Nachhaltigkeit und Universal Design im Fokus

Tür- und Tortage beim ift

Über 320 Experten trafen sich am 24./25. Mai in Rosenheim, um sich über Neuerungen für die Tür- und Torbranche zu informieren. Das Veranstaltungsmotto Universal Design zog sich dabei durch viele Beiträge. Hier ein Fazit.

Themen wie Bauproduktenverordnung, Energieeffizienz, Nachhaltigkeit, Kennzeichnung, Nutzungssicherheit fließen zusammen und können nicht länger einzeln betrachtet werden. Ulrich Sieberath, Leiter des ift Institut für Fenstertechnik, Rosenheim, stellte in seinem Eröffnungsvortrag die aktuellen Entwicklungen und Trends für Türen und Tore vor und hielt fest: „Die Zukunft gehört den Produkten, die Nachhaltigkeit und Universal Design integrieren.“ Er forderte eine einfachere Handhabung zur Bedienung der Produkte, um sie für eine größtmögliche Gruppe von Nutzern verfügbar zu machen.
 
Branche gefordert. Die Trends Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit und zukunftsgerechtes Bauen fordern die Branche – sei es bei Gesetzen und Normen, sei es bei der Gebrauchstauglichkeit oder der Zertifizierung von Produkten. Mit den Gestaltungsmerkmalen des Universal Design (UD) kommen bei Türen und Toren zu den bekannten Leistungsmerkmalen wie Verformungsstabilität, Brand- oder Schallschutz sozio-kulturelle Kriterien hinzu. Hierzu zählen beispielsweise die einfache Handhabung und Nutzung. UD ist eine Antwort auf den demografischen Wandel und die neuen Lebensstile, die beide zur unkomplizierten Bedienung und flexiblen Nutzung von Häusern, Räumen und Bauteilen zwingen. Das Konzept sieht vor, Produkte nachhaltig und so zu entwickeln, dass sie für eine größtmögliche Gruppe von Menschen einfach zu handhaben sind. Es kann so erheblich zur wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit von Umwelt, Produkten und Dienstleistungen beitragen.
 
Fachvorträge. Stefan Rappold (Behnisch Architekten, Stuttgart) erläuterte anhand verschiedener Projektbeispiele das zukunftsgerechte Wohnen aus Sicht eines Architekten und wünschte sich verstärkt einen Blick auf das Ganze – also eine integrale Planung durch Fachingenieure, Planer und Architekten, um den vorab formulierten Zielen so nahe wie möglich zu kommen. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in den Bereichen Baumaterialien, -technik, -prozesse machten dies unbedingt notwendig, und besonders die Wünsche, Anforderungen und Bedürfnisse der Bauherren und Nutzer gelte es qualitativ zu berücksichtigen.
„Produkte für alle sparen Ressourcen und öffnen Märkte“, führte Universal-Designer Prof. Fritz Frenkler (universal design e.V., München) aus. Besonders wichtig sei bei der Entwicklung der Produkte, dass diese nicht eine bestimmte Nutzergruppe stigmatisieren, sondern für eine möglichst große Gruppe von Menschen nutzbar werden.
Dr. Bernhard Schneider vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin, berichtete ausführlich zur neuen EU-Bauproduktenverordnung. Er erwartet, „dass sie eine dauerhaft tragfähige Grundlage zum weiteren Ausbau des EU-Binnenmarktes darstellen wird“. Eine Reihe bisher strittiger Fragen werde durch sie rechtlich geklärt, und Fragen des Arbeits-, Umwelt- und Klimaschutzes fänden verstärkt Eingang in das europäische Bauproduktenrecht.
Zukunftsforscher Dr. Eike Wenzel (Institut für Trend- und Zukunftsforschung ITZ, Hamburg) brachte es im Abschlussvortrag zu den Megatrends der Zukunft auf den Punkt: „Wer sich rechtzeitig mit den Megatrends beschäftigt, gehört zu den Gewinnern in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren.“ Das Smart-Home 2.0 bedeute nicht Füße-hoch-Luxus, sondern Sicherheit und Komfort. In den nachfolgend aufgeführten sechs Themenblöcken wurden weitere relevante Fachthemen vorgestellt und seitens der Teilnehmer mit großem Interesse verfolgt. Rege Diskussionsrunden schlossen sich an.
 
