Fingerprint oder Smartphone

Wer macht wohl das Rennen?

Wir haben es fast immer dabei: mit dem Smartphone chatten wir, twittern, scrollen durch News und lassen uns unterhalten. Nun kann es auch den Schlüssel ersetzen und Türen öffnen. Oder werden wir dazu in Zukunft den Finger verwenden? Den haben wir auch immer dabei. Wir blicken auf die Entwicklung von mechanischen Schließsystemen hin zu elektronischen und smarten Schlössern und Schließlösungen.

Elektronische Schließlösungen gibt es schon seit mehr als 20 Jahren. Seit einigen Jahren nimmt das Interesse zu, weil smarte Schließtechnologien es ermöglichen, Zylinder und Schlösser via Smartphone, Fingerprint oder Transponder zu öffnen. Trotzdem haben mechanische Schließlösungen nicht ausgedient. Im Gegenteil. Laut Jens Hantel, Leiter Vertrieb Distribution Handel bei Wilka Schließtechnik, werden diese weiterhin in der Überzahl sein. Grund ist zum einen, dass die Türhersteller diese meist standardmäßig einbauen; zum anderen, weil die elektronischen Lösungen wesentlich teurer sind. „Manche elektronischen Zylinder kosten das Zehnfache eines mechanischen Zylinders, auch wenn sich das nicht so pauschal sagen lässt“, betont Hantel.

Privatkunden scheuen Preis

Der Preisunterschied ist derzeit noch so groß, dass interessierte Eigenheimbesitzer noch vor dem Einbau zurückschrecken, weiß Kris Hendricks. „Das Interesse sei da, der Umsetzungswille noch nicht“, erzählt der  Geschäftsführer von Hendricks Metallbau. Inzwischen werde er bei jeder Haustürberatung danach gefragt, ob man die Tür auch mit dem Handy öffnen kann. „Wenn ich dann sage: ‚Deine Haustüre kostet mit Einbau 4.000 Euro, wenn du sie smart haben willst und mit Fingerabdruck öffnen willst, kostet sie 1.000 Euro mehr“, entscheiden sie sich selten für den Einbau der smarten Lösung.“ Will man die Haustüre mit dem Smartphone öffnen, sei das günstiger, da liegt der Mehrpreis dann bei etwa 300 bis 400 Euro.

Objekte mit Zugangskontrolle

Während im Privatbereich die Nachfrage nach den smarten Lösungen steigt, sind elektronische Schließlösungen in Hotels inzwischen gang und gäbe. Auch bei Büro- und Verwaltungsgebäuden haben sie sich zumindest für die äußeren Türen durchgesetzt, um eine Zutrittskontrolle in der Außenhaut zu gewährleisten. Ein Wandleser neben der Tür reagiert auf das Vorhalten eines Transponders und signalisiert dem elektronischen Verschlusspunkt, dass der Mitarbeiter berechtigt ist, einzutreten. Transponder lassen sich auch gut mit dem Mitarbeiterausweis kombinieren und sind somit eine kostengünstige Lösung. Den Vorteil eines Motorschlosses bei öffentlichen Gebäuden, erklärt Jens Hantel so: „Über die Steuerung lässt sich hinterlegen, dass die Tür zu bestimmten Zeiten öffnet oder schließt, also zum Beispiel ab 8 Uhr morgens auf ist und um 18 Uhr verriegelt wird; das passiert dann automatisch.“

Das Smartphone als Schlüssel

„Das Thema Smartphone ist derzeit omnipräsent“, sagt Andreas Fuhr, Geschäftsführer von Carl Fuhr, den ich am Stand des Herstellers auf der BAU treffe. „Künftig will jeder die Möglichkeit haben, das Smartphone alternativ zum Türöffnen zu nutzen. Ich mache auch alles damit, da ist es logisch, damit auch die Tür zu öffnen“, ergänzt der Geschäftsführer. Dazu müsse man nicht einmal eine App öffnen, erläutert er weiter: „Ich nähere mich der Tür mit dem Smartphone. Das Gerät erkennt ‚okay, das Handy ist berechtigt, die Tür zu öffnen‘; dann berühre ich den Touch-Taster der SmartConnect door oder den SmartTouch-Türgriff und öffne so die Tür. Das nennen wir ‚keyless go‘. Das funktioniert so, wie es heute schon beim Komfortzugang moderner Autos üblich ist, nur mit dem Smartphone statt einem Funkschlüssel.“ Andreas Fuhr empfiehlt den Einbau eines Motorschlosses – denn dieses macht die Verriegelung wesentlich sicherer als ein einfaches elektronisches Nachrüstschloss.

