Normen

Die neue DIN EN ISO 14731

Kompentenzniveaus der Schweißaufsicht / Teil 2

Mit Ausgabe der DIN EN ISO 14731:2019 entfiel der Begriff der verschiedenen speziellen Kenntnisse, die für Schweißaufsichtspersonal erforderlich sind. Neu eingeführt wurde der Begriff „Kompetenzniveau“. Der Beitrag gibt Hilfestellung für die Praxis.

Die DIN EN ISO 14731:2006 kannte in mehreren Abschnitten noch die „verantwortliche“ Schweißaufsichtsperson und forderte in Abschnitt 4.2 den Hersteller auf, mindestens eine verantwortliche Schweißaufsichtsperson zu benennen.

Dieser Begriff der verantwortlichen Schweißaufsichtsperson ist in der Neuausgabe entfallen. Die Schweißaufsichtsperson definiert die Norm als „Person oder Personengruppe, die festgelegte schweißtechnische Koordinierungsaufgaben ausübt“.

Der Hersteller muss jedoch mindestens eine Person benennen, die für die schweißtechnischen Koordinierungsaufgaben verantwortlich ist. Insofern bleibt es über die Hintertür bei der bekannten verantwortlichen Schweißaufsichtsperson; es ist nur eine sprachliche Umstellung.

Wenn mehr als eine Person schweißtechnische Koordinierungsaufgaben ausübt, sind die Aufgaben und die Verantwortung für jede Person festzulegen, sodass die Verantwortung eindeutig definiert ist und die Personen für jede spezielle schweißtechnische Koordinierungsaufgabe ausreichend kompetent sind.

Betrachtet man den Anhang B von DIN EN ISO 14731 mit seinen nunmehr 20 Teilpunkten, ist leicht festzustellen, dass eine Person unmöglich alle diese Aufgaben wahrnehmen kann. Von daher werden in größeren schweißtechnischen Betrieben diese Tätigkeiten auf mehrere Personen verteilt. Die verantwortliche Schweißaufsicht bzw. das Unternehmen müssen aber festlegen, wer was macht. Die Richtlinie DVS 0711:2016-08 „Aufgaben, Verantwortung und Zuständigkeit des Schweißaufsichtspersonals nach DIN EN ISO 14731“ gibt hierzu Hilfestellung. Eine solche Matrix (Tabelle) hat den Zweck (innerbetrieblich und für Dritte), die Aufgaben und Verantwortung und somit die Zuständigkeit des Schweißaufsichtspersonals klar darzustellen. Je nach den betrieblichen Anforderungen ist diese Matrix durch den Hersteller aufzustellen.

Eine solche Darstellung ist ein Hilfsmittel, um Anforderungen bezüglich der Verantwortlichkeiten im Rahmen von Herstellerzertifizierungen, z. B. DIN EN 1090-1 oder AD 2000 HP zu unterstützen.

Resümee

Mit der Neufassung von DIN EN ISO 14731:2019 findet eine Abkehr von einem Verweis auf eine DVS-EWF-IIW–Ausbildung und Qualifizierung statt. Damit ist aus Sicht des Autors nun der Arbeitgeber/Hersteller in noch verstärkter Form für den Nachweis und nachweisbaren Erhalt der Kompetenz der Schweißaufsicht verantwortlich.

Mit dem Wegfall des ehemaligen informativen Anhangs A sind auch alle Verweise auf die Empfehlungen (DVS) IIW bezüglich der Ausbildungsanforderungen und der Mindestanforderungen für die Ausbildung, Prüfung und Zertifizierung des Schweißaufsichtspersonals entfallen.

Als Firmenchef ist man weiterhin gut beraten, bei der Einstellung oder Berufung einer Schweißaufsicht auf eine bestandene Qualifizierung nach DVS-IIW-Richtlinie z. B. als Schweißfachingenieur etc. zu setzen. Damit ist schon einmal die notwendige Grundlage bezüglich des Wissens für eine mögliche kompetente Schweißaufsichtsperson hinsichtlich der schweißtechnischen Kenntnisse geschaffen.

Im nächsten Schritt muss dann Berufserfahrung von der möglichen Schweißaufsichtsperson hinsichtlich der zu fertigenden Produkte, der verwendeten Werkstoffe und Schweißverfahren gesammelt werden. Gepaart mit dem erworbenen Wissen entsteht hieraus dann eine mögliche Kompetenz, also die Fähigkeit, Kenntnisse (u. a. aus der Ausbildung und dem Berufsleben, der Weiterbildung) im Betrieb auch in den vorkommenden Arbeitssituationen anzuwenden. Die Grafik gibt die „Philosophie“ des Weges zur Ernennung zur verantwortlichen Schweißaufsicht wieder.

Im Sinne der neuen Norm müssen sich Unternehmen nun auch mehr Gedanken um die konkrete Aufgabenstellung ihrer Schweißaufsicht machen und insbesondere klar definierte Anforderungen an das schweißtechnische Wissen stellen. Sie sind damit auch aufgefordert, bereits im Vorfeld einen Anforderungskatalog für ein „Bewerbungsgespräch“ zu erstellen und im Gespräch die Erfüllung oder auch Nicht-Erfüllung dieser Anforderungen zu dokumentieren.

