Metall-Glas

Pilotprojekt mit Vakuumglas

Hightech-Fassade für Belliard

Im Belgischen Brüssel in der Belliardstraße wurde Ende 2022 ein Bürogebäude in Betrieb genommen, dessen Fassadenelemente aus Fineo Vakuumglas und Schüco Systemaluminiumprofilen gefertigt wurden. Ausführender Metallbauer war die Firma Groven+ aus Herstal. „Sollte sich diese Lösung für ein anderes Projekt als sinnhaft erweisen, lässt sich dies umsetzen – aber ein serielles Profil für Vakuumglas zu entwickeln, ist aktuell nicht angedacht“, so Stefan Dewald, der bei Schüco International das FaÇade Engineering leitet.

Mehr als 1.000 Quadratmeter Elementfassade umfasst die Gebäudehülle des Büroobjekts in Brüssel. Insgesamt 275 Elemente mit Einbau der Außenlamellen hat der Fassadenbauer Groven+ in seiner Werkstatt verglast und gekoppelt. Die Monteure haben auf der Baustelle die 1,35 m x 2,7 m großen Elemente nur noch an der Fassade aufgehängt.

Für vorkonfektionierte Großelemente, wie sie für das Pilotprojekt in Brüssel zum Einsatz kamen, bietet Vakuumglas im Vergleich zu Dreifachisolierglas einen großen Vorteil: die Gewichtsersparnis. Jurgen Van Geel, Vertriebsmanager bei Groven+, hebt hervor: „Mit der Gewichtsreduktion von ca. 75 Kilogramm pro Element geht natürlich ein geringerer Materialverbrauch einher, das wiederum bedingt eine Reduktion von CO2.” Joep Römgens,

Head of Service, Product en Marketing Schüco Benelux ergänzt: „Die Bauweise senkt den CO2e-Wert des Gebäudes im Gebäudeenergiepass, forciert also die Nachhaltigkeit und optimiert die Werte.“ In punkto Recycling bestehen bei der Verarbeitung von Vakuumglas im Vergleich zu Standardglas keine Vorteile.

„Auch für die Verglasung von Pfosten-Riegel-Fassaden, die auf der Baustelle verglast werden, wären weniger schwere Scheiben vorteilhaft“, stellt van Geel fest. Die CO2-Ersparnis im Vergleich von Elementfassade und Pfosten-Riegel-Fassade ist gleich. “Wir haben für beide Bauweisen Lösungen, Vakuumglas ist bei der Verarbeitung nicht anfälliger für Beschädigungen als Standardgläser,” informiert Stefan Dewald, Leiter des FaÇade Engineerings bei Schüco International, und fügt hinzu: “Verglasen im Rahmen einer Vorfertigung kann sicherlich rationaler und sicherer erfolgen. In Abhängigkeit von Projektgröße, -komplexität und Bauablauf müssen Machbarkeit, Effizienz und Risiko gegeneinander abgewogen werden.“

Die Schüco Basissysteme

Als Basissysteme wurden für die Pilotfassade die Schüco Systeme USC 65 und FWS verwendet. Für die Verglasung waren spezielle Gummidichtungen nötig, die speziell für dieses Objekt entwickelt wurden. „Im Gros sind die Anpassungen der Systeme eher auf die Anforderungen des Objekts zurückzuführen als auf den Einsatz von Fineo Vakuumglas“, merkt Joep Römgens an, Head of Service, Product en Marketing Schüco Benelux.

Dass es bei der Verarbeitung des Vakuumglases keine Unterschiede zur Standardverglasung gab, lag an der Hybridverglasung. Dewald erklärt: „Mit einer einfachen Fineo-Vakuumverglasung wären nicht die niedrigen U-Werte erzielt worden, die für das Projekt gefordert waren.”

