F. Regazzi, Politiker & Unternehmer
„Es braucht Kompetenz & gesunden Menschenverstand!“Fabio Regazzi leitet die Regazzi-Gruppe mit Sitz in Gordola im Kanton Tessin. Zum Konzern gehören diverse Teilgesellschaften, die sich mit Segmenten des Metallbaus beschäftigen – beispielsweise mit Fenstern, Türen, Fassaden, Rollläden, Sonnenschutz, Garagentoren, Briefkästen und Smart-Home-Systemen. Ebenso angeschlossen an die Gruppe ist eine Firma für Lackierungen und Blechverarbeitung. Regazzi, Mitglied der Partei „Die Mitte“, sitzt seit vielen Jahren im Schweizer Bundesparlament; aktuell ist er zudem im Ständerat für den Kanton Tessin aktiv.
metallbau: Herr Regazzi, Sie sind Politiker und gleichzeitig Unternehmer mit mehreren Betrieben. Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Politik und Unternehmensführung?
Fabio Regazzi: Der Spagat gelingt durch klare Prioritäten und eine straffe Organisation. Ich kann auf ein sehr zuverlässiges und kompetentes Team zählen, das mich tatkräftig unterstützt. Das ist einer der Schlüssel guter Führung: delegieren können und Vertrauen haben. Hinzu kommen meine Erfahrung und vor allem die Leidenschaft, mit der ich sowohl Politik als auch Unternehmertum betreibe.
metallbau: Welche Erfahrungen machen Sie als Jurist bei der Führung von ausführenden Handwerksbetrieben? Ihr Know-how liegt ja in einem anderen Fachbereich?
Regazzi: Als Anwalt und Notar profitiere ich besonders bei Vertragsgestaltung, Compliance, Risikoabschätzung und in Verhandlungsprozessen. Natürlich verlasse ich mich bei technischen Fragen wie alle anderen auf ausgewiesene Fachleute. Mein juristischer Hintergrund verschafft mir jedoch vertiefte Kenntnisse in rechtlichen und unternehmerischen Fragestellungen. Entscheidend sind aber vor allem meine Kompetenzen als Unternehmer und der gesunde Menschenverstand – nicht allein die akademische Ausbildung.
metallbau: Welche politischen Einsichten, vor allem seit 2019, prägen Ihre Entscheidungen für die Teilgesellschaften der Regazzi-Gruppe?
Regazzi: Neben Themen wie Versorgungssicherheit, Energiepolitik und Fachkräftemangel ist für mich die Bekämpfung der überbordenden Bürokratisierung zentral. Zu viel Verwaltung lähmt die Wirtschaft. Deshalb setzen wir auf schlanke Prozesse, regionale Wertschöpfung und auf die Zukunftssicherheit unserer Unternehmen.
metallbau: Ihre Gruppe befasst sich mit dem Bau und der Montage von Türen, Fenstern, Fassaden, Rollläden sowie mit dem Einbau von Garagen, der Gebäudeautomation und der Beschichtung von Bauelementen? Wie ergänzen sich diese Betriebe und welche Strategie steckt dahinter?
Regazzi: Die Betriebe sind so aufgestellt, dass sich Produktion, Montage und Oberflächenbehandlung ideal ergänzen — von der Fertigung bis zur schlüsselfertigen Übergabe. Diese vertikale Integration erhöht Qualität, Termintreue und Servicefähigkeit; strategisch setzen wir auf Komplettlösungen für Bauherren und Architekten.
metallbau: In welchen Marktsegmenten sehen Sie aktuell die größten Wachstumschancen im konstruktiven Metallbau in der Schweiz? Welche stagnieren und bei welchen registrieren Sie in Ihrer Unternehmensgruppe rückläufige Zahlen?
Regazzi: Die größten Chancen sehen wir derzeit im Bereich der Sanierungen und der städtischen Quartierserneuerung – immer mit einem klaren Fokus auf die energetische Effizienz von Fassaden und Fenstern. Der Neubausektor entwickelt sich je nach Region sehr unterschiedlich und bei öffentlichen Bauten stellen wir eine leichte Investitionszurückhaltung fest, die im Zusammenhang mit der aktuellen finanziellen Lage steht. Im Renditewohnungsbau führen hoher Kostendruck und enge Zeitpläne dazu, dass zunehmend günstigere, modulare Lösungen aus dem Ausland eingesetzt werden, die zu einer stärkeren Konkurrenz führen. Im Vergleich zu Deutschland war der Rückgang im Schweizer Bauwesen zwar weniger stark, doch auch bei uns ist eine gewisse Kontraktion spürbar. Das hat zur Folge, dass beispielsweise die deutsche Industrie alternative Absatzmärkte sucht und verstärkt in die Schweiz drängt – was den Wettbewerb verschärft und den Preisdruck erhöht.
metallbau: Der Markt der D-A-CH-Region wächst zusammen. Welche spezifischen Stärken und Herausforderungen sehen Sie für Schweizer Metall-/Fassadenbauer im Vergleich zu Nachbarländern wie Deutschland oder Italien?
