Merkle Metallbau
Stefan Roider lebt seinen TraumWährend Stefan Roider bei Merkel Metallbau in Chur drei Jahre lang als Monteur arbeitete, fiel er seinem Chef auf. Auf der Suche nach einem Nachfolger gründete Toni Merkle mit Roider eine AG; jeder besaß die Hälfte der Anteile. Seit 2019 leitet der heute 40-Jährige als alleiniger Inhaber die Geschäfte und ist bei der Umsetzung seiner Träume sehr erfolgreich.
Es erinnert an eine Szene aus dem Aktionfilm Mission Impossible, als am Nachmittag des 22. November 2022 ein Helikopter auf der Burg Neu-Aspermont landen will, um eine Wendeltreppe aus Stahl abzuladen. Es gab zwar keine tollkühnen Verfolger, aber in die Rolle der Bösewichte schlüpften bei diesem Manöver im Churer Rheintal die Abwinde, die den Landeanflug erschwerten und dafür sorgten, dass es doch etwas schepperte. „Zu Bruch ging nichts, aber die ganze Sache war schon nicht ganz ungefährlich“, erinnert sich Stefan Roider. Der Chef von Metallbau Merkle hat diesen ganz speziellen Auftrag ergattert, auch weil der Baumeister des Burgenvereins die Firma aus Graubünden empfohlen hatte. Bis abends um 8 Uhr dauerte das recht knifflige Unterfangen, bis die feuerverzinkte Wendeltreppe an der Burgmauer der Ruine aus dem Hochmittelalter, befestigt war. Denn man musste ungeplant zwischenlanden und das mit Kunststoffplatten bestückte Dach in Höhe von 900 Meter ü.d.M. abmontieren, weil trotz des speziell für die Aktion ausgesuchten Helikopters es nicht gelang, die Treppe im Ganzen abzuladen.
Die Architekten des Sanierungsprojekts Burg Neu-Aspermont, Jonger Architekten + Städtebau mit Michele Vassella Architekt, erhielten für ihre Umsetzung in Stahl dieses Jahr vom Industrieverband Feuerverzinken den Verzinkerpreis in der Kategorie Metallgestaltung; Handwerker wie Metallbau Merkle, die die Ausführung der prämierten Projekte verantworten, erwähnt der Düsseldorfer Fachverband leider nicht.
Bei der Montage vor Ort mit dabei zu sein, ist für Stefan Roider wichtig, schließlich war er selbst mal Monteur. Und zwar bei der Firma, deren Inhaber er heute ist. Nach seiner Ausbildung zum Metallbauer, der Berufsmatura und einem Jahr Militärdienst hatte er drei Jahre lang als Monteur bei Merkle Metallbau gearbeitet. Während dieser Zeit hatte er so einen starken Eindruck hinterlassen, dass ihn Toni Merkle anrief und zu einem Kaffee einlud, um ihm den Vorschlag zu unterbreiten, seine Firma zu übernehmen. Das war 2012. Damals war Stefan Roider damit beschäftigt, an der Schweizerischen Metallbautechnikerschule SMT Basel die Weiterbildung zum Metallbaumeister und -techniker zu absolvieren. Bevor es „ernst wurde“ mit dem Kauf des Betriebs, arbeitete er für Wüst Metallbau als Projektleiter.
Toni Merkle hatte 1978 die Firma F. Trippel in Chur übernommen, die seit der Insolvenz still lag. Ursprünglich war diese im Eisenbau tätige Firma 1873 gegründet worden. Toni Merkle baute die Firma wieder auf und stellte 15 Mitarbeiter an. Mit Swisscom und der Schweizer Post konnte er einige große Kunden gewinnen. Roider erzählt, dass der Name Merkle Metallbau schon damals dafür bekannt war, gute Qualität zu liefern – wenn auch zu einem etwas höheren Preis. Über seinen damaligen Chef sagt er: „Er hatte ein Gespür dafür, wer gut in seinem Metier ist, und hat solche Leute um sich geschart.“ So hatte er auch in Stefan Roider Qualitäten erkannt, die ihn seiner Meinung nach als Nachfolger prädestinierten. 2014 haben die beiden zusammen eine neue AG gegründet, die ihnen zu gleichen Teilen gehörte und Roider übernahm die Geschäftsleitung. In den darauffolgenden fünf Jahren hat er mit Hilfe der Dividenden sukzessive weitere zehn Prozent der Firma übernommen. Seit 2019 ist der heute 40-Jährige alleiniger Geschäftsinhaber. Da es ihm nicht wichtig war, dass die Firma nach ihm benannt wird, firmiert sie weiter unter Merkle Metallbau.
