Veranstaltungsbericht

Tageslicht-Symposium

Hinweispflicht bei Tageslichtmangel

Das diesjährige Tageslicht-Symposium suchte nach Wegen, Immobilien besser mit natürlichem Licht zu versorgen. Im Gespräch ist eine Hinweispflicht für Gebäude, in denen ein Mangel an natürlicher Beleuchtung herrscht.

Dass Tageslicht die Gesundheit fördert, davon mussten die Besucher des Symposiums nicht überzeugt werden. Vielmehr gab die Veranstaltung Ende November Einblicke in die Forschung, warum die Sonnenstrahlung für den menschlichen Organismus wichtig ist. Jochen Grönegräs, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Flachglas, signalisierte Unterstützung, um das Tageslicht stärker in der Baukultur zu verankern und in die Öffentlichkeit zu tragen. Der Solarlux-Campus bei Melle wurde mit Bedacht als Veranstaltungsort gewählt. Das Unternehmen von Geschäftsführer Herbert Holzgreife konstruiert Tageslichtsysteme, vor allem mit Aluminiumrahmen. Diese Falt- und Schiebewände, Wintergärten, Dächer und Fassaden leiten großzügig die Helligkeit aus der Natur ins Innere. Der Firmenstandort gilt auch als Best-Practice-Beispiel in puncto gesundes Arbeiten. „Jeder Arbeitsplatz vom Büro bis zur Fertigung bietet einen Blickbezug zu den Innenhöfen, Gründächern oder zur Umgebung“, sagte Stephan Hettlich, Leiter der Solarlux-Akademie, bei der Werksbesichtigung.

Wie ein Grundnahrungsmittel

In der Planungspraxis nehmen die 100.000 Lumen pro Watt, die die Sonne gratis liefert, oft einen ernüchternden Stellenwert ein. „Tageslicht hat eher geringe Mindestanforderungen in der Landesbauordnung und eine vergleichsweise kleine Lobby“, analysierte Prof. Mathias Wambsganß auf dem Symposium. Deshalb verkümmere die natürliche Beleuchtung zu einem Rest, den der Wärmeschutz übrig lasse. Gegenwärtig gebe es am Markt zu wenig Tageslichtplaner und komplexe Tageslichtsysteme seien kaum präsent. Zudem sei die Tageslicht-Normenreihe 5034 keine technische Baubestimmung. „Architekten haben in der Regel keinen quantitativen Bezug zum Tageslicht, obwohl sie dessen Wert betonen“, beklagte Wambsganß, der an der Hochschule Rosenheim Lichtplanung und Gebäudetechnologie lehrt. Dennoch bestehe Grund zur Hoffnung. So bringe die DIN EN 17037 „Tageslicht in Gebäuden“ mit ihrer Einführung am 12.12. 2018 erste Änderungen. Im Januar 2019 stelle dann die Lichttechnische Gesellschaft (LiTG) ihre Leistungsbilder Lichtplanung vor. Zudem sei das Expertenforum Tageslicht (EFTa) gegründet worden, dem auch die LiTG angehöre. „Wir brauchen die verbindliche Einführung und Einhaltung von normativen Vorgaben, um das Tageslicht zu stärken“, sagte der Gründer des Münchner Planungsbüros 3lpi, der sich dafür einsetzt, entsprechende Lehrinhalte in der Ausbildung von Architekten zu festzulegen.

