Risiken bei älteren Toren

Was tun bei nicht normkonformen Anlagen?

Die Normenlage zur funktionalen Sicherheit stellt insbesondere bei der Prüfung älterer Toranlagen neue Anforderungen an Sachkundige. Eine fundierte Dokumentation und eine sachgerechte Einschätzung der sicherheitstechnischen Ausstattung und Installation sind hierbei der Schlüssel. So lässt sich ein sicherer Betrieb auch bei Bestandsanlagen realisieren – im Sinne des Arbeitsschutzes und der Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Die Anforderungen an die funktionale Sicherheit von kraftbetätigten Toren und Schranken haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die Ausgabe 11/2017 der DIN EN 12453 „Tore – Nutzungssicherheit kraftbetätigter Tore - Anforderungen und Prüfverfahren“ beschreibt in Abschnitt 5.1.2 die normativen Anforderungen an die funktionale Sicherheit.

Steuerungen von kraftbetätigten Toranlagen müssen demnach in der Lage sein, Fehler in sicherheitsrelevanten Teilen der Steuerung zu erkennen und die Anlage in einen sicheren Zustand zu überführen – etwa durch ein Stoppen oder Nicht-Wiederanlaufen des Tores. Damit greifen die Vorgaben der DIN EN 12453 auf zentrale Prinzipien der Normenreihe ISO 13849 zurück, die Anforderungen an sicherheitsbezogene Teile von Maschinensteuerungen beschreibt.

Die überarbeitete DIN EN 12453:2022-08 präzisiert den Umgang mit sicherheitsrelevanten Schaltkreisen: Sicherheitsschalter selbst brauchen nicht überwacht oder getestet zu werden, sofern, wie vorgeschrieben, bewährte Bauteile beziehungsweise zwangstrennende Schalter verwendet werden. Gleiches gilt für fest und geschützt verlegte Leitungen (z.B. in Installationsrohren oder Kabelkanälen). Anders ist dies bei ungeschützten oder beweglichen Leitungen – etwa Spiralkabeln oder Schleppketten. Hier besteht bei nicht überwachten Leitungen ein erhöhtes Risiko aufgrund potenzieller Querschlüsse, zum Beispiel wegen Beschädigung oder Verknotung (siehe Fotos), sodass geeignete Maßnahmen wie eine regelmäßige Sichtprüfung oder ein vorbeugender Austausch empfohlen werden.

Was bedeutet das für bestehende Toranlagen?

Sachkundige und Fachbetriebe stehen bei der Prüfung älterer Anlagen vor der Herausforderung, dass viele dieser Anlagen die aktuellen Anforderungen an die funktionale Sicherheit nicht erfüllen – schlicht, weil diese Anforderungen zum Zeitpunkt der Inverkehrbringung noch nicht Bestandteil der Tor-Normen waren. Eine messtechnische Prüfung auf funktionale Sicherheit ist in der Regel nicht möglich. Vielmehr ist die Dokumentation des Herstellers ausschlaggebend: Konformitätserklärungen, Angaben zur eingesetzten Steuerungstechnik sowie Hinweise auf die verwendete Norm (z.B. DIN EN 12453 mit Ausgabedatum) liefern wichtige Anhaltspunkte.

Im Prüfprotokoll sollte deshalb dokumentiert werden, ob die Anlage dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Hierbei bietet sich eine eindeutige Kennzeichnung durch Ankreuzfelder oder standardisierte Formulierungen an. Auch wenn keine anderen Mängel festgestellt werden, erfüllt der Sachkundige damit seine Hinweispflicht gegenüber dem Betreiber.

Betreiberverantwortung und Gefährdungsbeurteilung

Für Anlagen, die nicht (mehr) dem Stand der Technik entsprechen, ist der Betreiber in der Pflicht: Diese dürfen nur dann weiter betrieben werden, wenn eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG mit positivem Ergebnis vorliegt – idealerweise ergänzt durch spezifische Schutzmaßnahmen nach Empfehlung zur Betriebssicherheit (EmpfBS) 1114. Die beiden Verbände BVT und BAS.T empfehlen daher, die Dokumentation der sicherheitstechnischen Prüfung gemäß ASR A1.7 insbesondere in Bezug auf die Verlegung der Leitungen zu Sicherheitsschaltern sowie die Umgebungsbedingungen (z.B. Korrosionsgefahr, mechanische Belastung) zu erweitern.

Das überarbeitete Musterprotokoll des BVT trägt dieser Empfehlung Rechnung und wurde entsprechend angepasst. Bei positiver Beurteilung kann der Betreiber auch ohne weitere Maßnahmen ein niedriges Risiko annehmen und das Tor bis zur nächsten Prüfung betreiben, auch weil sich die Fachleute (beispielsweise der DGUV oder Sachverständige für Tore) einig sind, dass Risiken bzw. Unfallzahlen aufgrund fehlender funktionaler Sicherheit extrem gering waren und sind.

Ungeschützte und bewegliche Leitungen

Ein besonderes Augenmerk gilt beweglichen Kabeln, wie sie bei vielen Toranlagen beispielsweise in Form von Spiralkabeln zum Einsatz kommen. Hier besteht – auch bei äußerlich intakten Leitungen – die Möglichkeit eines Querschlusses, der ohne Leitungsüberwachung nicht erkannt würde. Daher empfehlen die Verbände, je nach Nutzungsfrequenz, einen regelmäßigen Austausch dieser Komponenten (bei stark frequentierten Toren ggf. jährlich) oder die Umrüstung z.B. auf moderne Funksysteme mit integrierter Funktionsüberwachung.

Verlegungsarten von Kabeln zu Sicherheitsschaltern

Drei Lösungen werden für eine den Anforderungen der funktionalen Sicherheit entsprechende Leitungsführung empfohlen:

1. Verlegung in geschlossenen Kabelkanälen

2. Verlegung in Schutzrohren gemäß DIN EN 61386

3. Verwendung eines armierten Kabels mit fester Befestigung

Wichtig: Die Einhaltung der vom Hersteller vorgegebenen Biegeradien, eine fachgerechte Zugentlastung an Anschlussstellen sowie ein Schutz vor Umwelteinflüssen (z.B. Feuchtigkeit oder Chemikalien) sind essenzielle Voraussetzungen für eine normgerechte Installation.                                        www.bvt-tore.de

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