Glasaufbau der Hybridvariante

Die Hybridverglasung war für alle Fassadenelemente gleich und besteht aus einem Vakuumisolierglas, dann aus einem Spacer mit Gas, so wie das bei Doppelverglasungen üblich ist, und weiter aus einem Standard Floatglass. Eine Schulung der Fassadenbauer war nicht nötig. Sowohl die Montage als auch die Lagerung des Glases unterscheidet sich nicht von einer standardisierten Verglasung. Jurgen Van Geel, Sales Manager Groven+ betont: „Die Art des Dichtungsgummis sollte angepasst werden und es sollte darauf geachtet werden, dass bei der Verwendung von Silikondichtungen, SG-Fugen und Dichtungsmitteln ein kompatibles und geprüftes Produkt gewählt wird.“ Bei der Bestimmung der Dichtungsgummis unterstützt der Support von AGC. „Die üblichen Tests z.B. hinsichtlich Wärmedämmung, Schlagregendichtigkeit und die Transparenz des Glases sind erwartungsgemäß alle positiv ausgefallen“, so Joep Römgens, Head of Service, Product en Marketing Schüco Benelux. Um das Glas mit einer Sonnenschutzfunktion auszustatten, wurde Fineo mit einer Low-E-Beschichtung von Energy Solar kombiniert. Die Scheiben haben einen g-Wert von 0,42. Die sieben horizontalen Lamellen pro Etage tragen natürlich auch dazu bei, die solare Aufheizung zu kontrollieren, wie Jurgen Van Geel, Sales Manager Groven+ ergänzt.

Kosten-Nutzen-Analyse

Mit der speziellen Hybridverglasung wurde ein Dämmwert von 0,4 W/(m2K) erreicht; mit Dreifachverglasung wäre maximal 0,6 W/(m2K) möglich gewesen. Auf den ersten Blick sind im direkten Vergleich zu Mehrscheiben-Isoliergläsern, wie sie standardmäßig und in großen Mengen hergestellt und verbaut werden, die Kosten für Vakuumisoliergläser und damit auch für Systemlösungen mit dieser Technologie heute noch höher. „Das liegt an der noch frühen Phase im Technologie-Lebenszyklus. Kontinuierliche Prozessverbesserungen und vor allem die wachsende Akzeptanz und Notwendigkeit für ein solches Produkt im Markt und die damit einhergehende Zunahme von Volumen und Angebotsvielfalt, wird absehbar zu einer Kostensenkung führen“, erläutert Dewald von Schüco International. Werden bei der Kosten-Nutzen-Betrachtung allerdings nicht nur die initialen Produktkosten herangezogen, sondern die gesamten Lebenszykluskosten, würde ein Mehrwert bei sinnhafter Anwendung der Technologie auch heute schon den direkten konkreten Aufwand der Umsetzung kompensieren. Zudem gibt der Schüco-Experte die Perspektive, dass „kontinuierliche Prozessverbesserungen und vor allem die wachsende Akzeptanz und Notwendigkeit für ein solches Produkt im Markt und die damit einhergehende Zunahme von Volumen und Angebotsvielfalt, absehbar zu einer Kostensenkung führen wird“. Der Ausgleich der aktuell höheren Produktionskosten im Vergleich beispielsweise zu einer Dreifachverglasung wird übrigens auch bei einer Gebäudesanierung mit der expliziten Wertschöpfung kompensiert, so Dewald.

Keine seriellen Systeme geplant

Die Schüco Systeme FWS 60.SI und AWS 75 BS.HI bieten die Möglichkeit, Vakuumglas einzusetzen. „Diese Systeme stehen aber aktuell nicht seriell und uneingeschränkt zum Verkauf mit Vakuumglas zur Verfügung, sondern müssen im Projektbezug ausgelegt und beraten werden“, sagt Dewald. Der Systemgeber mit Zentrale in Bielefeld setzt sich kontinuierlich mit dem Einbau von Vakuumglas in Systemprofilen auseinander.

Ob diese speziellen Lösungen Sinn machen, wird am Nutzen für den Investor, Betreiber und Nutzer gemessen und individuell beurteilt. Dabei sollte der Nutzen über einen gesamtheitlichen Ansatz beurteilt werden, der neben dem initialen Invest laufende Kosten für den Betrieb und korrespondierend dazu die CO2-Emissionen sowie die Anforderungen hinsichtlich geschlossener Materialkreisläufe der Gebäudehülle berücksichtigt. „Unter Berücksichtigung all dieser Parameter sehen wir das größte Potenzial unserer Systemlösungen in Kombination mit Vakuumglas deshalb in der Gebäudesanierung. Da es sich noch um eine sehr neue Technologie handelt, muss sie aber immer im Verbund und hinsichtlich projektspezifischer Anforderungen betrachtet werden. Eine serielle Fertigung gibt es deshalb aktuell nicht“, betont Dewald.