Digital simuliert

Auf welche Hürden Beleuchtungskonzepte bei Bauvorhaben stoßen, berichtete Prof. Peter Andres aus seiner Arbeit im Büro beratender Ingenieure für Lichtplanung. So habe beim Terminal 2 des Hamburger Flughafens die Herausforderung in einem punktuellen Sonnenschutz bestanden. Dieser sollte verhindern, dass Angestellte an einzelnen Arbeitsplätzen durch die Sonne geblendet werden, die ins Gebäude scheint. Bei den Hamburger Deichtorhallen sei das Nutzungskonzept der Ausstellung zu berücksichtigen gewesen. Eine natürliche Einstrahlung sollte planerisch einbezogen werden, durfte jedoch die Gemälde nicht schädigen. Auf euphorische Resonanz hingegen sei das Beleuchtungskonzept beim Neubau der Probsteikirche in Leipzig gestoßen. Dort strahle die Sonne in Form eines Kreuzes ins Gotteshaus. Der Bau einer Grundschule in Clenze konfrontierte das Büro mit den Fragen, wie viel natürliche Beleuchtung Kinder für ihren Lernerfolg brauchen und wie alle Kinder die gleichen Chancen erhalten. Prof. Andres gab zu bedenken, dass verschiedene Simulationsmodelle Vor- und Nachteile haben. Doch das Büro arbeite nach der Devise, so viel natürliches Licht wie möglich zu verwenden. „Kunstlicht darf nur korrigieren und nur dort, wo es mit Tageslicht nicht mehr geht“, sagte der Planer.

Daniel Witzel von Dial erklärte die Kernfunktionen von Dialux. Der Mittelständler aus Lüdenscheid entwickelt Software, die digital simuliert, wie Sonnenstrahlen durch Gebäudeöffnungen ins Innere fallen und Schatten werfen. „Anhand des Grundrissplans künftiger Gebäude simulieren wir etwa Büros inklusive ihrer Einrichtung und Möbel. Unsere Modellrechnungen gehen so weit, dass wir am Markt vorhandene Sonnenschutzprodukte wie Lamellen vor die modellierten Fenster legen können“, so der Ingenieur.

Unsichtbares Spektrum zählt

Warum die Natur aus medizinischer Sicht Priorität haben sollte, begründete Prof. Dr. Herbert Plischke von der Hochschule München: „Tageslicht ist mehr als 6.500 Kelvin und 100.000 Lux. Ein Mensch braucht auch die nicht visuellen Anteile und die regenerativen Anteile des Tageslichts zur Gesunderhaltung.“ Damit der Körper Vitamin D bilde, nutze er das mittlere Ultraviolett (UV-B) zwischen 280 und 315 Nanometer (nm). Das nahe Ultraviolett (UV-A, 315-380 nm) wirke positiv auf das Immunsystem. Das nahe Infrarot (IR-A, 780-1400 nm) beeinflusse die Wundheilung der Haut und die Regeneration. Indem das sichtbare Spektrum mit einer Wellenlänge von 380 bis 780 nm die Körperfunktionen steuere, wirke es visuell und nichtvisuell. Photorezeptoren im Auge, die eine Helligkeit vor der Linse registrieren, beeinflussen den Schlaf-Wach-Rhythmus. Am Tag brauche der Organismus so viel natürliches Licht wie möglich, nachts hingegen völlige Dunkelheit, um gut zu schlafen. Taktgeber sei der Bereich SCN (Suprachiasmatic Nucleus) hinter den Augen. Diese Stelle steuere die Organe im Körper und auch die Zirbeldrüse, die das Hormon Melatonin ausschütte, das den Stoffwechsel senke. Der Mediziner warnte: „Lumen, lux und Energieeffizienz allein zählen nicht. Es reicht nicht, nur auf Lumen pro Watt zu schauen. Wir brauchen einen neuen Bewertungsansatz, den melanopischen Wirkungsfaktor. Der Faktor kann dabei helfen, eine tageslichtäquivalente Beleuchtungsstärke zu bewerten und zu normieren.“ Mit quantifizierbaren Werten könnten Arbeitsplätze in Büros oder Fabriken so eingerichtet werden, dass die Menschen wach und fit bleiben. Um gesündere  Beleuchtungssituationen zu gestalten, die dem Vorbild der Natur auch im nicht sichtbaren Bereich entsprechen, seien technische Standards und Simulationssoftware gefragt.