Spannend und ungelöst bleibt die Frage, wer die Kompetenz einer möglichen Schweißaufsicht bewerten soll, wenn im Unternehmen keine schweißtechnisch versierte Person vorhanden ist, um das geforderte Kompetenzniveau zu überprüfen.

Damit wird die Aufgabe der Zertifizierungsstelle, die Fachkompetenz des benannten Schweißaufsichtspersonals im Rahmen der Zertifizierung von Herstellbetrieben zu beurteilen, wesentlich komplexer. Für die Zertifizierung des Schweißbetriebs und damit auch für den Hersteller wird es nun richtig spannend. Denn wie fachkundig und objektiv ist der Zertifizierer bei der Feststellung der Kompetenz? Reichen da, die wie auch immer gearteten fachlichen Kenntnisse (z.B. EWE) des Zertifizierers aus oder gehört mehr dazu? Wie erfolgt die Bewertung, wie wird sie gemessen und wie wird sie dokumentiert? Der Zertifizierer kann bzw. darf keine formellen Ausbildungsnachweise (siehe IIW) fordern. Diese können helfen und sind sicherlich sehr sinnvoll — reichen allein aber nicht aus! Der Zertifizierer muss die aktuelle Gesamtkompetenz (!) beurteilen, genauer gesagt, die Normanforderungen auf der Grundlage der akzeptierten, anforderungsgerechten Arbeitsanweisung messen und entsprechend dokumentieren.

„Übernehmen Sie mal die Schweißaufsicht in unserem Betrieb, Sie sind doch Schweißfachmann, Schweißfachingenieur!“, so oder ähnlich wird recht oft an (junge) Schweißfachmänner und Schweißfachingenieure die Aufforderung an die Übernahme einer größeren Aufgabe gestellt. Der Betriebsinhaber und auch viele Vorgesetzte in metallverarbeitenden Schweißbetrieben sind sich der Tragweite der damit auch zu übernehmenden Verantwortung, die er seinem schweißtechnischen Nachwuchs aufbürdet, oft nicht bewusst. Mit dem Begriff „Schweißaufsicht“ wird allzu oft nur die reine Schweißüberwachung in der Werkstatt und auf der Baustelle assoziiert. Doch mit der in Zertifikaten und Zuerkennungsschreiben benannten verantwortlichen Schweißaufsichtsperson wird damit weit mehr an Aufgaben und auch damit verbundener Verantwortung aufgebürdet, deren Tragweite sich oft keiner so recht bewusst ist. Im DVS Fachbuch 155 „Aufgaben und Verantwortung der Schweißaufsicht – Leitfaden für Werkstatt und Montage“ wird der Verantwortungsbereich einer angehenden Schweißaufsicht, aber auch schon langjährigen betrieblichen Schweißaufsicht näher erläutert. Das Fachbuch bietet ihnen Tipps fürs (Über-)Leben.

Literaturhinweise & Teil 1

Literatur

1) DIN EN ISO 14731:2006 Schweißaufsicht - Aufgaben und Verantwortung (ISO 14731:2006); Deutsche Fassung EN ISO 14731:2006

2) Mußmann, J.: „DIN EN ISO 14731 – Fordert die neue weltweite Norm über Aufgaben und Verantwortung der Schweißaufsicht mehr?“ DVS, Berichtsband 240, anlässlich der Großen Schweißtechnischen Tagung des DVS im September 2006 in Aachen

3) DIN EN ISO 14731 (2019-07): Schweißaufsicht – Aufgaben und Verantwortung (ISO 14731:2019). Beuth Verlag, Berlin.

4) DIN SPEC 35236 (2020-04): Qualifizierung von Schweißaufsichtspersonal. Beuth Verlag, Berlin

5) Richtlinie DVS 0711:2016-08 „Aufgaben, Verantwortung und Zuständigkeit des Schweißaufsichtspersonals nach DIN EN ISO 14731“

6) Mußmann, J.: „Die neue DIN EN ISO 14731:2019 – Entfällt die schweißtechnische Ausbildung?“, DVS, GST 2019, Berichtsband 355, Seite 246 bis 251, anlässlich der Großen Schweißtechnischen Tagung des DVS im September 2019 in Rostock

7) Mußmann, J.: „Die neue DIN EN ISO 14731:2019 – Geänderte Anforderungen an Kompetenz und Kenntnisse“, DVS, SOT 2020, Berichtsband 361, Seite 42 bis 55, anlässlich der Sondertagung Schweißen im Anlagen- und Behälterbau, 2020, München

8) Mußmann, J.: „Aufgaben und Verantwortung der Schweißaufsicht – Leitfaden für Werkstatt und Montage“ DVS Media GmbH, 1. Auflage 2021, Fachbuchreihe Schweißtechnik, Band 155, 189 Seiten, ISBN 978-3-87155-994-5, 69,00 EUR

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