Sanierung einer Ganzglasfassade

Das Knappschaftshochhaus in Bochum

Das frühere Bominhaus heißt heute Knappschaftshochhaus und ist Sitz der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Mit der Fassadensanierung des 74 Meter hohen Gebäudes wurde Schindler Fenster + Fassaden in Roding beauftragt. Das Auftragsvolumen beläuft sich dezidiert ohne Nachträge auf ca. 6 Millionen Euro. Der Baustellenleiter Ronny Pflüger hat Stefanie Manger das Projekt gezeigt.    -> zum Horizontalschnitt der Fassade

Im Jahr 2013 im August ist der Fassadenbauer Schindler gestartet. Martin Drexler steuert das Projekt von Roding aus. In dem Unternehmen mit knapp 300 Mitarbeitern leitet der Diplom-Ingenieur die Abteilung Forschung und Entwicklung. Der Metallbaubetrieb ist mit der Demontage der Bestandsfassade betraut, mit Fertigung und Montage der neuen Elementfassade sowie mit der Blechverkleidung der Vordächer, Eckstützen und Deckenuntersichten.

„Bei der Konstruktion der Profile mussten hohen Windlasten berücksichtigt werden, die an einem Hochhaus mit 20 Etagen zum Tragen kommen“, berichtet Drexler. Die Elementfassade wurde speziell für das Bominhaus aus Sonderprofilen hergestellt. Organisatorisches Talent war für die Baustellenlogistik gefragt: Baustellenleiter Ronny Pflüger erklärt: „Für den Austausch der Fassadenelemente wurden jeweils drei Stockwerke geräumt, sodass nach und nach alle 820 Mitarbeiter samt Büro aus- und wieder eingezogen sind.“ Damit das jeweils fertiggestellte Stockwerk zügig bezogen werden konnte, mussten umgehend nach dem Austausch der Fassadenelemente diese provisorisch gegen Regen abgedichtet werden.

Der Aufwand wurde in Kauf genommen, weil die Ganzglasfassade aus den 1970er-Jahren nicht mehr den aktuellen energetischen Anforderungen entsprach. Da die Fassade des Bominhauses inzwischen als ein architektonisches Wahrzeichen der Stadt Bochum galt, sollte die Modernisierung keinesfalls etwas an der Optik des Gebäudes ändern. Die Ganzglasfassade ist geschlossen ausgeführt, die Lüftung wird über eine konventionelle Klimaanlage geregelt.

Die Planer wählten aus zwei Musterelementen aus, für deren Vergleich zwei Parameter wichtig waren. Zum einen die Leistungswerte der Sonnenschutzisolierverglasung, eine Lichttransmission von 50 % sowie ein g-Wert von 25 %, zum anderen eine möglichst identische Optik von Isolierverglasung und Brüstung.

Für die Brüstung fiel die Wahl auf die Fassadenplatte L200 von Pilkington. Diese hat annähernd den gleichen optischen Charakter wie das Glas Pilkington Suncool™ 50/25 – die Isolierglaseinheit mit Sonnenschutzbeschichtung.

Diese Entscheidung bescherte der NSG Group für ihre neuen laminierten Fassadenplatten ein erstes Referenzobjekt. So wurde für die ca. 10.000 m² große Fassadenfläche bei Pilkington je zur Hälfte Suncool und die Fassadenplatte L200 bestellt. Die Elemente aus Isolierglaseinheit und Brüstung messen eine Breite von 1.800 mm und eine Höhe von 3.400 mm.

Alternativ zur Fassadenplatte L200 stand ein Verbundsicherheitsglas zur Auswahl, das aus 2 x 4 mm ESG bestand und einer 0,76 PVB-Folie mit Siebdruck RAL 6009 auf Pos. 4 (Musterscheiben siehe Seite 14).

