig ergibt, weil der im Leistungsverzeichnis beschriebene Boden regelmäßig kontaminiert ist, z.B. Boden unterhalb einer teerhaltigen Asphaltschicht.

Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung
Der Grundsatz, dass dem Bieter nach §7 VOB/A kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden darf, kann vor allem bei der Vertragsauslegung im Falle von Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung Bedeutung erlangen. Hier kann eine „VOB-gerechte“ Auslegung zu günstigen Ergebnissen für die Auftragnehmerseite führen.

Beispiel gibt das BGH Urteil vom 12.09.2013 (Az. VII ZR 227/11): Einer Leistungsbeschreibung für Brückenbauarbeiten ist zu entnehmen, dass eine für den verkehrsüblichen Einsatz eines Kranes hinderliche Hochspannungsleitung vom Auftraggeber wegen der vorgesehenen Bohrpfahlarbeiten ohnehin zum Beginn der Arbeiten abgebaut werden muss. Der Bieter muss in diesem Fall ohne einen Hinweis in der Leistungsbeschreibung nicht annehmen, dass die Hochspannungsleitung nur für die Dauer der Bohrpfahlarbeiten entfernt bleibt.
Dies bedeutet aber nicht, dass Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung stets zu Lasten des Auftraggebers gehen. Der Auftragnehmer ist vielmehr gefordert, solche Unklarheiten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aufzuklären.

Beispiel gibt das Urteil des OLG Hamm vom 15.06.2012 (Az. 12 U 180/11): Wird der Auftragnehmer mit der Planung und Ausführung eines Industriefußbodens in einer Lagerhalle beauftragt, muss er auch Erkundigungen zu den zu erwartenden Radlasten einholen, um die Bewehrung der Bodenplatte ausreichend bemessen zu können.
Bei der Auslegung einer unklaren Leistungsbeschreibung können zudem die Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung im Abschnitt 0 der DIN 18 299 ff., also der gesamten ATV der VOB/C, von Bedeutung sein. Danach sind nach den jeweiligen Erfordernissen des Einzelfalls in der Leistungsbeschreibung beispielsweise anzugeben:

  • Angaben zur Baustelle (z.B. Zufahrtsmöglichkeiten, Anschlüsse für Wasser, Energie und Abwasser, Boden- und Grundwasserverhältnisse, Arbeiten anderer Unternehmer auf der Baustelle u.v.m.);

  • Angaben zur Ausführung (z.B. vorgesehene Arbeitsabschnitte, Arbeitsunterbrechungen und Arbeitsbeschränkungen, besondere Erschwernisse, Mitbenutzung fremder Gerüste, Art und Umfang der verlangten Eignungs- und Gütenachweise);

  • Einzelangaben bei Abweichungen von den ATV (z.B. wenn abweichend von der ATV DIN 18 299, Abschnitt 2.1.1 die Lieferung von Stoffen und Bauteilen – ausnahmsweise – nicht zur Leistung des Unternehmers gehören soll);

  • Einzelangaben zu Nebenleistungen und Besonderen Leistungen (Nebenleistungen gemäß Abschnitt 4.1 aller ATV sind im Leistungsbeschrieb nur zu erwähnen, wenn sie ausnahmsweise selbstständig vergütet werden sollen, z.B. die Baustelleneinrichtung. Besondere Leistungen gemäß Abschnitt 4.2 aller ATV sind stets anzugeben, z.B. das Beseitigen von Hindernissen oder zusätzliche Winterbaumaßnahmen);

  • Abrechnungseinheiten (im Leistungsverzeichnis sind die Abrechnungseinheiten für die Teilleistungen – Positionen – gemäß Abschnitt 0,5 der jeweiligen ATV anzugeben, z.B. m²).

Lücken in der Leistungsbeschreibung
Ist die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis lückenhaft, so hat der Auftraggeber erforderliche Zusatzleistungen gesondert zu vergüten (anders bei funktionaler Leistungsbeschreibung). Der Auftragnehmer muss aber beachten, dass er einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung dem Auftraggeber vor der Ausführung anzukündigen hat (§ 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B).

Beispiel gibt das Urteil des OLG Hamm vom 30.06.2014 (Az. 17 U 185/12): Bei der Errichtung eines Solarspeichers waren bestimmte Kleinteile technisch erforderlich, die im Leistungsverzeichnis nicht aufgeführt waren. Der Auftragnehmer konnte hierfür eine zusätzliche Vergütung verlangen.
Vorsicht ist geboten, wenn in einer Position eines detaillierten Leistungsverzeichnisses eine Teilleistung lediglich funktional beschrieben wird. Dann ist es Sache des Auftragnehmers, die für eine funktionierende und zweckentsprechende Leistung notwendigen Leistungen im Einzelnen zu ermitteln.

