Sanierung der IHK München

Stahlprofile für denkmalgeschützte Fenster

Jeder kennt die drei Kriterien, die den Wert einer Immobilie ausmachen: Lage, Lage, Lage. So verdankt das IHK-Stammhaus seine grundlegende Sanierung der innerstädtischen Lage. Konstruktive Ertüchtigung, funktionale Neuordnung und Wiederherstellung des ehemals repräsentativen Erscheinungsbilds der denkmalgeschützten Gebäude standen im Pflichtenheft von Anderhalten Architekten. ->zum Teaserclip

Das Stammhaus der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, im Münchner Stadtteil Maxvorstadt direkt am Altstadtring gelegen, ist ein wichtiger städtebaulicher Referenzpunkt. Es besteht aus zwei denkmalgeschützten Gebäuden, die einen überdachten Innenhof umschließen: dem Gebäude der ehemaligen Börse am Maximiliansplatz Nr. 8 (Architekt Friedrich von Thiersch, Baujahr 1901) sowie dem Wohn- und Geschäftshaus in der Max-Joseph-Straße 2 (Architekt Gabriel von Seidl, Baujahr 1911). Beide Gebäude wurden im Lauf der Zeit mehrfach umgebaut und den jeweiligen Erfordernissen angepasst.

Doch um die Nutzung als Bürogebäude und Versammlungsstätte auch künftig zu gewährleisten, war nunmehr eine Generalsanierung unumgänglich: Die Bausubstanz wies erhebliche Defizite in den Bereichen Tragfähigkeit, Brandschutz, Bauphysik und nicht zuletzt hinsichtlich des Baurechts auf. Mit der konstruktiven Ertüchtigung einhergehend sollten die baulich durch eine Brandwand getrennten Gebäude in ihrer horizontalen Erschließung geschossweise miteinander verbunden werden. Ein weiteres Ziel der Sanierung war es, das ehedem repräsentative Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Ensembles wiederherzustellen.

Alles in allem ein gleichermaßen ambitioniertes wie komplexes Projekt, dessen Umsetzung nicht ganz reibungslos verlief. Das Berliner Büro Anderhalten Architekten konnte das VgV-Verfahren für sich entscheiden, nachdem die IHK sich vom vorherigen Planer getrennt hatte. Eigentlich sollte man auf dessen Planung aufsetzen, doch anstatt einfach weiterzubauen, präsentierte das Team um Prof. Claus Anderhalten einen Vorentwurf, der die funktionalen Zusammenhänge neu ordnete. „Im Grunde genommen haben wir das Gebäude zoniert“, erläutert Wolfgang Schöning, Partner bei Anderhalten Architekten. „Wir haben zwei öffentliche Bereiche mit viel Publikumsverkehr, in denen das Haus möglichst transparent sein sollte, und einen kompakten Kern, der die dienenden Räume sowie die vertikale Erschließung bündelt. Unter diesem Aspekt haben wir die Aufzüge neu positioniert und auch die horizontale Erschließung optimiert.“

Besucher, Veranstaltungsteilnehmer und Gäste erreichen die IHK über den Haupteingang an der Max-Joseph-Straße; der Nebeneingang am Maximiliansplatz ist Teilnehmern von VIP-Veranstaltungen vorbehalten. Ein weiterer Nebeneingang, für Mitarbeiter und Lieferanten, befindet sich an der Ottostraße. Im Erdgeschoss sind die öffentlichen Bereiche wie Beratungszonen und das Börsencafé angeordnet. Die räumliche Trennung der Funktionen erfolgt über Stahl-Glas-Trennwände mit ebensolchen Türen. „Wir wollten größtmögliche Durchlässigkeit schaffen,“ erklärt Schöning, „damit das Gebäude wieder in seiner ganzen Größe erfahrbar ist.“ Das Atrium im Erdgeschoss sowie die repräsentativen Räume im 1. und 2. Obergeschoss der ehemaligen Börse dienen als Versammlungsräume. Alle weiteren Flächen in den Obergeschossen werden als Büro- und Besprechungsräume genutzt. Sie sind nach der Sanierung stockwerksweise über einen Ringflur miteinander verbunden, der um das Atrium herum verläuft. Weil dieser Ringflur not-wendiger Rettungsweg zu den Treppenräumen hin ist, schließen transparente Brandschutztüren die Flure ab. Sie wurden als EI30-Türen mit Schließfolgeregelung und Panikschlössern gefertigt; als sogenannte IBO-Türen, „im Betrieb offen gehaltene“ Türen, um die Mitarbeiter möglichst wenig zu beeinträchtigen.