Regazzi: Unsere Stärken liegen in Präzision, Zuverlässigkeit und hohem Qualitätsbewusstsein. Die Herausforderung sind höhere Kosten und engere Margen. Gleichzeitig können Schweizer Unternehmen dank ihrer hohen technischen Kompetenz eine wichtige Rolle spielen, wenn es um spezifische Lösungen in Projekten mit besonderen Anforderungen geht. Diese ingenieurtechnische Agilität eröffnet interessante, gut bezahlte Nischen, die die große ausländische Industrie kaum abdeckt, da sie stärker auf Standardisierung und Massenproduktion ausgerichtet ist.
metallbau: Welche technologischen Entwicklungen – etwa Automatisierung, Digitalisierung oder neue Materialien – verändern die Branche am stärksten?
Regazzi: Automatisierung in der Fertigung, digitale Planungs- und Projekttools, IoT/Smart-Building-Integration sowie neue, leichtere und recyclingfähige Werkstoffe. Ebenso wichtig sind CAD/CAM-Prozesse und die Digitalisierung der Montage-Prozesse, z. B. mobile Apps für Qualitätskontrolle und Dokumentation.
metallbau: Sind Betriebe in der Schweiz bei bestimmten Objekten, z.B. bei öffentlichen Ausschreibungen bereits zur BIM-Arbeitsweise verpflichtet? Was halten Sie von einer solchen gesetzlichen Vorgabe, um BIM voranzutreiben?
Regazzi: Teilweise verlangen öffentliche Auftraggeber inzwischen BIM-Modelle als Teil der Ausschreibungsunterlagen; eine flächendeckende gesetzliche Pflicht existiert nicht. Ich stehe einer verpflichtenden Einführung differenziert gegenüber: sie kann die Zusammenarbeit und Qualität stark verbessern, verlangt aber auch Ressourcen und Know-how, deshalb braucht es Übergangsfristen, Fördermaßnahmen und praxisnahe Standards. In unserer Gruppe nutzen wir BIM-Tools vor allem in Planung und Schnittstellenkoordination bei komplexeren Projekten. Auf jeden Fall wird die zunehmende Nutzung von BIM in komplexen Projekten den beteiligten Akteuren helfen, die Projektkosten zu senken (weniger Fehler und weniger Unvorhergesehenes) und die Qualität zu steigern (mehr Präzision und besseres Koordinieren). Das erstellte Bauwerk wird zudem über seinen Lebenszyklus hinweg besser bewirtschaftet werden können – mit Vorteilen für Wartung und spätere Sanierungen.
metallbau: Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft gewinnen im Bauwesen an Bedeutung. Wie setzen Sie diese Themen in Ihrer Gruppe um und welchen Einfluss haben sie auf die Wettbewerbsfähigkeit? Gibt es für Aluminium und Stahl bereits geschlossene Kreislaufsysteme in der Schweiz?
Regazzi: Wir achten zunehmend auf Materialeffizienz, Wiederverwendbarkeit und die Nutzung von Recyclingaluminium/-stahl. Vollständig geschlossene Kreisläufe sind in der Schweiz noch in Entwicklung, doch Recyclinginfrastrukturen und Materialrücknahme werden ausgebaut — das stärkt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit, weil Kunden und Auftraggeber Nachhaltigkeitsnachweise erwarten.
metallbau: Waren Ihre Unternehmen in Ausschreibungen bereits mit der Frage nach einem ESG-Bericht konfrontiert? Wie haben Sie sich organisatorisch aufgestellt, um solche Anforderungen effizient zu erfüllen?
Regazzi: Ja — größere Auftraggeber fragen zunehmend ESG-Aspekte ab. Organisatorisch haben wir Prozesse für Daten- und Nachweisführung implementiert (z. B. Materialnachweise, Energieaufzeichnungen, Arbeits- und Compliance-Standards) und arbeiten daran, Reporting schlank und automatisierbar zu gestalten.
metallbau: Welche politischen Rahmenbedingungen sind für die Metall-/Fassadenbau- und Bauzulieferbranche in der Schweiz aktuell entscheidend?
