Interview

 Christian Neumaier & Hildegard Rasthofer

„Es geht uns um Grenzüberschreitung!“

Christian Neumaier und Hildegard Rasthofer

über Kunst, Privates und ihre Suche nach Perfektion.

metallbau: Frau Rasthofer, Herr Neumaier, wie entstand die Idee für SICHTUNG?

Hildegard Rasthofer: Gedanken an eine vergleichbare Arbeit begleiten mich schon länger. Eigentlich seit 25 Jahren. Es existieren frühe Skizzen und Entwürfe, die sich im weitesten Sinne in diese Richtung interpretieren lassen. Die von mir entworfenen Gebilde waren damals allerdings unterirdisch angelegt; sie sollten tief im Wasser stehen.

Christian Neumaier: Auf einer gemeinsamen Reise nach Japan im vergangenen Jahr haben wir dann zu unserer Verblüffung entdeckt, dass uns ähnliche Vorstellungen unabhängig voneinander etwa zur gleichen Zeit verfolgt haben – nur dass ich damals als junger Kunstschmied noch das Bild einer Himmels-treppe im Blick hatte.

Rasthofer: Von Christian kam dann der Anstoß, eine künstlerische Arbeit zu realisieren, die das jeweilige Ideenset von damals als Ausgangspunkt für einen gemeinsamen Entwurfsprozess für eine Großskulptur nimmt.

Neumaier: Herausgekommen ist am Ende etwas anderes, auch wenn Anklänge an unsere ganz frühen Ideen vorhanden sind. Eine begehbare Skulptur sollte es sein. Nur die Dimension war nicht klar. Erst, als wir sie konstruktiv in Module aufgelöst hatten, konnten wir damit auch in die Höhe gehen. Für mich musste die Skulptur immer etwas Großes, etwas Herausforderndes sein. Etwas, das normale Grenzen sprengt. Die Arbeit sollte eine Grenzüberschreitung in jeder Hinsicht sein – statisch wie vom Material her.

metallbau: Welche Eigenschaften schätzen Sie an Baustahl?

Rasthofer: Baustahl eignet sich ideal für eine minimalistische Konstruktion mit Scheiben. Sie können zu Wänden ohne Wandstärke werden – das Material ist reduziert auf die reine Fläche. Reduzierte Gestaltungslösungen sind so möglich. Die Stahlhaut trägt auf der Oberfläche zahlreiche Versehrungen und eine für das Material charakteristische Patina, die sich im Lauf der Zeit verändert. Das ist aus künstlerischer Sicht überaus reizvoll.

Neumaier: Aus handwerklicher Sicht schätze ich an Konstruktionsstahl, dass er ohne weitere Aufbereitung, Oberflächenbehandlung und Pflege verwendbar ist. Die Verarbeitung dieses Materials ist für mich Routine, wir haben viel Erfahrung damit.

metallbau: Was bedeutet für Sie Kunst?

Rasthofer: Für mich spielen immer Raum und Raumwirkung eine große Rolle – auch bei meinen künstlerischen Vorhaben.

Neumaier: Kunst beginnt für mich persönlich, wenn meine Arbeit, abgesehen von bestimmten ästhetischen Erfahrungen und sinnlichen Eindrücken, keinen ihr eindeutig zugewiesenen praktischen Zweck mehr hat.

metallbau: Wie ordnen Sie das (Metall-)Handwerk darin ein?

Neumaier: Ohne das nötige Handwerkszeug ist eine Realisierung von Arbeiten, wie wir sie planen, undenkbar. Ich musste auch erst 53 Jahre alt werden, viele Erfahrungen sammeln, um eine Skulptur wie SICHTUNG umsetzen zu können. Das ist nichts für Anfänger.

metallbau: Welche Projekte realisieren Sie noch gemeinsam?

Rasthofer: Im Bereich der Architektur gibt es zahlreiche gemeinsame Projekte wie Glashäuser, Treppen, Fassaden. Künstlerische Vorhaben im Sinne von Raumkunst und skulpturaler Arbeiten erweitern seit etwa zehn Jahren unser Repertoire.

Neumaier: Wir entwickeln von ersten Skizzen bis zu technischen Details vieles gemeinsam. Das ist nicht immer konfliktfrei in der Diskussion. Wir sind beide auf gewisse Weise kompromisslos und fordern uns gegenseitig stark. Das sorgt dafür, dass wir am Ende hinsichtlich vielerlei Aspekte zu einer Qualität kommen, die jeder für sich nicht erreicht hätte.

metallbau:  Sie sind privat wie beruflich ein Paar. Wie inspirieren Sie sich gegenseitig in Ihrer Arbeit?

Rasthofer: Die wechselseitige Inspiration ergibt sich aus unseren verschiedenen Erfahrungen. Christian ist ein exzellenter Handwerker, dessen tiefe Materialkenntnis und Bereitschaft, auch schwierige Wege zu gehen, mir als Architektin Möglichkeiten eröffnet, die ich sonst nicht hätte. Konventionelle Handwerker würden bei vielen Ideen abwinken, Christian empfindet sie hingegen als Herausforderung.

metallbau: Sehen Sie im Beruflichen Vorteile, wenn man privat ein Paar ist?

Neumaier: Sie meinen, weil der Beruf auch im Privaten nie ganz weg ist? Das ist so, ja. Unvermeidlich. Die Gedanken sind auch zuhause häufig bei Projekten und Ideen. Aber das ist nun mal Teil unseres Berufs. Bei Menschen wie uns lässt sich das nie scharf trennen. Aber wir bemühen uns (lacht).

Rasthofer: Als Architektin wird man mit unkonventionellen Ideen ja gern mal belächelt; bekommt zu hören, dass so etwas unmöglich zu realisieren ist. Christian sagt das nie. Wir loten miteinander Möglichkeiten aus, betrachten Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln.

Neumaier: Eine Aufgabe in 95-prozentiger Perfektion zu erfüllen ist leicht. Aber was ist mit den restlichen fünf Prozent?  Man legt sich dafür nur ins Zeug, wenn man es selbst so haben möchte. Als Metaller steht man dabei auf dünnem Eis. Einerseits gibt es die DIN-Vorschriften, andererseits gewisse Freiheiten, innerhalb derer man sich bewegen darf. Für diese müssen wir Handwerker dann die Verantwortung übernehmen. Aus jahrzehntelanger Erfahrung heraus möchte ich das nicht mehr bei jedem Projekt – außer bei Arbeiten mit Hildegard.

metallbau: Den Eindruck habe ich aber nicht, wenn ich Ihre anderen Projekte betrachte.

Rasthofer: Der Anspruch an Arbeiten aus der Werkstatt von Metallbau Neumaier ist insgesamt hoch, das ist schon richtig, und erreicht in Gestaltung, Ausarbeitung und Konstruktion ein im Handwerk nicht selbstverständliches Niveau. Christian schaut da immer sehr genau hin.

Neumaier: Ich bin bereit, das Material mit all seinen Möglichkeiten auszureizen.

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