Die neuen Fassadenplatten L200 bieten den Vorteil, dass diese sich als Bandmaßprodukte lagern lassen und je nach Bedarf auf die geforderte Größe zugeschnitten werden können. Ein Plus also für die Planungssicherheit des Objekts. Weil die Glasscheibe aus VG und nicht aus ESG besteht, fällt das Spontanbruchrisiko weg, bricht die Scheibe aus anderen Gründen bleiben die Scherben an der Folie haften. Für die Verarbeiter gestaltet sich die Handhabung unkompliziert wie bei einem Standard-Verbundglas, weil die beschichtete Seite des Glases zur Folie hin laminiert und damit vor Beschädigungen geschützt ist.

Energetische Optimierung

Die Aluminiumprofile der Bestandsfassade waren noch nicht thermisch getrennt, der Uf-Wert entsprechend schlecht. Die Verglasung bestand aus Zweifach-Isolierglas, Drexler schätzt den Ug-Wert auf ca. 1,5 W/m²K. Bei den neuen hochwärmegedämmten Aluminiumprofilen handelt es sich um eine Sonderkonstruktion in Anlehnung an die Elementfassade Wictec EL60 von Wicona. Für die Scheiben gibt Dipl.-Ing. Drexler einen Ug-Wert von 1,1 W/m²K an, für das Fassadenelement einen Ucw-Wert von 1,4 W/m²K. Damit die Wictec EL 60 Profile die notwendigen Trägheitswerte für die Windlasten aufwiesen, mussten die Pfosten-Riegelprofile speziell gepresst werden. Sonderkonstruktion ist darüber hinaus auch der Einbau einer Aufnahme für die Lisenenprofile, die als Führung für die Fassadenbefahranlage genutzt wurden. Die Isolierglasscheiben sowie die Brüstungsscheiben werden über Glasleisten im Rahmen gehalten, eine Klebung gemäß ETAG 002 wurde nicht ausgeführt.

Die Sanierung bei laufendem Betrieb

Für die rund 820 Beschäftigten wurde während der Sanierungsarbeiten im alten Thyssenkrupp-Hochhaus an der Alleestraße eine Interimslösung gefunden. Allerdings ging der Umzug nur in Etappen über die Bühne. Der logistische Aufwand dahinter war enorm. Schließlich mussten die Mitarbeiter mitsamt ihren Unterlagen umgezogen werden. Die Belegschaft im 3. und 4. Stock hat den Anfang gemacht. In der Regel wurden drei bis vier Stockwerke geräumt. Während in einer Etage die Fassadenelemente demontiert und erneuert wurden, organisierte eine Spezialfirma im Stockwerk darüber die Asbestsanierung. Diese war auch der Grund, weshalb eine Fassadensanierung bei laufendem Bürobetrieb nicht möglich war. Projektleiter Drexler erläutert: „Damit der Asbest entfernt werden konnte, musste ein Schwarzbereich mit Schleusen und Unterdruck eingerichtet werden.“

Die Fassadenelemente wurden in einen Schlitten eingehängt und über einen Aufzug in der Lisene hochgezogen. „Pro Tag wurden an der Hochhausfassade acht bis zehn Scheiben- und Brüstungselemente ausgetauscht“, erklärt Pflüger. Mit der Montage eines Elements waren jeweils zwei Monteure in der Arbeitsbühne beschäftigt und zwei weitere im Gebäude. Befestigt wurden die Elemente an einem Stahlrohr an der Bestandsfassade. An diese Rohre wurden Konsolen montiert, in die die Rahmenelemente mit einem Nutenstein eingehängt wurden. Zur weiteren Befestigung begrenzte den Elementrahmen eine Aluöse, die sich zugleich für den Transport verwenden ließ.

Die neue Fassade ragt um 250 mm weiter nach außen, zwischen der Bestandsfassade und der sanierten Etage tut sich ein Spalt auf. „Damit es nicht ins Gebäude regnen konnte, mussten die neu montierten Elemente schnell provisorisch abgedichtet werden“, sagt Pflüger. Im Innenausbau ergab sich eine erweiterte Laibung.