Regazzi: Zugang zu Fachkräften, Energiepolitik, Bau- und Planungsvorschriften, Zoll- und Handelsbedingungen sowie Förderinstrumente für Innovation und Klimamaßnahmen sind für unsere Branche zentral. Ebenso wichtig sind stabile Rahmenbedingungen für KMU und eine einfache administrative Handhabung von Ausschreibungen.
metallbau: Wie schätzen Sie die Regulierungsdichte im Vergleich zur EU ein – eher als Chance oder als Belastung für Schweizer Unternehmen?
Regazzi: Für mich ist klar: Zu viel Regulierung ist immer schädlich. Sie nimmt den Unternehmen Flexibilität, bremst Innovation und belastet vor allem KMU mit unnötigem administrativem Aufwand. Natürlich braucht es auch Regulierung, um Wettbewerbsvorteile zu schaffen, aber zu viel Komplexität belastet KMU. Entscheidend ist, dass Vorschriften verhältnismäßig, umsetzbar und mit klarer Übergangsfrist ausgestaltet werden.
metallbau: Welche politischen Maßnahmen oder Förderinstrumente wären aus Ihrer Sicht notwendig, um Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit weiter zu stärken? Die Schweizer Baukonjunktur ist unter dem Strich nur marginal besser. Vom Abschwung seit 2018 erholt sie sich seit 2024 nur langsam.
Regazzi: Gezielte Förderungen für Technologie- und Digitalisierungsvorhaben, Aus- und Weiterbildungsprogramme für Fachkräfte, steuerliche Anreize für Investitionen in Energieeffizienz sowie vereinfachte Zugänge für KMU zu Pilotprojekten und öffentlichen Aufträgen wären wirksam. Ebenso hilfreich sind Partnerschaften zwischen Forschung, Ausbildungsstätten und Industrie.
metallbau: Ihre Unternehmensgruppe ist auch in den Bereichen Sonnenschutz und Garagentore aktiv. Wie entwickelt sich dieser Markt aktuell in der Schweiz?
Regazzi: Beim Sonnenschutz sehen wir Nachfrage nach energieeffizienten, designorientierten und automatisierbaren Lösungen. Der Garagentormarkt ist segmentiert: während Standardprodukte Preisdruck erfahren, bleibt für hochwertige, sichere und smart steuerbare Lösungen die Nachfrage bestehen.
metallbau: Welche Trends beobachten Sie bei den Kunden – stärkeres Designbewusstsein, Energieeffizienz oder smarte Steuerungssysteme, insbesondere im Tor-, Fassaden- und Fensterbau?
Regazzi: Alle drei Trends laufen parallel: Kunden verlangen zunehmend energieoptimierte Lösungen (Wärmeschutz, Verschattung), ein stärkeres Designbewusstsein (ästhetische Integration) und smarte Steuerungen, die Komfort und Energieeinsparung verbinden.
metallbau: Der Wettbewerb durch günstigere Importprodukte wächst. Welche Chancen haben Schweizer Qualitätsanbieter, sich hier zu behaupten?
Regazzi: Die Chancen bestehen darin, mit Qualität, Termintreue und normkonformer Ausführung zu überzeugen. Hinzu kommt die Fähigkeit, in Projekten mit besonderen Anforderungen maßgeschneiderte Lösungen zu bieten. Genau hier können Schweizer Anbieter ihre technischen Kompetenzen ausspielen: Diese Agilität ermöglicht es, Nischen zu besetzen, die für die große, auf Standardisierung ausgerichtete Industrie im Ausland kaum interessant oder profitabel sind. Die Herausforderung ist, diese Vorteile klar zu kommunizieren und zugleich effizient zu produzieren.
metallbau: Wenn Sie jungen Unternehmerinnen und Unternehmern im Metallbau einen Rat geben müssten – welcher wäre das?
Regazzi: Investiert früh in gute Prozesse, in die Aus- und Weiterbildung eurer Mitarbeitenden und setzt auf Nischenkompetenz (z. B. Energieeffizienz, Sonderlösungen). Pflegt Beziehungen zu Planern und Bauherren — Reputation und Verlässlichkeit sind langfristig euer wichtigstes Kapital.
metallbau: Der Markt der Unternehmen im Metall-/Fassadenbau konsolidiert sich, die landeseigenen Stahlproduktionen in den D-A-CH-Ländern sind rückläufig. Über das Ausmaß dieser Schrumpfung wird aktuell verhandelt. Welche Prognose stellen Sie?
Regazzi: Ich erwarte weitere Konsolidierung: kleinere Produzenten geraten unter Druck, während größere, integrierte Anbieter Skalenvorteile nutzen. Die Verfügbarkeit von nachhaltig produziertem Stahl wird ein strategischer Faktor — wer früh auf Recycling und CO2-ärmere Produktion setzt, wird sich besser positionieren.[Link auf https://]