Statt Synagoge Kulturforum

Sieben Jahre für historische Fenstersanierung

Progrome und Weltkriege hat sie nahezu unbeschadet überstanden, nicht jedoch Vandalismus und mangelnden Bauunterhalt in den Jahrzehnten danach: Die Synagoge in Görlitz. Nun sichert die Nutzung als Kulturforum dem Baudenkmal seinen Bestand. 65 Bleiglasfenster hat Glaskunst Buhlig in Schwarzenberg mit dem Stahlsystem Janisol Arte 2.0  rekonstruiert.

Die Liste der Baudenkmale der Stadt Görlitz ist lang: Sie umfasst mehr als 3.400 Gebäude. Eines der prominentesten davon ist die zwischen 1909 und 1911 errichtete Synagoge. Mit ihrer flachen Stahlbetonkuppel und der Stahlskelettkonstruktion des mächtigen Turmes zählt sie zu den ersten Monumentalbauten, die die ingenieurstechnischen Möglichkeiten des noch jungen Stahlskelettbaus ausreizten. So verwundert es nicht, dass die Synagoge bereits zu DDR-Zeiten als Denkmal anerkannt war – wenn auch nicht mehr zu religiösen Zwecken genutzt. Die daraus resultierende Bauvernachlässigung und Vandalismus führten im Lauf der Jahrzehnte zu enormen Schäden. Zur Wende 1989/90 war das Gebäude baufällig, die Dächer eingestürzt und auch die große Kuppel drohte einzufallen.   

Die Wende forcierte die Sanierung

Doch mit dem politischen Wandel begann auch für die Synagoge eine neue Zeit. Anfang der 2000er-Jahre wurde sie vom einfachen Baudenkmal zum „national bedeutsamen Denkmal“ eingestuft und erfüllte damit die Voraussetzung für den Erhalt von Fördermitteln des Bundes und des Landes Sachsen. Auch die Altstadtstiftung Görlitz, die Deutsche Sparkassenstiftung, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und private Spender unterstützten die Sanierung über die Jahre hinweg. „Denkmalpflegerische Zielstellung war es, ein Maximum an Bausubstanz zu erhalten oder originalgetreu zu rekonstruieren“, erläutert Peter Mitsching, seinerzeit Leiter der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Görlitz. Was sich bei den Fenstern als besonders schwierig erwies: Sie waren völlig zerstört und zur Sicherung des Gebäudes teilweise sogar vermauert. „Zwei Eimer voller Scherben waren alles, was wir von den Fenstern sichern konnten“, so Mitsching. Auch die Entwürfe des damaligen Glaskünstlers waren verloren gegangen. Im städtischen Archiv fanden sich schließlich einige Schwarz-Weiß-Fotos, aus denen die Fensterteilung und Farbverteilung erkenntlich waren – nicht aber deren ursprüngliche Farbigkeit. 

Vielfältige Fensterformate

Am Gebäude findet sich eine Vielzahl von Fensterformaten: große geteilte Fenster, die über die gesamte Saalhöhe reichen, und kleinere rechts und links der Frauenempore. Diese Fenster beginnen im Erdgeschoss und werden auf der Höhe der Empore fortgeführt. Dazu kommen ein riesiges Bogenfenster im Giebelfeld der Frauenempore, die Fenster im Sitzungsraum hinter dem großen Kuppelsaal sowie die Fenster in den Treppenhäusern. Sie alle wurden Stück für Stück als Unikat gefertigt und eingebaut. Von der Sprossenteilung her sind die rekonstruierten Fenster identisch mit den originalen Entwürfen: Sie zeigen beidseits rechts und links ein Ornamentband und im oberen Teil ein Achteck, das mittels einer Bleiverglasung unterteilt ist. „Da wir die Originalfarbgestaltung nicht mehr nachvollziehen konnten, waren wir gezwungen, einen neuen Farbentwurf in die alte Gliederung einzubringen,“ so Mitsching. Demnach weisen das Ornamentband und auch das Achteck kräftigere Farbtöne auf als die Innenflächen. Alle Farben wurden mittels „Schwämmeln“ auf das Glas aufgebracht und eingebrannt, wodurch die Scheiben optisch altern.

Besonders stolz ist Mitsching darauf, dass man die Erinnerung an den einstigen Glasgestalter aufrechterhalten konnte: „Aus den zwei Eimern Bruchstücke konnten wir zwei kleine Teilflächen rekonstruieren, die wir mit dem Hinweis, dass es sich dabei um Reste der Originalverglasung handelt, im unteren Bereich eines der Fenster eingebaut haben.“ Die Fragmente der zerstörten Bleiverglasungen im neuen Bleiglasfenster vermitteln dem Betrachter ein authentisches Bild der historischen Farbigkeit.

Wiedereröffnung als Kulturzentrum

Im Dezember 2021 wurde die Synagoge als Europäisches Kulturzentrum wiedereröffnet. Mit einem breiten Angebot an Veranstaltungen unterschiedlicher Art soll sie sich zu einem regional wie überregional wirksamen Ort der gesellschaftlichen Begegnung, des kulturellen Angebots und des Gesprächs entwickeln – ohne dass ihr religiöser Ursprung und ihre wechselvolle Geschichte dabei in Vergessenheit geraten.

www.jansen.com

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