Zwei Stunden pro Tag draußen

Alarmierende Zahlen vermeldete Till Reine von Velux. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge verbringen die Menschen in den Industrienationen fast 90 % ihrer Zeit in geschlossen Räumen. Nur zwei Stunden pro Tag gehen sie im Schnitt noch ins Freie. Das Phänomen errege bereits unter dem Schlagwort „Indoor-Generation“ Aufmerksamkeit. In  einer Velux-Umfrage glauben aber fast zwei Drittel der Befragten, dass sie mehr als sechs Stunden pro Tag draußen verbringen. Demnach bestehe ein Unterschied zwischen subjektiver Wahrnehmung und der Realität. „Die Klimaziele allein sind nicht das Maß der Dinge. Gesundheit und Wohnzufriedenheit hängen direkt miteinander zusammen. Dieser Aspekt fehlt in der politischen Debatte“, so der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim weltweit größten Dachfensterhersteller. „Weil die Mindestanforderungen in der EN 17037 zur Tageslichtversorgung sehr gering sind, empfiehlt Velux, eine Hinweispflicht bei Tageslichtmangel in Immobilien einzuführen“, sagte Till Reine auf dem Symposium. Eine Vorschlagspflicht geeigneter Maßnahmen, wie sich die Versorgung mit natürlicher Helligkeit verbessern lasse, könne die Hinweispflicht ergänzen. Das seit 2015 ermittelte Healthy Homes Barometer ergebe, dass der stärkste Sanierungsanreiz in der Steigerung des Wohlbefindens liege. Drei Faktoren würden die Menschen in ihrem Wohnumfeld besonders schätzen: guten Schlaf, regelmäßiges Lüften und eine natürliche Beleuchtung.

www.initiative-tageslicht.de

www.bundesverband-flachglas.de

Nachgefragt bei Stephan Hettlich, Leiter der Solarlux Akademie

metallbau: Welche Auftraggeber lassen Tageslichtsysteme einbauen?
Stephan Hettlich: Am meisten private Auftraggeber, auch das Gewerbe, vor allem in der Gastronomie. Öffentliche Auftraggeber weniger.

metallbau: Vorwiegend Einzelanfertigungen oder auch Systemlösungen?
Hettlich: Wir sind Spezialist für bewegliche Glaswände, zum Beispiel Faltwände und großflächige Verglasungen. Das sind Produkte für Wohlfühlräume, die das Tageslicht von draußen hereinholen.

metallbau: Welche Rolle spielt der Einbruchschutz?
Hettlich: Die Nachfrage nach Einbruchschutz nimmt zu. Wir haben Systeme entwickelt, die den Standard RC-2 und RC-3 erfüllen.

metallbau: Spricht das gut etablierte Glas- und Fensterrecycling hierzulande für Tageslichtsysteme?
Hettlich: Das Recycling spricht dafür. Wir haben Produkte am Markt, die mit Bauteilen aus Holz-Aluminium und Holz Passivhaus-Qualität erreichen. Diese Systeme haben wir vorausschauend entwickelt, sodass nach Jahren beim Auswechseln eines Tageslichtsystems die Trennung der Komponenten möglich ist, um sie wieder zu recyceln.

metallbau: Ist die Montage ein Geschäftsfeld für Metallbauer? Hettlich: Das ist auf jeden Fall ein Geschäftsfeld. Die natürliche Beleuchtung wird immer interessanter, weil sie das Wohlbefinden steigert. Dazu tragen unsere Produkte bei.

metallbau: Welche Unterstützung bietet Solarlux als Hersteller den Metallbauern?
Hettlich: An unserer Solarlux Akademie führen wir Schulungen für Partnerbetriebe zu den Themen Montage, Verkauf und Software durch. Wir bieten auch Serviceleistungen beim Aufmaß und Montageunterstützung an. Metallbauer können Partnerbetriebe von Solarlux werden, wenn sie unsere Produkte einbauen. Wir helfen jedem Betrieb aufs Pferd.

metallbau: Welche Entwicklungen bei Tagesichtsystemen zeichnen sich ab?
Hettlich: Die Trends sehen wir im hochwertigen Wohnungsbau mit großformatigen Verglasungen und wenig sichtbaren Profilen.

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Ausgabe 06/2014

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