Mut zur Komplexität
Stefan Roider hat Freude an komplexen Aufträgen; und mit seinem Team ist er in der Lage, diese „oft kniffligen und dadurch schönen Arbeiten ausführen zu können“. Stolz ist er auf ein Projekt, das sein Finale am Tag nach dem Presseinterview hatte: Für den Auftraggeber Rhätische Eisenbahn fand in der Nacht des 27. August die Montage eines verglasten Lichtturms aus Stahl statt – inklusive einer Passerelle, über die man von der Bahnstation in ein Einkaufszentrum in Chur gelangt. Auf den Termin hatte man vier Monate lang hingearbeitet – eine relativ kurze Zeitspanne für die Planung und den Bau der Stahlkonstruktion. Die Bahn stand für sieben Stunden still und der Firmenchef ließ es sich nicht nehmen, beim letzten Akt dabei zu sein. Auch Vertreter der Stadt und das Regionalfernsehen waren auf der Baustelle. „Auf dieses Projekt bin ich schon stolz; Toni Merkle wäre so etwas nie angegangen, aber mein Team und mich spornen solche herausfordernden Projekte an und machen uns Freude“, so der Firmenchef, der ohne überheblich zu klingen von sich sagt, dass er viel mehr Mut habe und viel mehr Interesse an der technischen Ausführung.
Den Willen, vielseitige und anspruchsvolle Projekte zu stemmen, machen den Betrieb attraktiv für den Nachwuchs. Unter den 50 Mitarbeitern sind zehn Auszubildende, acht in der Werkstatt und zwei im Büro. Auch wenn sein Fokus nicht darauf liegt zu wachsen, hat sich unter seiner Leitung die Mitarbeiterzahl verdoppelt und der Umsatz verdreifacht. 2024 hat das Unternehmen 13 Mio. CHF erwirtschaftet.
Merkle Metallbau hat sich in Chur und Umgebung inzwischen einen guten Ruf für komplexe Projekte erarbeitet – wie mit dem Projekt für die Rhätische Eisenbahn. Auch bei einer Weltneuheit im Bereich der Bergbahnen hat Merkle Metallbau mitgewirkt: der Gondelbahn FlemXpress beziehungsweise der dafür neu errichteten Bergstationen im Gebiet Cassons, einem Gebirgsgrat im Schweizer Kanton Graubünden. Für die Gondelbahn der Weisse Arena Bergbahnen, die das Wander- und Skigebiet sowie das UNESCO-Weltkulturerbe Tektonikarena Sardona erschließt, wurde eine Betriebstechnologie namens Ropetaxi erfunden. Für das 90-Millionen-Projekt wurde Merkle Metallbau mit der Ausführung der Streckmetallfassade der Bergstationen beauftragt sowie der Toranlagen auf 2.800 Meter Höhe. Die Tore, die sich auf Knopfdruck automatisch öffnen und schließen lassen und so verhindern, dass Schnee in die Station eindringt, wurden von Roiders Team bereits 2015 entwickelt und bei einer anderen Bergstation im Gebirgspass La Siala eingebaut. In Cassons wurden nun letztes Jahr fünf solcher Falttoranlagen mit einer Beplankung aus Holz eingebaut. Das Auftragsvolumen für die Fassade betrug 3,2 Mio. Euro, allein die Toranlagen kosteten 1,7 Mio. Euro.
Firmenzentrale als Showroom
Ein wichtiger Meilenstein in der Firmengeschichte ist der Neubau und Bezug der neuen Firmenzentrale in Trimmis. Stefan Roider stammt aus dem Ort, sechs Kilometer nördlich von Chur; dass er aber ausgerechnet dort das Bauland für seinen Neubau erwerben konnte, war für ihn ein glücklicher Zufall. Er war drei Jahre lang auf der Suche in Chur, bevor ihm das 5.000 Quadratmeter große Grundstück angeboten wurde. Der Grundstückseigentümer war auch Architekt der neuen Firmenzentrale; er wollte im Gegenzug für den Verkauf bei dem Bauvorhaben mitwirken. Allerdings waren es hauptsächlich die Ideen von Stefan Roider selbst, die im Neubau verwirklicht wurden.
„Schon bevor ich den Vertrag für das Bauland unterzeichnet habe, habe ich gewusst, dass ich für die Blech-Fassade Permalux-Aluminiumbleche P2 verwenden werde, weil diese mit ihrer eloxierten Oberfläche schön schimmern“, erinnert sich Roider. Und wie die Fassade aussehen sollte, dafür kam ihm die Idee in der Nacht. Am Morgen stand er auf, nahm sich ein Stück Papier und hat es so gefaltet, wie er die Fassade aus gekanteten Blechen vor sich sah. Mit seinem Papiermodell ging er zum Planer. Dessen spontane Reaktion war: „Du spinnst ja!“. In Architekten-Manier bestand Metallbauer Roider auf seinen Entwurf und hat ein Muster im Verhältnis 1:5 erstellen lassen. „Denn durch die Abkantungen im Blech schimmert es noch mehr und am Ende hat es einfach genial ausgesehen.“ Obwohl die Umsetzung seiner Träume doch einiges an Engagement abverlangt hat, erzählt er mit sehr sachlicher Stimme davon.