Vor der „SmartConnect door“ am Stand erläutert mir Andreas Fuhr noch den Vorteil der eingebauten Gegensprechanlage: „Wenn es klingelt, bekomme ich eine Nachricht aufs Handy und kann mit der Person an der Haustür aus der Ferne sprechen und wenn ich möchte, dem Postboten die Tür oder eine Paketbox öffnen.“ Diese Lösung hat das Traditionsunternehmen aus Heiligenhaus vor circa drei Jahren erstmals vorgestellt. „Unsere Lösung ‚SmartConnect door‘ ist das einzige Gerät mit Gegensprechanlage, mit Server für die Verwaltung, einer Zusatzkontrolle, Bluetooth und ab 2024 auch mit Fingerprint. Dabei ist es so klein, dass es problemlos von den Türverarbeitern in die Tür eingebaut werden kann. Das gibt es so nirgendwo“, betont Andreas Fuhr.

Vorreiter bei der Nutzung des Smartphones als Schlüssel sind Hotels und Vermieter von Ferienappartements. Wenn ein Hotel die Rezeption nicht mehr rund um die Uhr besetzt hat, ist es komfortabel, wenn man die Berechtigung für das Zimmer dem Gast per E-Mail schicken kann. Die Vertriebsmannschaft bei Wilka Schließtechnik sieht einen großen Bedarf im Bereich Ferienwohnung. Jens Hantel: „Der Vermieter muss nicht mehr zum Objekt fahren und den Schlüssel übergeben. Er gibt einfach das Beginn- und Ablaufdatum ein, wie die Wohnung gebucht wurde, sodass der Mieter die Wohnung  per Smartphone öffnen kann.“ Ab Herbst erweitert Wilka seine easySmart-Lösung, sodass Zutrittsberechtigungen problemlos aus der Ferne vergeben werden können. „Die Möglichkeit der Hinterlegung eines Start- und Ablaufdatums eines Nutzers ist jederzeit möglich. Dann kann man zum Beispiel dem Nachbarn für 14 Tage Zugang zum Haus gewähren, um die Blumen zu gießen“, so Hantel.

Auch die Kommunikation mit der aktuellen easyApp-Lösung funktioniert über Bluetooth, man ist also nicht auf eine Internetverbindung angewiesen. Das easyApp-Starterset enthält zusätzlich zum Schließzylinder, dem Montagewerkzeug und der Programmierkarte noch drei Transponder. „So kann auch die Oma die Tür öffnen, die kein Smartphone hat“ sagt Hantel und betont: „Bei der Wilka-Lösung fallen auch keine monatlichen oder jährlichen Gebühren pro Schließvorgang oder andere Folgekosten an.“

Potenzial für Biometrik

Der Spezialist für Türsicherheit, Carl Fuhr, zeigte auf der BAU auch die Lösung mit einem zusätzlichen Fingerprint. Auf die Frage, ob eher der Fingerabdruck oder das Smartphone von den Nutzern bevorzugt wird, sagt Geschäftsführer Andreas Fuhr: „Beide Lösungen werden nachgefragt. Ich glaube, das Öffnen mit dem Smartphone wird zum Standard werden.“ Kris Hendricks von Metallbau Hendricks ist skeptisch, ob sich die Fingerprint-Lösung durchsetzen wird. „Ich persönlich glaube, dass wir den Fingerabdruck überspringen werden. Die eine Hälfte wird es mit dem Smartphone machen. Die andere Hälfte wird sich für die Gesichtserkennung entscheiden.“ Das nutze er schon bei seinem Smartphone und funktioniere immer problemlos. Beim Fingerprint fragen die Kunden immer nach, was denn sei, wenn die Hände schmutzig sind oder man sich geschnitten hat. Er empfiehlt daher, immer mindestens drei Finger einer Hand und beide Hände einlesen zu lassen.