Um die Elemente und die Fassade abzudichten und eine gesicherte Wasserableitung in jeder Dichtungsebene zu erreichen, wurden innenliegend sowohl horizontal als auch vertikal Dehnfugendichtungen eingesetzt, außenliegend wurde vertikal und horizontal ein überlappender Dichtungsrahmen verwandt. Darüber hinaus wurde geschossweise mit einer horizontal verlaufenden Satteldichtung abgedichtet.

Baustellenalltag — Wind messen

Der Wind hat im Jahr 2014 für Ausfälle gesorgt. „Teils waren wir bis zu einer Woche blockiert“, berichtet Pflüger. Bei welcher Windstärke die Fassadenmonteure nicht mehr arbeiten dürfen, hat nach Angaben der BG Bau jeder Bauaufsichtsführende in seiner Gefährdungsbeurteilung stehen. Bei der Berechnung der noch zulässigen Windgeschwindigkeit wird Größe und Gewicht der Fassadenelemente sowie die Höhe über Grund mit einbezogen.

Beim Bominhaus bestimmten andere Faktoren den Grenzwert der Windgeschwindigkeit. Drexler erklärt: „Die zweigeschossigen Seilarbeitsbühnen mit einer Breite von 12 m und einer Höhe von 3,5 m mussten wegen der Asbestsanierung mit Folien komplett verschlossen werden.“ In Konsequenz war die Angriffsfläche für Winddruck und -sog entsprechend groß. Da die Seilarbeitsbühnen an den Lisenen der Fassadenbefahranlage geführt wurden, wurde aus der maximal über die Lisenen abzutragenden Last die maximale Windgeschwindigkeit zurückgerechnet, bei der noch Montagearbeiten zulässig waren. Nach Information von Pflüger wurden die Arbeiten eingestellt, sobald der Windmesser über 28 km/h angezeigt hat.

Fazit

Mit innovativer Entwicklungsleistung sowohl für Systemprofile als auch für Isolier- und Brüstungsglas lässt sich eine Ganzglasfassade in der Größe des Bominhauses ohne auffällige Änderungen in der Architektur sanieren. Ausgeklügelte technische und logistische Möglichkeiten machen selbst die Modernisierung eines Hochhauses bei zumindest teilweise noch laufendem Betrieb möglich.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2023

Martin Drexler von Schindler

„Holz verzeiht keine Fehler!“

metallbau: Herr Drexler, Ihr Unternehmen hat bereits 2009 ein Patent für eine Hybrid-Elementfassade aus Holz und Aluminium angemeldet und 2020 auf den Markt gebracht; Sie bauen das Element aber...

mehr
Ausgabe 04/2023

Im Trend Alu-Holz

Je mehr Holz, desto nachhaltiger

Das Bewusstsein von Bauherren und Architekten für eine nachhaltige Bauweise ist in den letzten Jahren gestiegen; nur bei der Umsetzung hapert es noch vielerorts. Seitdem die Finanzierung großer...

mehr
Ausgabe 03/2017

Fassadensanierung EnBW

Das 5.000-Teile-Puzzle

Die EnBW in Karlsruhe zählt zu den drei größten Stromkonzernen Deutschlands. Das Unternehmen steht permanent unter Beobachtung der Öffentlichkeit und darf sich keine peinlichen Pannen erlauben...

mehr

Fassadenbauer bei Wicona in München

Sapa Building Systems hatte ins „Werk 3“, 6. Stock – ein ehemaliges „Pfanni“ Produktionsgebäude auf dem Gelände des früheren Münchner Kunstparks Ost eingeladen. In den nächsten Jahren wird...

mehr
Schule im Schweizerischen Horw

Sanierung mit High-Tech-Fassade

Die farbige Glas-Fassade sorgt räumlich für eine freundliche Atmosphäre der Schule. Neu sind eine Mensa und eine Aula mit Platz für bis zu 200 Personen. Schulleiter Thomas Hediger lobte die für...

mehr