Beispiel gibt das Urteil des OLG Dresden vom 26.02.2013 (Az. 9 U 123/12): Bei der Verbreiterung einer Bundesautobahn hat der Auftragnehmer u.a. eine Behelfsbrücke zu errichten. Diese ist im Leistungsverzeichnis nicht im Detail beschrieben. Der Auftragnehmer stellt während der Ausführung fest, dass hierfür vorgespannte Verpressanker hergestellt werden müssen. Sein Nachtrag bleibt vor Gericht erfolglos. Der Auftraggeber hat durch die funktionale Beschreibung der Behelfsbrücke das Risiko, welche statischen und konstruktiven Erfordernisse hierfür zu erfüllen sind, in zulässiger Weise auf den Auftragnehmer verlagert.
Schwierigkeiten bereitet im Bereich der Metallbauarbeiten vor allem die Abgrenzung von Nebenleistungen und besonderen Leistungen nach den jeweils einschlägigen ATV der VOB/C. Grundsätzlich sind geforderte besondere Leistungen in der Leistungsbeschreibung anzugeben, und der Auftragnehmer erhält sie zusätzlich vergütet. Der Auftraggeber kann sich aber auch dafür entscheiden, die Leistung so zu beschreiben, dass besondere Leistungen nicht gesondert vergütet werden (z.B. im Rahmen sogenannter Komplettklauseln). Dies muss der Auftragnehmer erkennen und bei seiner Angebotskalkulation entsprechend berücksichtigen.

Beispiel gibt das Urteil des OLG Köln vom 22.02.2011 (Az. 15 U 147/10): Ein Metallbauer soll bei einer Gebäudesanierung Brandschutztüren aus Stahlblech liefern und einbauen. Nach dem Leistungsverzeichnis sind die Arbeiten „einschließlich aller erforderlichen Nebenarbeiten und Befestigungs- und Füllmittel entsprechend den Brandschutz- und Rauchschutzanforderungen“ zu erbringen. Dies bedeutet, dass der Metallbauer die damit verbundenen Kosten in die Einheitspreise einzukalkulieren hat. Das gilt nach Auffassung des OLG Köln selbst dann, wenn es sich hierbei um besondere Leistungen im Sinne der ATV DIN 18360 handelt (hier: Vergießen von Ankern nach DIN 18360 Ziff. 4.2.4).

Planungsunterlagen in der Leistungsbeschreibung
Sind Planungsunterlagen Bestandteil der Leistungsbeschreibung, so darf sich der Auftragnehmer nicht auf deren Richtigkeit verlassen, sondern hat diese gewissenhaft zu überprüfen. Dies gilt für sogenannte Spezial- oder Fachunternehmer – um solche wird es sich bei Metallbauunternehmen oftmals handeln – in besonderem Maße.

Beispiel gibt das Urteil des OLG Düsseldorf vom 05.02.2013 (Az. 23 U 185/11): Der Auftraggeber beauftragt einen Fensterbauer mit der Herstellung, Lieferung und dem Einbau sämtlicher Fenster-, Fenstertür- und Haustüranlagen für eine neu zu errichtende Penthouse-Wohnung. Grundlage der Ausführung ist die Ausführungsplanung eines Architekten. Danach sind u.a. zwei Hebe-Schiebe-Fenstertüranlagen (HST-Anlagen) zur Dachterrasse in 13-Grad-Schrägstellung nach innen einzubauen. An den HST-Anlagen treten im Schwellenbereich Undichtigkeiten auf, weil die HST-Anlagen nicht hinreichend schlagregendicht sind. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige stellt fest, dass die HST-Anlagen in der Architektenplanung im Bereich der Bodenschwellen fehlerhaft oder unzureichend beplant waren. Der Fensterbauer haftet für den eingetretenen Schaden (mit). Der Auftraggeber muss sich hier aber einen Mitverschuldensanteil in Höhe von 60 % wegen des Architektenplanungsfehlers zurechnen lassen.

Fazit
Die die hier angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, führen ungenaue Leistungsbeschreibungen immer wieder zu Konflikten und Rechtsunsicherheit. Die Vertragspartner müssen daher große Sorgfalt auf die Erstellung und Fixierung der Leistungsbeschreibung verwenden. Kann der Auftragnehmer, wie etwa bei öffentlichen Ausschreibungen, keinen Einfluss auf die Leistungsbeschreibung nehmen, sollte er diese im eigenen Interesse sorgfältig auf Lücken, Unklarheiten und sonstige Fallstricke (z.B. funktional ausgeschriebene Teilleistungen oder Komplettklauseln) überprüfen und entsprechende Aufklärungsfragen zur Angebotsbearbeitung stellen.

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