Das österreichische Unternehmen ekey ist spezialisiert auf Schließsysteme mit Fingerprint und hatte seine neuesten Lösungen ebenfalls auf der BAU ausgestellt. Angesprochen auf die Vorbehalte der potenziellen Kunden, sagt Geschäftsführer Michael Gallner-Holzmann: „Kleine Verletzungen oder Verschmutzungen am Finger stellen für einen ekey Fingerprint dank des patentierten Erkennungs-Algorithmus kein Problem dar. Ähnlich verhält es sich mit dem Wachstum bei Kinderfingern, auch dieses wird erkannt.“ Auf der BAU konnten sich Interessierte auch an der ekey-Konsole zeigen lassen, dass man verschiedene Finger mit unterschiedlichen Funktionen belegen kann. Das Smart-Home-System erkennt dadurch, wer eine Aktion auslöst. Gallner-Holzmann erläutert: „So lassen sich Gebäude auf bestimmte Personen bezogen steuern und organisieren. Je nachdem, wer den Fingerprint mit welchem Finger bedient, werden zum Beispiel Licht, Alarmanlage, Heizung oder Jalousien angesteuert.“ Die neueste Generation ihrer Fingerprint-Lösungen seien der zentrale Ausgangspunkt fürs Smart Home und entspreche dem Trend hin zu Smart Living, so der ekey-Geschäftsführer.

Momentan schwirrt die Zahl in der Branche, dass etwa drei Prozent der Haustüren sich mit dem Fingerprint öffnen lassen – eine Zahl, die aber offiziell niemand bestätigen wollte. Sicher ist, dass hier noch Luft nach oben ist und das Marktpotenzial für die smarten Türöffner-Lösungen groß.

Einbruchschutz für Haus- und Wohnungstüre

Unabhängig davon, ob sich die Bewohner oder Besitzer für ein elektronisches oder mechanisches Schloss entscheiden: Zum erhöhten Schutz vor Einbruch empfiehlt sich eine Mehrfachverriegelung. Dabei befinden sich nicht nur die Falle und der Riegel im Mittelschloss, sondern oben und unten weitere Verriegelungen durch Bolzen oder Haken. Das sei laut Hantel von Wilka inzwischen Standard in Neubau-Wohnungen und Neubau-Häusern. Eigenheimbesitzer, die vergessen abzusperren, können sich für ein Schloss mit Selbstverriegelung entscheiden. Hier wird die Tür beim Zuziehen bereits automatisch verriegelt.

Winkhaus hat neue Sicherheits-Türverriegelungen auf den Markt gebracht, die einen Einbruchschutz bis RC2 bieten. Dabei arbeitet die 3-Fachverriegelung autoLock AV4D M2 mit zwei Schwenkriegel-Duos. Gar über vier Schwenkriegel-Duos verfügt die Automatik-Verriegelung autoLock AV4D M4. Die Technik der Schwenkriegel-Duos basiert auf massiven Schwenkriegeln, die automatisch ohne Schlüsseldrehung herausfahren und sich tief hinter die Schließleiste krallen, erläutert der Hersteller aus Telgte. Kunden können sich auch für eine schlüssellose Sofortverriegelung entscheiden, die beim Zuziehen der Tür greift. Von innen lässt sich die verriegelte Tür dennoch immer ohne Schlüssel öffnen. Viele Kunden hätten auch den Wunsch nach einer so genannten Tagesfalle geäußert. Damit kann die Tür zeitweise mechanisch freigeschaltet werden, zum Beispiel wenn die Tür offen bleiben soll, um Einkäufe hereinzubringen. Die mechanische Verriegelung kann nachträglich mit einem Motor ausgerüstet werden. So lassen sich Fingerprintlösungen oder ein Pinpad als Türöffner einbinden.

Gefragt: Renovierungsschlösser

Im Reparaturbereich gäbe es eigentlich nichts, was nicht mehr verarbeitet wird, berichtet Wilka-Manager Jens Hantel. Auf die Frage „was überholt sei“, antwortet er: „Knopftürschlösser und Rundzylinder, die früher verbaut wurden, werden soweit möglich noch getauscht, aber nicht mehr neu eingebaut.“ Derartige Zylinder und Schlösser findet man beispielsweise bei älteren Eingangstüren. Wilka Schließtechnik registriert derzeit eine erhöhte Nachfrage nach sogenannten Renovierungsschlössern, weil gerade viel in Renovierungen investiert wird. Dabei kann es schon bei recht „jungen“ Objekten der Fall sein, dass ein solches Renovierungsschloss eingesetzt wird. „Abweichende Befestigungen der alten oder defekten Schlösser werden mit dem langen Reno-Stulp abgedeckt“, erläutert der Leiter Vertrieb Handel.

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