Innentüren. Frédéric Wielezynski (CFBA, Frankreich) stellte die zukünftige Produktnorm für Innentüren prEN 14351-2 vor. Der aktuelle unveröffentlichte Entwurf soll gegenüber dem bisherigen vereinfacht sein. Nach Erwartung des Referenten ist mit einer Veröffentlichung jedoch frühestens 2013 zu rechnen. Bernd Saß (ift) erläuterte die Anforderungen und Nachweise nach den neuesten Regelwerken beim Schallschutz von Innentüren, und Dr. Rico Emmler (ihd Dresden) präsentierte sehr anschaulich ein Forschungsprojekt zur Erarbeitung von Prüfverfahren für verschiedene Innentüroberflächen, für die es bisher keine verbindlichen Verfahren oder normativen Anforderungen gibt.
 
Außentüren. Manuel Demel (ift) stellte die Möglichkeiten zur Energieeffizienz mit Türen (Kenngrößen, aktuelle Anforderungen, Fördermöglichkeiten) und deren Nachweisführung vor. Anschließend sprach Stefan Ude (ift) darüber, mit Nachweisen die baurechtlichen Anforderungen an Türen und Tore zu erfüllen und damit gleichzeitig auch Vertriebspotenzial zu nutzen. Prof. Christian Niemöller (Kanzlei SMNG, Frankfurt/Main) informierte über Neuerungen im europäischen Verbraucherschutz, die daraus resultierenden neuen Pflichten für die Hersteller und stellte die verschärfte Marktüberwachung von Bauprodukten vor. Sein Beitrag rief großes Interesse hervor und warf bei den Zuhörern viele Fragen auf, da voraussichtlich ein Schwerpunkt des Marktüberwachungsprogramms 2012 bei Fenstern und Außentüren nach EN 14351-1 liege.
 
Tore & Automatiktüren. „Barrierefreiheit, ein wichtiger Aspekt von UD, umfasst mehr als Hilfen für Rollstuhlfahrer“, führte Knut Junge (ift) aus und erklärte, welche rechtlichen und normativen Vorgaben aktuell sind. Er stellte auch das Förderprogramm 15 „Altersgerecht Umbauen“ der KfW vor. Beim Thema Tormontage forderte Olaf Vögele (Sachverständigenbüro Vögele, Bergisch Gladbach) als A und O Sachkenntnis über die entsprechenden Regelwerke und Pflichten. Ebenso verlangen Montage, Prüfung und Wartung ein gut geschultes Personal, um Risiken und Unfälle zu minimieren. Beim anschließenden Vortrag zur Nachrüstung wurde deutlich, dass hier Sachkenntnis ebenso entscheidend ist, da eventuell zukünftig eine neue Maschine in Verkehr gebracht wird, für die eine Risikobeurteilung nach Maschinenrichtlinie erfolgen muss. „In jedem Fall sollte vorher die Abwägung der Wirtschaftlichkeit und der Haftungsrisiken stattfinden“, so Klaus Hein vom ift.
 
Beschläge & Sicherheit. Den Weg zum EG-Konformitätszertifikat für Türen in Flucht- und Rettungswegen, das Grundlage für eine CE-Kennzeichnung ist, beschrieb Pascal Geiger (ift). Er bot den Teilnehmern Gelegenheit für Fragen rund um das Konformitätsverfahren. Ausführlich stellte Jens Pickelmann (ift) die neue EN 1627 ff und die ersten Erfahrungen mit ihrer Anwendung vor. Die Einführung zweier neuer Klassen (RC 1N und RC 2N), die auch die Kommission Polizeiliche Kriminalprävention (KPK) berücksichtigt, bieten für Hersteller einbruchhemmender Türen sogar noch bessere Vermarktungschancen in Deutschland. Dass UD für Bauprodukte und besonders für Hersteller von Türen, Toren, Fenstern und Baubeschlägen relevant ist und gute Zukunftschancen für die Vermarktung liefert, erläuterte Christian Kehrer (ift). Um die Nachweisführung möglichst einfach zu gestalten, sollen die relevanten Zertifizierungsprogramme des ift mit optionalen Anhängen zum UD erweitert werden. Aktuell werden UD-Kriterien für Innentüren in Kooperation mit dem universal design e.V. erarbeitet.
 