2020 war das Grundstück gefunden und gekauft, ein Jahr später die neue Unternehmenszentrale fertiggestellt. Nicht nur das Dach und die Außenfassade wurden nach den Ideen von Stefan realisiert, auch die Innenausstattung wurde nach seinen Plänen ausgeführt. Und auch wenn der Neubau nicht explizit als Showroom konzipiert war, fungiert er doch als solcher. Das Team rund um den Kreativchef und Inhaber in Personalunion hat sich sichtlich ausgelebt.
Realisiert wurden unter anderem Verglasungen mit filigranen Stahlprofilen, Oberlichtverglasungen aus Aluminium, eine Wendeltreppe aus Stahl mit warmgenietetem Messing-Handlauf, ein Stahlofen für den Besprechungstisch, ein Treppengeländer aus Schwarzblech. Die Kunden lassen sich von der Architektur und Einrichtung inspirieren. „Ein Kunde, der hier einen Tischfuß gesehen hat, wollte genau einen solchen von uns haben.“ So dient der Hauptsitz durchaus als Referenzobjekt, das ganz konkret zu neuen Aufträgen führt.
12 Millionen CHF hat Roider in den Neubau ohne Grundstück investiert – und es gab durchaus Leute, die darüber den Kopf geschüttelt und gesagt haben, „der spinnt“, erzählt er. Denn angeblich hätte man auch für die Hälfte ein Betriebsgebäude haben können.
Der Drang zum „Tüfteln“
Dass andere Leute über ihn den Kopf schütteln, ist er mittlerweile gewohnt. Schon als er noch Schüler war, wussten manche nichts mit seiner Kreativität und dem Drang zum Tüfteln anzufangen. Er selbst bezeichnet sich als Freak, wenn es um Metallbau geht. Er sagt: „So wie andere von Autos fasziniert sind, schaue ich mir Metallbauarbeiten und Brücken an und wie diese früher gebaut wurden. Durch das Warmnieten schuf man unlösbare Verbindungen wie man sie beispielsweise auch für den Bau des Eifelturms nutzte.“ Eine familiäre Prägung gibt es nicht; sein Vater war Oberpfleger in einem Spital, seine Mutter Lehrerin. Und seine Lehrer in der Kantonsschule hätten es gerne gesehen, wenn er studiert hätte und ebenfalls Lehrer geworden wäre. Doch er findet es spannender, ein Geländer zu entwickeln, das rein gar nichts mit 08/15 zu tun hat: „Wenn man an so etwas tüftelt, hat man mehr Freude am Ergebnis“, so sein Credo. Diese Leidenschaft bis ins letzte Detail ist es auch, die seine Kunden schätzen.
„Wir sind stark in der Planung und im Service. Es wird an uns geschätzt, dass wir komplexe Projekte kalkulieren können und ganz am Schluss noch die letzten zehn Prozent mitgehen. Eine Tür, die nicht ganz schließt, oder eine Schraube, die nicht festgezogen ist – so etwas gibt es bei uns nicht“, so Roider. Und so kommt es, dass Merkle Metallbau Ausschreibungen gewinnt, obwohl sie 20 Prozent höher im Preis liegen als der zweitplatzierte Mitbewerber. Das hat man ihm jedenfalls so gesagt – beispielsweise beim Zuschlag für die Treppe, die in die Burg Neu-Aspermont eingebaut wurde, und im Ausschreibeverfahren für das Innovationszentrum InnoQube Switzerland in Chur; ein Projekt, bei dem der Investor aus Liechtenstein stammte. Das übergroße, automatisierte Drehflügeltor in einer pulverbeschichteten, orangenen Farbe ist neun Meter hoch, ein Flügel ist 3,80 Meter breit und wurde von Merkle konzipiert, hergestellt und im Juli 2023 eingebaut.
Ausblick
Expandieren steht nicht auf der To-do-Liste. „Wir wollen nicht wachsen, sondern die Qualität hochhalten und gute Arbeitskräfte ausbilden“, betont Roider. Er ist stolz darauf, dass junge Metallbauer von sich aus bei ihm anfragen. Der Unternehmer zweifelt am Schulsystem, das ihm damals geraten hatte, etwas anderes zu machen als Metallbau. „Wenn man will, kann man im Handwerk viel erreichen. Wichtig ist, dass man hinter dem steht, was man macht.“