Anpassungen der Basissysteme

Die Anpassungen der Schücosysteme an das Fineoglas sind nicht markenspezifisch, solange sich die Gläser vergleichbar verhalten. „Das System, das in Brüssel zum Einsatz gekommen ist, ist nicht nur auf Fineoglas beschränkt“, konstatiert Dewald.

Erforderliche Anpassungen der Aluminiumprofile an das Vakuumglas finden im Wesentlichen im Inneren der Konstruktion statt und beschränken sich nach den Informationen des Schüco-Experten auf den Falzraum und die Dichtungen. Durch das im Vergleich zum 3- oder 2-fach-Isolierglas grundsätzlich andere Konstruktionsprinzip der VIG-Scheibe verhält sich diese in Abhängigkeit von Größe, Seitenverhältnis, Glasgüte, -dicke und -aufbau unter Temperatur und mechanischer Belastung zum Teil anders als heute übliche Isoliergläser.

Ausblick

Wird kein Hybridglas wie beim Pilotprojekt in Brüssel verarbeitet, sondern ausschließlich Vakuumglas, gelten in Sachen Weiterbildung andere Regeln, weil sich Vakuumglas anders als herkömmliche Verglasungsmethoden verhält. Damit die neue Technologie stärker im Markt Berücksichtigung findet, müssen zunächst Planer und Architekten im Umgang mit dieser geschult werden. Dewald weist zugleich auf Schulungsbedarf bei Ausführenden hin: „Anders als beim Hybridglas, das für das Bürogebäude in Brüssel verwendet wurde, gibt es zwischen der Fertigung mit Standardglas und Vakuumglas signifikante Unterschiede.“

www.schueco.com

www.grovenplus.be

www.findeoglass.eu

Fineo Vakuumglas

Bei Fineoscheiben ist das Vakuum dicht zwischen zwei in einem dünnen Randbereich keramisch aufeinander geschmolzenen Scheiben versiegelt. Optisch lässt es sich nicht von Einfachglas oder Verbundsicherheitsglas unterscheiden. Fineo gibt eine Garantie von 15 Jahren für Vakuumglas, der Industriestandard für Isolierglas beträgt 10 Jahre. Nach Angaben des Herstellers AGC haben Alterungstests ergeben, dass Fineo auch nach 60 Jahren noch seine ursprüngliche Leistung erzielt.

Neben dem monolithischen Vakuumglas gibt es inzwischen auch frei wählbare Bogenformen und in Kürze auch vorgespannte Varianten (ESG). Die Abmessungen steigen von derzeit 1,5 x 2,5 Meter bzw. 1,6 x 2,4 Meter auf 1,5 x 3,2 Meter. Auf der BAU wurde zudem auch ein Vakuumbrandschutzglas vorgestellt. Die Produktvariante Pyrobel-T bis zur Klasse EI60 ist auch in großen Abmessungen bis 2 x 4,5 Meter verfügbar.

Fenster und Fassaden mit Fineo anstatt mit konventioneller Dreifachverglasung dämmen besser, transmittieren mehr Tageslicht, erzielen höhere solare Energiegewinne im Winter und verbessern den Schallschutz um rund drei Dezibel.

Bei Einsatz von Vakuumglas betreffen im Allgemeinen die Anpassungen von Systemprofilen den Falzraum und die Dichtungen. Nachhaltig ist insbesondere die Recyclingfähigkeit von Glas und eine Fügetechnik, die ohne Verkleben und Einsatz von Mischmaterialien auskommt, wie Fineo wirbt.

Im Vergleich zu Dreischeibenisolierglas sind die direkten Produktionskosten von Vakuumglas noch höher; wird jedoch der gesamte Lebenszyklus in die Kosten-Nutzen-Rechnung mit einbezogen, dann kann sich bereits heute ein Mehrwert für den Einsatz von Vakuumglas ergeben. Zuwachs bei Absatzvolumen und Angebotsvielfalt wird absehbar zu einer Kostenreduktion der Herstellung führen.

Ob also die Verarbeitung von Vakuumglas für ein Objekt beziehungsweise eine Fassadensanierung wirtschaftlich ist, muss mit den jeweiligen individuellen Parametern kalkuliert werden.

www.agc.com

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