Einbruchhemmende Fenster

Möglichst wenig Beeinträchtigung, wenngleich in einem anderen Sinn, gilt auch für außen. Die historischen Fassaden mit ihren zahlreichen Natursteinelementen, Terrakotten und diversen Dekorelementen wurden sorgfältig restauriert. Erhaltene historische Fenster- und Türelemente wurden überarbeitet und teils ergänzt, alle übrigen Öffnungselemente in Anlehnung an historische Vorbilder in zeitgemäßer Ausführung rekonstruiert. Hierfür wählten die Architekten das thermisch getrennte Stahlprofilsystem Janisol von Schüco Stahlsysteme Jansen. Die erdgeschossigen Fenster wurden in Anlehnung an die bauzeitliche Ausführung als thermisch getrennte Stahlrahmenkonstruktion mit Isolierverglasung und erhöhten Sicherheitsanforderungen (RC2) gefertigt. Neben verschiedenen funktionalen Adaptionen — wie beispielsweise Querstreben, die die Sonnenschutzrollos windstabil halten und zusätzlichen Wetterschenkeln — wurde ein 15 x 30 mm schmaler Stahlsteg aus optischen Gründen nachträglich außen aufgebracht. „Mit diesem Stahlsteg wollen wir die Ansicht weiter differenzieren“, erläutert Schöning. „Dadurch wirken die Stahlprofile insgesamt schmaler, kommen dem Originalprofil also noch näher und unterstützen unser Ziel, das Gebäude so wiederherzustellen, wie es die Architekten seinerzeit errichtet hatten.“

Eine große Herausforderung für den Metallbauer, die Firma Niebuhr Stahlglastechnik mit Sitz in Gardelegen, war die Fertigung der raumhohen, halbrunden Bogenfenster an der Max-Joseph-Straße; diese Fenster sind mit einer „gedrehten“ Glasleiste versehen. Die beiden Rahmenkörper  — ein rechteckiges Unterteil und ein halbrund gebogenes Oberteil — sind an ihrer Nahtstelle miteinander gekoppelt. Doch während im unteren Teil die Glasleiste innen sitzt, ist sie im oberen Teil außen angeordnet. Das war notwendig, um die wasserführende Ebene einzuhalten. Angesichts solcher Raffinessen ist die Ausstattung der Fenster mit möglichst innenliegenden RWA-Antrieben fast schon Standard. Möglich ist dies allerdings nur bei einem geradlinig verlaufenden Profil, wie es bei den Fenstern zum Maximiliansplatz hin der Fall ist. Hier konturiert lediglich ein kleiner „Mond“ an den Fensterecken die ansonsten rechteckige Form.

Was in der Ansicht gefällig wirkt, ist in der Fertigung anspruchsvoll: die Herstellung eines solchen Fensterelements, von der Rohstange bis zum Bau, beansprucht fast eine Arbeitswoche. Das Ergebnis rechtfertigt den Aufwand. „Von den grundsätzlichen Möglichkeiten, einen RWA-Motor anzubringen, ist die Integration in das Profil nicht nur die aufwendigste, sondern auch die eleganteste“, erläutert Michael Niebuhr, Geschäftsführer der Niebuhr Stahlglastechnik. „Doch die anspruchsvollen Konstruktionen dienen einem Ziel: maximale Transparenz.“ Und dürften außerdem auch die Denkmalpfleger freuen, weil kein „fremdes“ Element die Ansicht beeinträchtigt.

Im Februar 2019 hatten alle der insgesamt 275 Mitarbeiter die neuen Arbeitsplätze in der IHK bezogen. Es versteht sich von selbst, dass diese mit neuester Technik ausgestattet sind. „Das Gebäude hat den Standard eines heutigen Büroneubaus, implementiert in eine Bausubstanz, die über hundert Jahre alt ist“, resümiert Schöning.

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