Brand- & Rauchschutz. Die Möglichkeiten des Einsatzes von Feuerschutzabschlüssen (FSA) im XXL-Format beschrieb Volker Müller (ift). FSA gelten bis zur Einführung der Produktnorm EN 16034 als nicht geregelte Bauprodukte und bedürfen in Deutschland und anderen europäischen Ländern bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweise. Die Ausnutzung der Anwendungsregeln bedeutet für die Hersteller eine Erleichterung bei Größenextrapolationen, jedoch auch eine große Verantwortung, da sie in Kenntnis der Konstruktion und des Brandverhaltens ihrer Produkte die Entscheidung darüber treffen, ob die normativen Regeln, die anwendbar sind, auch mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit ihrer Produkte in Einklang stehen. Christine Schmaus (ift) stellte die derzeitige Situation für Rauchschutzabschlüsse bis zur Einführung der Produktnorm in Deutschland vor, beantwortete Fragen nach Neuerungen bei einer Erstausstellung bzw. Verlängerung von bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweisen und warf einen Blick in die Zukunft mit der Produktnorm EN 16034 und dem erweiterten Anwendungsbereich EN 15269-20. Dr. Gerhard Wackerbauer (ift) betrachtete die Austauschmöglichkeiten für Beschläge in Feuerschutzabschlüssen genauer. Im modifizierten Zulassungsverfahren in Deutschland erfolgt der Austausch auf Basis der Liste der geprüften Zubehörteile. Sie enthält wesentliche Kennwerte der Beschläge, die beim Austausch gleich oder weniger kritisch sein müssen; in Österreich gilt hierfür die ONR 23850.
 
Umwelt & Ressourcen. Benno Bliemetsrieder (ift) konnte zur Innenraumbelastung durch VOC-Emissionen von Türen Entwarnung geben: Das F&E-Projekt zum Thema erbrachte weitgehend unkritische Emissionen von VOC und Formaldehyd gemäß AgBB-Schema oder französischem Bewertungssystem. Er empfahl den Herstellern jedoch, sich bereits jetzt damit auseinanderzusetzen, da beispielsweise in Frankreich Bauprodukte entsprechend deklariert werden müssen. Die neue Bauproduktenverordnung fordert als neue, siebte wesentliche Anforderung die „nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen“. Soweit verfügbar, soll sie durch eine EPD (Environmental Product Declaration) nachgewiesen werden. Hierin werden umweltbezogene Angaben zu Bauprodukten gemacht, ohne diese jedoch zu bewerten. Patrick Wortner (ift) stellte die besonderen Herausforderungen bei den Dokumenten für Türen dar. Bernd Strufe (ift) erläuterte die Vorteile von kombinierten Managementsystemen und zeigte, dass es sehr viele Gemeinsamkeiten und dadurch Synergien zwischen Energie- und Umweltmanagementsystemen gibt. Seit 2011 ist die Einführung eines Energiemanagementsystems (EnMS) Voraussetzung für Energiesteuerermäßigungen, wobei der Zeitraum 2011/2012 als Übergangsphase genutzt werden kann; ab 2013 ist die Durchführung eines voll funktionsfähigen EnMS notwendige Bedingung.  
Rahmenprogramm. Eine interessante Ergänzung zu den Fachvorträgen bot die Teilnahme am Hindernisparcours in einem Alterssimulationsanzug, bei dem die Gäste die Themen Barrierefreiheit/Bewegungsunsicherheit und ihre Probleme „live“ erfahren konnten. Die Möglichkeit, sich zwischen den Referaten am ift-Meeting-Point zu treffen, sowie der abwechslungsreiche modern-bayerische Festabend boten Teilnehmern, Referenten und Geschäftsfreunden ausreichend Gelegenheit für einen zwanglosen Austausch.
Der Dokumentationsband mit Textmanuskripten und den Vortragsfolien auf CD gibt allen Experten, die nicht zur Veranstaltung kommen konnten, die Chance, diese aktuellen Informationen zu nutzen. Er ist auf der ift-Website im Bereich Literaturverkauf erhältlich: www.ift-rosenheim.de/literatur.php red $
 
Info + Kontakte
 
ift Rosenheim GmbH
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